USA:Provokation vor Bidens Reise nach Saudi-Arabien

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Menschenrechtsaktivisten begrüßen das neue Straßenschild "Jamal Khashoggi Way" vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Washington. (Foto: Nathan Howard/AFP)

Bevor der US-Präsident demnächst in den Nahen Osten aufbricht, erinnert die Stadt Washington sehr deutlich an die Ermordung des saudischen Journalisten Khashoggi.

Von Christian Zaschke, New York

Bis Mitte dieser Woche lag die saudische Botschaft in der US-Hauptstadt Washington D.C. an der New Hampshire Avenue, Hausnummer 601. Das ist nun nicht mehr der Fall, obwohl die Botschaft sich keinen Millimeter bewegt hat. Sie ist jetzt am "Jamal Khashoggi Way" beheimatet, was daran liegt, dass die Stadt einen Teil der New Hampshire Avenue umbenannt hat, um des getöteten saudischen Journalisten Khashoggi zu gedenken.

Sie hat dazu ausgerechnet jenen Teil der Straße ausgesucht, der vor der saudischen Botschaft verläuft, weil amerikanische Geheimdienste davon ausgehen, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman für den Mord an Khashoggi verantwortlich ist. Khashoggi ist 2018 laut Erkenntnissen unter anderem der CIA im saudischen Konsulat in Istanbul gefoltert, getötet und zerstückelt worden. Grund dafür ist mutmaßlich seine Arbeit als Journalist, unter anderem für die Washington Post, in der er sich kritisch über das saudische Regime äußerte.

Das neue Straßenschild wurde am vergangenen Mittwoch um kurz nach 13.14 Uhr enthüllt, zur gleichen Uhrzeit, als Khashoggi am 2. Oktober 2018 das Konsulat in Istanbul betreten hatte.

Bin Salman bestreitet, etwas mit der Tat zu tun zu haben, doch dass die Straße vor der Botschaft nun nach Khashoggi benannt ist, kann man nicht anders interpretieren, als dass die USA dem Kronprinzen den diplomatischen Mittelfinger zeigen. Einerseits. Andererseits hat US-Präsident Joe Biden in dieser Woche verkündet, dass er Mitte Juli zu einer Reise in den Nahen Osten aufbrechen werde, in deren Verlauf er auch in Saudi-Arabien Station mache und dort bin Salman treffe.

Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen, die Provokation und der Besuch. Auf den zweiten Blick sieht man, dass der Benzinpreis in den USA auf den Rekordwert von durchschnittlich rund fünf Dollar pro Gallone (circa 1,25 Dollar pro Liter) geklettert ist und Saudi-Arabien zu den wichtigsten erdölfördernden Ländern der Welt gehört. Bidens Regierung ist offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass sie es sich nicht leisten kann, Saudi-Arabien diplomatisch zu isolieren.

"Es geht um größere Themen als um Energiepreise"

Aus dem Weißen Haus verlautet, der Besuch habe nicht in erster Linie mit Öl zu tun. Vielmehr gehe es vor allem um Fragen der Sicherheit in der Region. Biden selbst sagte in dieser Woche: "Es geht um größere Themen als um Energiepreise." Das ist vielleicht nicht die ganze Wahrheit, es ist aber auch nicht ganz falsch. Saudi-Arabien ist ein wichtiger Verbündeter der USA in der Region. Eines der größten Probleme dort ist zurzeit, dass die Verhandlungen mit Iran nicht vorankommen, die darauf zielen, dass Teheran erneut erklärt, auf ein Atomwaffenprogramm zu verzichten. Als möglich erscheint US-Diplomaten zufolge, dass Israel die Sache bei einem Scheitern der Verhandlungen selbst in die Hand nehmen und militärisch lösen will, unter Umständen mit stiller Unterstützung der Saudis.

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Israel wird das erste Ziel der Reise sein, Biden will sich dort mit Premierminister Naftali Bennett treffen. In Bethlehem soll Biden anschließend den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas treffen. Dass Biden sowohl mit Bennett als auch mit Abbas spricht, gilt als Zeichen dafür, dass die USA sich wieder als unparteiischer Mittler zwischen beiden Lagern positionieren wollen. Unter Bidens Vorgänger Donald Trump war die Außenpolitik bezüglich des Nahen Ostens deutlich pro-israelisch ausgerichtet.

Im Anschluss an dieses Treffen reist Biden in die saudi-arabische Küstenstadt Dschidda, wo er mit den Staats- und Regierungschefs von neun arabischen Ländern zusammentrifft. In einem Hintergrund-Briefing des Weißen Hauses hieß es in dieser Woche, dass Biden den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman definitiv zum Zwiegespräch treffe, es aber unklar sei, ob er den Fall Khashoggi anspreche. Auf der Agenda stünden unter anderem der Krieg in Jemen, das iranische Atomprogramm, der Klimawandel sowie - exakt so allgemein gehalten - Menschenrechte. Die Saudis haben diese Agenda im Groben bestätigt, allerdings in ihrer Auflistung das Thema Menschenrechte weggelassen.

Bei der Enthüllung des Straßenschildes zu Ehren Khashoggis wurde ein Statement von seiner Verlobten Hatice Cengiz verlesen. Khashoggi hatte das Konsulat in Istanbul überhaupt nur betreten, weil Cengiz und er heiraten wollten und er dafür Dokumente benötigte. Unter anderem ließ Cengiz verkünden: "Mr. Biden, Sie werden Saudi-Arabien bald als Präsident besuchen, wo Sie sich mit Jamals herzlosem Henker treffen und damit sich und Jamal entehren." Cengiz appellierte an Biden, dass er, wenn er schon das Öl über die Prinzipien stelle, wie sie schrieb, wenigstens fragen könne, wo sich die Leiche ihres Verlobten befinde. "Verdient er kein anständiges Begräbnis?"

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Was das Öl angeht: Unter der Führung von Saudi-Arabien haben die ölfördernden Länder in der Region beschlossen, die Produktion in den kommenden beiden Monaten leicht anzuheben. Für den Herbst erwarten die USA eine weitere Erhöhung der Fördermenge. Ob das den Benzinpreis in den Vereinigten Staaten sinken lässt, ist fraglich, genau das aber dürfte Bidens Hoffnung sein.

Im Autofahrerland USA ist der vergleichsweise hohe Benzinpreis derzeit das größte innenpolitische Problem für das Image des Präsidenten. Im November stehen die Zwischenwahlen im Repräsentantenhaus und im Senat an. Den Demokraten droht eine heftige Niederlage, sie könnten ihre Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses verlieren. Das Weiße Haus hat recht, wenn es sagt, dass es sich bei Bidens Reise in den Nahen Osten um ein komplexes Unterfangen handele. Zugleich gilt aber auch: Je niedriger der Benzinpreis im November liegt, desto besser die Chance für Biden und die Demokraten, bei den Wahlen nicht komplett unterzugehen.

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