USA: Sarah Palin:Sie hat es in der Hand

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Erst lästert Sarah Palin über den "Teleprompter-Mann" Obama, dann wird sie beim Spicken ertappt. Kein Patzer kann den "Pitbull mit Lippenstift" stoppen - auf dem Weg ins Weiße Haus.

Michael König

Sarah Palin hat recht behalten. Als die Parodistin Tina Fey aus der TV-Serie Saturday Night Live nach der Präsidentschaftswahl im November 2008 ankündigte, sie wolle die Rolle als Palin nicht länger spielen, riet ihr die Politikerin: "Sie werden sie in den nächsten vier Jahren noch brauchen."

Muss sich auf der Hand notieren, was ihrer Meinung nach die wichtigsten Themen der US-Konservativen sind: Sarah Palin beim Tea-Party-Convent im Februar 2010 (Foto: Foto: AP)

16 Monate sind seit der Wahl vergangen, und Sarah Palin sorgt tatsächlich weiter dafür, dass Parodisten nicht der Stoff ausgeht. Die neueste Episode in einer langen Reihe peinlicher Auftritte handelt von einem Spickzettel, den die einstige Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner geschrieben hatte, um in einem Interview bei einer Veranstaltung in Nashville bestehen zu können.

"Typ mit dem Teleprompter"

Ärgerlich für Palin: Sie hatte sich die Notizen mit einem schwarzen Stift in die Innenfläche ihrer linken Hand gekritzelt - und wurde von einem Fotografen und von mehreren US-Medien dabei ertappt, wie sie offenkundig davon ablas.

Ungünstig auch, dass sie Präsident Barack Obama, dem sie an der Seite von John McCain bei der Wahl 2008 unterlegen war, kurz zuvor in einer Rede als "Typ mit dem Teleprompter" belächelt hatte - und dann selbst spicken musste.

Den Parodisten dürfte auch gefallen haben, dass es keine übermäßig komplizierten Dinge waren, die Palin dort ablas - sondern die Begriffe "Energy" (Energie), "Budget Cuts" (Budgetkürzungen), "Tax" (Steuern) und "Lift American Spirits" (den amerikanischen Geist wiederbeleben).

Hinter diesen Begriffen verbergen sich Palins politische Prinzipien. Dass sie diese bei einem Interview mit vermutlich vorher abgestimmten Fragen ablesen muss, sorgte in amerikanischen Medien umgehend für heftige Debatten.

Genau das hat sie vor

Nicht einmal für eine harmlose Fragerunde sei Palin gewappnet, schäumten Kritiker. Wie könne sich diese Frau bloß als Präsidentschaftskandidatin für die Wahl 2012 bewerben?

Genau das hat Palin offenkundig vor, und wieder ist es ihr gelungen, Tagesgespräch des politischen Amerika zu sein. Aus ihrer Tapsigkeit schlägt die ehemalige Gouverneurin von Alaska Kapital - diese Entwicklung zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere.

Eine Karriere, die zeitweise einer Achterbahnfahrt glich - und doch immer wieder zeigte, dass Sarah Palin nicht zu unterschätzen ist. Saturday Night Live werden garantiert ein paar schöne Gags mit der Handleserin einfallen.

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Die Zeiten sind lange vorbei, als die amerikanischen Medien fragten: "Sarah wer?" Das war, als Veteran McCain im August 2008 seine junge Kandidatin für das Amt der amerikanischen Vizepräsidentin präsentiert. Der Republikaner McCain wollte George W. Bush als Präsidenten ablösen, lag in den Umfragen aber weit hinter seinem demokratischen Konkurrenten Obama.

Überraschende Nominierung: der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain und seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt Sarah Palin im Sommer 2008 (Foto: Foto: Reuters)

Mit der Nominierung Sarah Palins gelang ihm ein Überraschungscoup, der die Demokraten überrumpelte, die Medien überraschte und die christlich-konservative Basis der Partei beglückte.

Palin war seit 2006 Gouverneurin von Alaska, zuvor agierte sie als Bürgermeisterin und Stadträtin der 8000-Einwohner-Gemeinde Wassila. Als fünffache Mutter und ehemalige Schönheitskönigin gab sie das Bild einer Powerfrau ab - das gefällt den bürgerlichen Wählern. Die christliche Basis erfreut sich an Palins Moralvorstellungen: Sie lehnt Abtreibungen strikt ab und verweist darauf, dass sie ihren jüngsten Sohn Trig ausgetragen habe, obwohl er an dem Down-Syndrom leidet.

