USA und Syrien:Die Weltpolizei hat den Dienst quittiert

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Die USA - nichts mehr zu sagen im Nahen Osten. (Im Bild der Flugzeugträger USS George H.W. Bush im Golf von Aden) (Foto: AP)

Präsident Obama will nicht mehr, dass die USA Teil des mörderischen Spiels in Nahost sind. Doch damit überlässt er das Feld Akteuren mit weniger Skrupeln. Besonders drastisch zeigt sich das in Syrien.

Kommentar von Hubert Wetzel

Es gibt ein Sprichwort in Amerika aus der Zeit, als der Westen noch wild und gefährlich war, und es beschreibt einen Mann, der diesen Gefahren unzureichend gerüstet und mit einer gewissen Naivität gegenübertritt. "He brought a knife to a gun fight", sagt man dann: Er ging zu einer Schießerei, aber er nahm nur ein Messer mit.

Der neue, brandgefährliche Wilde Westen ist heute der Nahe Osten. Und der Mann ist Barack Obama. All die Desperados und Outlaws, die sich von Tunesien über Libyen, Ägypten und Syrien bis zum Irak bekämpfen, haben - im wahren, blutigsten Sinne des Wortes - ihre größten Schießeisen mitgebracht. Sie feuern aus allen Rohren.

Aber der US-Präsident, der einmal der Sheriff in diesem Teil der Welt war, hat nur ein Taschenmesserchen dabei. Das flößt niemandem Respekt und niemandem Furcht ein. Die Weltmacht Amerika hat im Nahen Osten nichts mehr zu sagen. Ihre Verbündeten nehmen sie nicht ernst, ihre Gegner erst recht nicht.

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Dieser Autoritätsverfall hat viele Ursachen, und nicht immer ist Obama schuld. Der wichtigste Grund ist: Obamas Arbeitgeber, das amerikanische Volk, will nicht mehr, dass die USA der Sheriff sind.

Die Amerikaner verstehen, dass der Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat notwendig ist, und sie sind bereit, einige Elitesoldaten, Jagdbomber und Drohnen einzusetzen, um sich die Kopfabschneider, so gut es geht, vom Hals zu halten. Mehr aber nicht. Für eine größere Intervention in Syrien, Libyen oder im Irak, um dort eine abstrakte Regional- oder Weltordnung zu verteidigen, gibt es weder in der Bevölkerung noch im Kongress nennenswerte Unterstützung.

Obama will nicht, dass die USA Teil des mörderischen Spiels sind

Und Obama drängt seine Bürger auch nicht zu mehr. Der Präsident sieht wenig Nutzen darin, amerikanisches Geld, Blut und Prestige in dieser staubigen Ecke der Welt zu investieren, wissend, dass es keine Rendite gibt. Obamas stetiger Rückzug aus dem Nahen Osten hat dazu beigetragen, ein Vakuum zu schaffen. Diese Leere wird nun vom Chaos gefüllt.

Zudem hält Obama ganz generell wenig von Schießereien als Mittel, um Meinungsunterschiede auszutragen und Interessen auszutarieren. Dass die Herrscher in Saudi-Arabien und Iran ohne jeden Skrupel Sunniten und Schiiten aufeinanderhetzen, dass Russland in Nahost auf die denkbar brutalste Art Geopolitik betreibt, sieht Obama natürlich. Aber er will nicht mehr, dass Amerika Teil dieses mörderischen Spiels ist.

Obama ist durch und durch ein Mann der Vernunft, der Argumente, des Rechts. In ihm steckt kein Cowboy, der wütend den Colt zieht, sondern ein Anwalt, der (um im Bild zu bleiben) ein messerscharfes Plädoyer hält. Leider hört niemand zu.

Und vielleicht ehrt die Weigerung, mitzuschießen, Obama ja. Der Nahe Osten gleicht heute in weiten Teilen einem Schlachthaus. Da braucht es nicht noch einen Metzger mehr. Einerseits.

Andererseits: Was wäre gewesen, wenn Obama vor drei, vier Jahren Härte gezeigt hätte? Wenn er damals dem Rat seines Außenministers John Kerry gefolgt wäre, der heute von den Russen gedemütigt wird, und die syrische Regierungsarmee hätte bombardieren lassen? Wenn er wenigstens nach dem Einsatz von Sarin durch Baschar al-Assads Truppen seine eigene "rote Linie" verteidigt hätte?

Die USA hätten sicher nicht die kippende alte Ordnung im Nahen Osten durch Bomben bewahren können. Aber vielleicht hätten sie hier und da die übelsten Entwicklungen stoppen können.

Obamas Zögern stärkt die Islamisten

Offensichtlich ist jedenfalls, dass Obamas Zögern, seine Scheu einzugreifen, die Lage nicht verbessert hat. Dass die Islamisten an Rückhalt und Stärke gewinnen würden, je länger der Westen andere, vielleicht weniger radikale Rebellen nicht unterstützt, war abzusehen.

Es war auch naiv von Obama zu glauben, das iranische Regime werde sich für das Atomabkommen dadurch erkenntlich zeigen, dass es in Syrien Mäßigung zeigt. Statt dessen hat Obama durch den Vertrag Teheran gestärkt, Assads wichtigsten Alliierten, und bei den US-Verbündeten Zweifel an der Verlässlichkeit Washingtons gesät.

Ebenso naiv war es von Obama, zu denken, man könne Russland in Syrien irgendwie einbinden - die bilateralen Gespräche über eine Lösung des Konflikts haben die USA nun frustriert abgebrochen. Denn eine Einbindung Moskaus hätte vorausgesetzt, dass der russische Präsident Wladimir Putin an einem Ende des Gemetzels dort tatsächlich Interesse hat. Aber warum sollte der einen Krieg beenden wollen, der Amerika schwach und Russland stark erscheinen lässt?

Obama wird den Einfluss von Amerika und den Respekt vor Amerika im Nahen Osten nicht wieder herstellen. Wer aber glaubt, der Region werde es besser gehen, sobald sich die Amis endlich nicht mehr einmischen, sollte einen Blick nach Aleppo werfen. Das ist die finstere Zukunft.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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