Es ist eine der vielleicht seltsamsten Begebenheiten in der Geschichte der Diplomatie. Und noch immer ist unklar, was eigentlich genau passiert ist. Ob überhaupt etwas passiert ist. Fest steht nur: 22 US-Diplomaten, die auf Kuba ihren Dienst getan haben, sind heute schwer krank.
Manche leiden unter chronischem Schwindel, Gedächtnisverlust, Übelkeit und in schlimmen Fällen unter teilweisem oder vollständigem Gehörverlust. Alles eigentlich Symptome einer Gehirnerschütterung. Angefangen hat alles Ende vergangenen Jahres. Der letzte neue Fall kam im Januar hinzu.
Kuba:USA weisen 15 kubanische Diplomaten aus
Die Regierung von US-Präsident Trump reagiert damit auf einen vermeintlichen Schall-Angriff auf die US-Botschaft in der kubanischen Hauptstadt Havana.
Keiner der Betroffenen kann sich erklären, was passiert ist. Und auch niemand sonst kann eine halbwegs plausible Erklärung für die Erkrankung der Diplomaten vorweisen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch kanadische Diplomaten betroffen sind. Mit Kanada aber hat Kuba gar keine Probleme.
Die Fälle haben inzwischen die Spannungen zwischen Kuba in den USA deutlich verschärft. Die USA werfen der kubanischen Regierung vor, nicht willens und in der Lage zu sein, US-Diplomaten vor Angriffen zu schützen. Die USA haben deshalb jetzt Kuba aufgefordert, 15 namentlich genannte kubanische Diplomaten aus der Botschaft in Washington abzuziehen.
Die Frage ist, wovor eigentlich Kuba die US-Diplomaten schützen soll?
Es gibt eine Reihe von Theorien darüber, wie die Betroffenen erkrankt sein könnten. Hier die wichtigsten zusammengefasst:
Akustik-Attacken haben die Symptome ausgelöst
Das ist die am meisten verbreitete Theorie. Und prinzipiell möglich. Ultraschall-Frequenzen von 20 Kilohertz und mehr können die beschriebenen Symptome auslösen, bestätigt der Ultraschall-Experte Tim Leighton von der Universität Southampton dem britischen Guardian. Wer lange genug solchen Frequenzen ausgesetzt sei, könne auch sein Gehör verlieren. Es sei auch nicht schwer, solche Ultraschall-Geräte zu bauen. Die nötigen Teile dafür seien problemlos im Internet zu bekommen.
Dagegen spricht allerdings, dass das Gerät recht nah am Opfer stehen müsste, es geht um wenige Zentimeter. Der Schall dringt nämlich kaum durch Mauern oder Fenster. Und wenn die Zielperson weiter weg ist, muss auch das Gerät größer werden. Der Ingenieur Robin Cleveland von der Universität Oxford schätzt: In einer Entfernung von 50 Metern müsste die Schallanlage schon die Ausmaße eines mittleren Autos haben.
Unwahrscheinlich ist auch, dass so ein Gerät ernsthaft Schäden am Gehirn verursachen könnte: Schall wird schon von der menschlichen Haut massiv gedämpft. Manche Diplomaten aber leiden etwa an teilweisem Gedächtnisverlust. Der sei mit Schall alleine nicht zustande zu bringen.
Damit Ultraschall in den Körper eindringen kann, darf nämlich kein bisschen Luft zwischen der Schallquelle und dem Körper sein. Das ist der Grund, weshalb Ärzte für Ultraschalluntersuchungen erst ein Gel auf den Körper auftragen. Eine unbemerkte Akustik-Attacke kann nicht ausgeschlossen werden. Nach Maßstäben der Wissenschaft ist so etwas aber kaum möglich.
Die Diplomaten wurden mit elektromagnetischen Waffen krank gemacht
Auch hier: In der Theorie durchaus möglich. Solche Wellen können zielgenau auf eine Person fokussiert werden. Auch über größere Entfernungen. Mikrowellen etwa können auch Wände durchdringen. Und elektromagnetische Impulse können das Gehör beeinflussen. Ob das aber in der Praxis so funktionieren würde, ist völlig offen. Solche Wellen erzeugen oft Hitze, wenn sie auf eine wasserreiche Umgebung wie den menschlichen Körper treffen. Keiner der Diplomaten aber hat über Verbrennungen oder ähnliche Symptome geklagt.
Die Diplomaten wurden vergiftet
Ebenfalls möglich. Fast alle beschriebenen Symptome lassen sich auch mit Giften hervorrufen, schreiben die Experten Jamie Wells und Alex Berezow in einem Beitrag für die Zeitung USA Today. Theoretisch hätte das Essen der Diplomaten vergiftet sein können. Was erklären würde, dass so viele in kurzer Zeit erkrankten. Allerdings essen in der Kantine der Botschaft nicht nur Diplomaten. Sondern auch kubanische Angestellte. Keiner von denen ist krank geworden.
Die Diplomaten leiden an einem psychologischen Phänomen
Das würde bedeuten, sie sind nicht wirklich körperlich krank. Glauben es aber so sehr, dass sie sogar ärztlich diagnostizierbare Symptome zeigen. Solche Phänomene tauchen manchmal auch in Gruppen auf. Ein Art Massenpanik. Weil einer solche Symptome zeigt, zeigen alle anderen sie auch bald. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass sich eine Gruppe bestens ausgebildeter Diplomaten einer solchen Hysterie hingeben würde. Und nochmal: Es sind auch kanadische Diplomaten auf Kuba betroffen.
Die USA werten die Vorfälle dennoch offiziell als "Attacke". Was aber unklar ist: Wenn es eine Attacke war, von wem ging sie aus?
Naheliegend ist zunächst, dass die kubanische Regierung die US-Amerikaner gezielt verletzen wollte. Dagegen spricht aber erneut, dass auch Kanadier betroffen sind. Außerdem hat die kubanische Regierung jede Art von Kooperation angeboten. Staatschef Raúl Castro ließ sogar zu, dass FBI-Ermittler das Land betreten, um die Fälle zu untersuchen. Wer die amerikanisch-kubanische Geschichte kennt, der würde nicht glauben, dass so etwas möglich sein könnte.
Möglich wäre aber auch, dass Mitglieder der kubanischen Sicherheitsdienste im Alleingang, quasi verdeckt, die Diplomaten krank gemacht haben. Oder aber, dass Russen respektive Nordkoreaner dahinterstecken. Vielleicht aber war es auch nur ein Unfall, in dem die Diplomaten unbewusst einem chemischen Stoff ausgesetzt waren, der die Symptome verursacht hat. Erinnern kann sich jedoch keiner der Betroffenen an so einen Vorfall.
Die Geschichte bleibt ein Mysterium. Und sie wird so schnell wohl nicht aufgeklärt werden.