Vier Fünftel sind zufrieden

Im Wahlkampf gab sich Palin hemdsärmelig - und konnte auf eine Umfrage verweisen, nach der vier von fünf Bewohnern Alaskas mit ihrer Arbeit zufrieden seien. Während McCain die präsidiale Rolle spielte, drosch Palin von Beginn an munter auf Obama ein - und erntete Applaus.

Die Republikaner holten in den Umfragen auf, die Spendengelder flossen. Der "Pitbull mit Lippenstift", wie sie sich selbst einmal bezeichnete, schien den Wahlkampf umzukrempeln.

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Es dauerte eine Weile, bis alle Details zu der Biographie der Überraschungskandidatin an die Öffentlichkeit gelangen. Dabei stießen Wahlkämpfer der Demokraten und liberale Medien auf Dinge, die eine Frage aufwerfen: Wie genau hatte John McCain seine Kandidatin prüfen lassen, bevor er sie nominierte?

Ein einziges Mal soll er sie persönlich getroffen haben, hieß es. Allein ihre Biographie habe ihn überzeugt. Gleichzeitig wuchsen die Zweifel, ob die tatsächlich lupenrein ist.

Besonders die Privatsphäre Palins barg Munition für den politischen Gegner: Die damals 17-jährige Tochter Bristol war schwanger - ihre Mutter hatte sich stets gegen Aufklärungsunterricht an Schulen eingesetzt. Palin beschwichtigte, das junge Paar werde heiraten, doch dazu kam es nie. Viel später wird sich der Vater des Kindes gar von Bristol trennen und nackt für das Magazin Playgirl posieren.

Eindeutig über Kreuz

Und auch im Politischen gibt es Dinge, die republikanischen Wahlkämpfern Schweißperlen auf die Stirn treiben. Hatte McCain nicht betont, seine Kandidatin müsse angesichts seines hohen Alters im Falle eines Falles sofort in der Lage sein, das Präsidentenamt zu übernehmen?

Palin aber hatte außenpolitisch nichts vorzuweisen. In Alaska reichten ihre 115.000 Stimmen, um Gouverneurin zu werden - so viele Zuhörer versammelt Barack Obama bei einigen seiner Reden. Und als Bürgermeisterin war Palin für 25 Polizisten und ein kleines Bauamt zuständig - politische Erfahrung sieht anders aus.

Hinzu kommen Politikfelder, in denen Palin eindeutig mit der Meinung McCains über Kreuz lag: Sie wollte bei Ölbohrungen auch vor Nationalparks nicht halt machen. Den Klimawandel hält sie für wissenschaftlich nicht bewiesen. Die Parteistrategen fürchten, diese Hardliner-Position könne die religiöse Rechte verschrecken, die sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzt.

Die Zweifel wuchsen.

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Als Quelle der Peinlichkeiten erwiesen sich bald TV-Interviews. Als Palin gefragt wird, was sie von der "Bush-Doktrin" halte, fragte Palin nervös zurück: "In welcher Hinsicht?" Als der Interviewer nachbohrte, was Palin darunter verstehe, eierte die Kandidatin herum: Bush habe das Land geschützt, aber auch Fehler gemacht. Das unter besagter Doktrin das Recht der USA auf präventive Kriegsführung verstanden wird, wusste Palin offenbar nicht.

Auch die Aussage, die Nähe zu Russland qualifiziere sie als Außenpolitikerin, flog Palin kräftig um die Ohren: Als sie gefragt wurde, worin genau diese Qualifikation bestehe, antwortete die Politikerin: "Wir sind Nachbarn, ich kann Russland von meinem Haus aus sehen." Der Satz wurde fortan in jeder Palin-Parodie aufgegriffen. Dass die Kandidatin zugab, außer Deutschland, Kuwait, Kanada und Mexiko kein anderes Land bereist zu haben, machte die Sache nicht besser.

Teure Garderobe

Aus McCains Wahlkampf-Team drangen Stimmen an die Öffentlichkeit, die Palin als "Diva" schmähten. Die Gouverneurin sei "unberechenbar". Dazu passte eine Enthüllung, die eine Woche vor der Wahl durch sämtliche US-Medien ging: Palin, die Heldin aller Rednecks und Malocher, habe für ihre Wahlkampfgarderobe 150.000 Dollar ausgegeben. Sie konnte diesen Vorwurf nicht entkräften, erklärte stattdessen, die Kleidung gehöre der Partei, sie wolle sie nach der Wahl zurückgeben.

Als die Wahlniederlage schließlich feststand, ermittelten konservative Kommentatoren die Nominierung Palins als McCains größten Fehler. Der Präsidentschaftskandidat selbst hingegen ließ sich nicht dazu hinreißen, sein running mate zu kritisieren. Und auch Palin zeigte sich demütig und kündigte an, ihrem Land weiter dienen zu wollen - zunächst wieder als Gouverneurin von Alaska.

