USA:Es sprach ein anderer Trump

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Der US-Präsident hat ein wenig gelernt; er hielt eine Rede, die nicht ganz so schlimm war. Aber er bleibt ein weinerlicher Nationalist.

Kommentar von Hubert Wetzel

Donald Trump ist Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Das mag eine überraschende Feststellung sein, es gab ja schon seit Ende Januar entsprechende Gerüchte. Aber immer, wenn man denen nachging, stellte man fest, dass zwar eine Person namens Donald John Trump im Weißen Haus gemeldet war; dass es sich dabei aber allenfalls um einen trotzigen, verhaltensauffälligen Halbwüchsigen handeln konnte, der Pöbeleien twitterte und Amerikas Demokratie demontierte.

Am Dienstagabend stand und sprach dagegen ein völlig anderer Trump vor dem Kongress. Keine wütenden Tiraden gegen die Presse, keine Loblieder auf die großartige Führungspersönlichkeit Wladimir Putin, kein beleidigtes Bei-mir-waren-aber-tausend-Millionen-Zuschauer. Stattdessen hielt Trump eine Rede, an der offensichtlich einige Erwachsene mitgeschrieben hatten und in der er zumindest einmal anerkannte, dass es ein Amerika gibt, das ihm nicht huldigt. Trump benahm sich so, wie es sich für einen Präsidenten gehört, und er sprach, vielleicht zum ersten Mal, zum ganzen Land.

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Man muss Trump gar nicht mögen, um darüber erleichtert zu sein. Die Rede zeigt, dass Trump in der Lage ist zu lernen und sich zusammenzureißen. Und das ist angesichts des Chaos, das er in den ersten fünf Wochen im Amt verbreitet, und angesichts des Schadens, den er in dieser kurzen Zeit angerichtet hat, eine beruhigende Erkenntnis. Man konnte in dieser Rede das düstere Weltbild von Trumps Chefstrategen Stephen Bannon wiederfinden; man konnte aber auch heraushören, dass inzwischen einige sehr viel nüchternere Leute Einfluss auf Trump haben. Wie sonst ließe sich etwa Trumps plötzliches Bekenntnis zur Nato erklären?

Das ist wichtig. Denn irgendwann in seiner Amtszeit wird Trump mit einer großen Krise umgehen müssen. Und dann will man nicht, dass der Einzige, auf den der Präsident hört, ein Mensch ist, der einen großen Krieg für eine zwangsläufige historische Notwendigkeit hält.

Der wackelige Wahlsieger hat seine Macht konsolidiert

Aber die Rede war eben auch nur eine einzelne Rede. Es ist bezeichnend für das Niveau der amerikanischen Politik in diesen Tagen, dass es schon als Erfolg gilt, wenn der Präsident fähig ist, eine Stunde lang einfache Aussagesätze aneinanderzureihen. Dabei ging etwas unter, dass die Politik, die Donald Trump in seiner Rede umriss, sich kaum verändert hat. Der Präsident bleibt in jeder Hinsicht ein amerikanischer Nationalist. Er hat nicht mehr, wie noch in seiner Rede bei der Vereidigung, das apokalyptische Bild eines "verwüsteten Amerikas" gezeichnet. Aber er hat immer noch sehr, sehr viel über " America first" geredet.

Das bedeutet innenpolitisch: Wer keinen amerikanischen Pass besitzt, wer ohne gültige Papiere im Land ist, muss künftig mit der Angst leben, festgenommen und abgeschoben zu werden. Diesen Menschen - es sind Millionen, und die wenigsten von ihnen sind kriminell - hatte Trump nichts Versöhnliches zu sagen. Er zieht sich auf das kalte Argument zurück, dass das Gesetz eben das Gesetz sei - adiós. Er behauptet, dass die Abgeschobenen allesamt Verbrecher seien. Aber er könnte wissen, wenn er es denn wollte, dass das nicht stimmt. Viele sind Familienväter und -mütter, deren gesamtes Leben jetzt in die Brüche geht, weil in Washington jemand ein paar Memoranden unterschrieben hat.

Außenpolitisch bedeutet "America first": Amerikas Anspruch, die dominierende Macht in der Welt zu sein, besteht weiter. Trump untermauerte diesen am Dienstag durch die Forderung, den Militäretat deutlich zu erhöhen. Aber Amerikas Anspruch, diese Macht zu mehr zu nutzen, als die eigenen engen Interessen durchzusetzen, hat Trump aufgegeben.

Das amerikanische Jahrhundert begann am 4. Juli 1917, als die gerade in Europa gelandeten US-Truppen durch Paris zum Grab ihres Revolutionsgenerals Marquis de La Fayette marschierten, bevor sie an die Fronten des Ersten Weltkriegs weiterzogen. Mit ein bisschen Pathos könnte man sagen: Das amerikanische Jahrhundert endete im Frühjahr 2017, als Präsident Trump sich weinerlich darüber beklagte, dass die USA von allen immer nur ausgenutzt und ausgenommen würden. Trump tönte zwar, Amerika sei "wieder bereit zu führen". Aber wen er führen will und wohin, sagte er nicht.

Dennoch kann man die Bedeutung dieser Rede für Trump kaum überschätzen. Bis Dienstagnachmittag war er selbst in den Augen vieler Republikaner eine eher dubiose Gestalt, inkompetent und überfordert. Der Auftritt vor dem Kongress hat das gründlich geändert. Der wackelige Wahlsieger hat seine Macht konsolidiert. Man kann es gut finden oder furchtbar - Trump ist tatsächlich der Präsident.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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