USA im Syrien-Konflikt:Schlafwandelnd in Richtung Desaster

A view of a damaged street and buildings in Deir al-Zor

Zerstörung in Deir al-Zor: "Es gibt in diesem Konflikt keinen good guy, hinter den man sich einfach so stellen könnte, falls der Westen diesen Konflikt überhaupt verstehen kann"

(Foto: REUTERS)

Die USA werden aus dem schwächsten aller Gründe mitten in den höllischen Strudel des syrischen Bürgerkrieges gezogen. Dabei sind Präsident, militärische Elite und Volk längst kriegsmüde - und diese Intervention ist schlicht sinnlos. Was jetzt passiert, ist ein Zeichen des moralischen Verfalls.

Ein Gastbeitrag von John C. Hulsman

Da haben wir es also mal wieder. Höchstwahrscheinlich und furchtbarerweise hat Syriens Präsident Baschar al-Assad Chemiewaffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt, deshalb hat sich US-Präsident Barack Obama nun offenbar überzeugen lassen, dass es richtig ist, in den syrischen Bürgerkrieg einzutreten. Der Grund dafür ist vor allem, dass er seine eigene Glaubwürdigkeit sichern will. Ohne groß nachzudenken, hat der Präsident verkündet, ein Chemiewaffeneinsatz sei die rote Linie, jenseits der Amerika antworten würde.

Aus dem schwächsten aller denkbaren Gründe werden nun die Vereinigten Staaten von Amerika wieder einmal in den Strudel gezogen, schlafwandeln sie Richtung Desaster, ohne eine klare Strategie für den Umgang mit all den höllischen und komplexen Problemen im Nahen und Mittleren Osten. Glückliches Großbritannien! Hier hat ein selbstbewusstes Parlament einem ebenso kurzsichtigen Premierminister David Cameron Einhalt geboten.

Dieses eine Mal sollten auch unsere Politiker nachdenken. Bevor wir auf jene Straße zusteuern, die absehbar in die Katastrophe führt, sollten wir ein wenig unseren Verstand bemühen. Wir sollten erkennen: Diese Intervention ist schlicht sinnlos. Sie dient nicht den amerikanischen Interessen, sie verändert nicht die strategischen Realitäten auf syrischem Boden. Sie hat nichts mit dem zu tun, was die Bevölkerung in Amerika eindeutig wünscht.

Im politischen Betrieb in Washington ist es eine altbekannte Weisheit, dass vor allem die Leute Schwierigkeiten bekommen, die ungeschminkt die Wahrheit sagen. Egal, was wir also in den kommenden Tagen an hochmögendem Palaver über die Zustände und die Krise in Syrien zu hören bekommen werden: Die Realität ist, dass jede Strategie zu den westlichen Interessen passen sollte.

Und da haben wir, auf der einen Seite, den Schlächter Assad mit seinen Verbündeten, den gewalttätigen Kämpfern der Hisbollah und den iranischen Revolutionsgarden. Man kann sich kaum einen Zusammenschluss vorstellen, der den langfristigen westlichen Interessen ferner steht als diese Koalition.

Man muss sich andererseits auch einmal die Zusammensetzung der Rebellen ansehen. Zu Beginn des Bürgerkriegs waren die bei Weitem kampfstärksten Truppen, die gegen Assad antraten, direkt mit al-Qaida verbunden. Wer nun Assad bombardiert, unterstützt diese Truppen - das ist vielleicht nicht gerade das, was Amerika tun sollte. Führende Kämpfer der Jahbat al-Nusra und der Ahrar al-Sham-Brigaden sind radikale Islamisten und verbündet mit den Tätern des Anschlags vom 11. September 2001 - mit Thomas Jefferson, dem Mann, der Amerikas Unabhängigkeit erklärte, verbindet sie jedenfalls wenig.

Edle Freiheitskämpfer sind in Syrien dünn gesät

Anders gesagt: Es gibt in diesem Konflikt keinen good guy, hinter den man sich einfach so stellen könnte, falls der Westen diesen Konflikt überhaupt verstehen kann. Und trotzdem hat Washington (und dort vor allem Außenminister John Kerry) überall das weiße Einhorn gesucht - in diesem Fall die glaubwürdigen und toleranten Freiheitskämpfer. Um es vorsichtig auszudrücken: In Syrien sind solche edlen Kämpfer dünn gesät. So gesehen wäre es die am ehesten rationale Überlegung, al-Qaida einfach weiter gegen Assad, Iran und die Hisbollah kämpfen zu lassen. Selten hat ein Morast so sehr den westlichen Interessen gedient.

Wenn nun die Betrachtung nationaler Interessen eindeutig zu dem Ergebnis kommt, dass der Militärschlag des Westens Nonsens ist (und ja: Er wird kommen, dieser Schlag), dann werden die zu erwartenden armseligen Auswirkungen die Erzählung weitertreiben. Ausgehend von dem falschen Moralismus, dass man Dinge tut, um sich gut zu fühlen, statt gute Dinge zu tun, wird Obama wahrscheinlich irgendwann vom offenen Meer aus ein paar Cruise Missiles abschießen, begleitet von Luftschlägen und Drohnen-Attacken - an der strategischen Situation in Syrien wird dies absolut nichts ändern.

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