Der "Pitbull mit Lippenstift" zog sich zurück - zumindest vorerst.

Nachdem sich der Rauch der Niederlage verzogen hatte, drängte Palin ein halbes Jahr nach der Wahl zurück auf die politische Bühne: Im Juli 2009 gab sie ihren Rücktritt als Gouverneurin von Alaska bekannt - 18 Monate vor Ablauf der regulären Amtszeit.

In der Begründung hieß es, sie halte es für notwendig, ihre Familie und sich selbst vor weiteren Attacken des politischen Gegners und der Medien zu schützen. Beinahe gleichzeitig erschienen auf ihrer Facebook-Seite Zitate, die auf eine Präsidentschaftskandidatur 2012 schließen lassen. Wie das zusammenpasst?

Gar nicht, aber eine fehlende Logik hatte Sarah Palin schon bei früheren Manövern nicht stoppen können.

In aller Munde

Sie ist eine Meisterin des schmalen Grats zwischen Einfältigkeit und Raffinesse. Das wird im November 2009 deutlich, als sie ihre Memoiren vorstellt. Titel: Going rogue. Wohlwollend interpretiert, heißt "rogue" auf Deutsch "schelmisch" oder "außer Rand und Band". Es kann aber auch "Schurke" bedeuten, in dem Sinne, wie George W. Bush das Wort einst für Staaten wie Iran oder Nordkorea gebraucht hat.

Die Leserschaft lässt sich von dem Wortspiel nicht verwirren, das Buch wird ein Verkaufsschlager. Zeitgleich erscheint eine nicht autorisierte Biografie mit dem Titel Going Rouge - eine Anspielung auf die rote Farbe des Lippenstifts, mit dem sich der selbsternannte "pitbull" gerne schminkte.

Palin ist wieder in aller Munde - und wird es bleiben. Denn schon im Januar folgt der nächste Paukenschlag.

Für die Demokraten ist es das Hassobjekt Nummer eins, für eine Republikanerin könnte es einen besseren Arbeitsplatz kaum geben: Sarah Palin heuerte im Januar 2010 als Kommentatorin bei Fox News an, dem Nachrichtensender, den eine Sprecherin des Weißen Hauses unlängst als "Flügel der Republikanischen Partei" gescholten hatte.

Palin hingegen schwärmt, es sei "wunderbar, zu einem Medium zu gehören, das faire und ausgewogene Nachrichten so sehr zu schätzen weiß." Ihr Vertrag mit dem Kanal des Tycoons Rupert Murdoch hat angeblich eine Laufzeit von mehreren Jahren und soll TV-Auftritte sowie Beiträge für die Website und das Radioprogramm umfassen - "eine wichtige Plattform für die Präsidentschaftskandidatur 2012", urteilen konservative wie liberale Kommentatoren in den USA.

Schwammige Interessen

Wie wichtig der neue Job sein kann, deutete sich Anfang Februar 2010 an, als Fox News vehement für die Tea-Party-Bewegung trommelt, eine Ansammlung schwammiger, konservativer Interessen, die sich auf den Ruf nach "mehr Freiheit, weniger Steuern, weniger Schulden, weniger Staat" einigen können - nicht aber auf konkrete politische Forderungen oder gar Kandidaten.

Dennoch ist der Einfluss der Bewegung gefürchtet - von liberaler wie von konservativer Seite. Die Demokraten befürchten, die Graswurzel-Initiative könne den Frust der bürgerlichen Obama-Wähler über die Politik des Präsidenten bündeln und sie in die Arme der Republikaner treiben.

Sie nutzt die neue Kraft

Die Grand Old Party hingegen fühlt sich von der Tea Party bedroht, weil sie eine Spaltung befürchtet: Gehen die Republikaner zu stark auf die zum Teil erzkonservativen Forderungen der Bewegung ein, verlieren sie Wähler in der Mitte. Tun sie es nicht, könnte die Tea Party letztlich zu einer eigenständigen politischen Kraft werden.

Sarah Palin weiß die neue Kraft zu nutzen. Sie sprach auf dem Kongress der Tea-Party-Bewegung, wies eine Führungsrolle jedoch von sich. Kurz darauf sagt sie im Gespräch mit Fox News bezüglich einer Präsidentschaftskandidatur: "Ich würde es tun. Wenn es das Richtige für das Land und für die Palin-Familie ist."

Ihre Gegner werden das gelassen sehen - bis zur Wahl vergeht schließlich noch einige Zeit. Eines ist allerdings schon jetzt sicher: Palins Peinlichkeiten alleine werden nicht ausreichen, um diese Frau stoppen zu können.

Das liegt sozusagen auf der Hand.

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