USA:Die Wut auf Trump treibt Frauen in die Politik

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Frauen demonstrieren gegen Donald Trump - Immer mehr Amerikanerinnen treibt es in die Politik. (Foto: Roya Ann Miller/Unsplash.com)

Der Präsident prahlt mit sexuellen Übergriffen und will das Recht auf Abtreibung abschaffen. Viele Amerikanerinnen wollen das nicht hinnehmen. Wer ihnen hilft und welche Hürden sie überwinden müssen.

Von Jana Anzlinger

Laura Moser kämpft im Widerstand. An diesem Abend im August ist diese Front eine kleine Bühne in Houston. Ihre Uniform: hellblaues Kleid, zweireihige Perlenkette und der Bob-Haarschnitt, den Politikerinnen weltweit tragen. Moser liest von ihrem Blatt ab, wie viel ihr Frauenrechte und Willkommenskultur bedeuten. "Deswegen kandidiere ich für den Kongress!" Nach diesem Satz schaut Moser ihr Publikum an, schaudert ein bisschen und verzieht den Mund - fast, als wolle sie sich entschuldigen.

Wenn ihr vor einem Jahr jemand vorhergesagt hätte, dass sie als Demokratin für das Repräsentantenhaus antreten werde, hätte die 39-Jährige es schlicht nicht geglaubt. "Nichts hätte unwahrscheinlicher oder absurder sein können", schreibt Moser in der Vogue. Die Überschrift des Artikels: "Von der freiberuflichen Autorin zur Kongress-Kandidatin: Meine unwahrscheinliche Reise an die Front des Widerstands".

Bei der Frauenquote im Parlament sind die USA weltweit auf Platz 104

Der Trend ist seit Monaten unübersehbar: Tausende Frauen wollen in den USA in öffentliche Ämter gewählt werden, Donald Trump etwas entgegen setzen und die Politik verändern. Viele treten ohne Erfahrung an oder haben bisher vom Rand her zugeschaut - wie Laura Moser, deren Mann jahrelang für Obama arbeitete.

Landesweit gibt es in den USA mehr als eine halbe Million politische Ämter. Drei Viertel der Posten werden von Männern besetzt. Nur sechs der 50 Bundesstaaten werden von Gouverneurinnen regiert. Im Kabinett von US-Präsident Trump sitzen drei Ministerinnen und zwölf Minister. Im Kongress ist nur ein Fünftel der Abgeordneten weiblich. Im weltweiten Vergleich liegen die USA mit dieser Quote auf Platz 104. Das aber könnte sich nach den midterm elections im kommenden November ändern.

"Lasst uns hoffen, dass eine Welle junger Frauen in Amerika für ein Amt kandidiert", sagte Hillary Clinton bei einer Rede im März. Frauen, die das Land verändern wollen, sollten sich nicht abschrecken lassen, betonte die ehemalige Präsidentschaftskandidatin. "Wir erleben ja alle so unsere Rückschläge."

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"Diese Wahl war ein Weckruf für amerikanische Frauen"

Dass so viele Amerikanerinnen kandidieren, liegt an dem Mann, der Hillary Clinton besiegt hat: Donald Trump. Laura Moser hält den neuen Präsidenten für einen "Scharlatan" und ist noch immer fassungslos, dass "dieser bekennende Serienvergewaltiger" im Weißen Haus sitzt.

Debbie Walsh kennt viele solcher Geschichten und sagt: "Diese Wahl war ein Weckruf für amerikanische Frauen." Sie arbeitet seit den 1980er Jahren das Center for American Women and Politics an der Rutgers University und erklärt: "In der US-Politik gibt es ein Sprichwort: Wer nicht mit am Tisch sitzt, steht auf der Speisekarte." Amerikanerinnen wollen laut Walsh also in der Politik mitmischen, weil ihre Rechte akut bedroht werden, etwa das auf Abtreibung.

Die Wut auf Trump und seine Republikaner spornt Frauen so sehr an, dass sie sich von den üblichen Hürden nicht abhalten lassen. Die Politikwissenschaftlerin Walsh nennt hier vor allem mangelndes Zutrauen und Verpflichtungen in der Familie. Vor allem jungen Müttern fehle es an Zeit und Geld, um eine Polit-Karriere zu starten.

Kinder sollen vor Trump und seiner Politik geschützt werden

Bei Laura Moser war es genauso: "Ich war immer diejenige, die alles gemacht hat: nicht nur Wäsche waschen und Geschirrspülen, sondern auch die Kinderarzttermine, das College-Sparkonto, die ganze Haushaltsführung." Während ihr Mann als Filmmacher und PR-Berater um die Welt reiste, arbeitete Moser als freie Autorin und fuhr die beiden Kinder durch die Gegend. "Ich hatte ein sehr ruhiges und normales Leben und ich habe das genossen", erzählt Moser.

Acht und vier Jahre alt sind ihr Sohn und ihre Tochter mittlerweile und sie sind der Hauptgrund, aus dem Moser am 9. November 2016 beschloss, sich stärker zu engagieren. Es sei ihr Instinkt gewesen, ihre Kinder vor dem gerade gewählten Präsidenten Donald Trump beschützen zu müssen. Sie war bereit zu kämpfen.

Moser wurde also zur Aktivistin und entwickelte ein Protest-Programm, das seit Trumps Amtseinführung täglich Textnachrichten an die User schickt. Die können mit einem Klick ihren Abgeordneten anrufen und den Politikern Argumente gegen Trumps Agenda vortragen, die Moser zusammengefasst hat. Das Programm @YourDailyAction hat nach eigenen Angaben mehr als 250.000 Abonnenten.

Nachdem ihre Aktivistenfreunde sie lange ermuntert und aufgefordert hatten, entschloss sich die Autorin im Mai zur Kandidatur. Jetzt holt ihr Mann nachmittags die Kinder ab, während sie Spenden sammelt und den Wahlkampf plant.

Der Wunsch, die Anliegen von Müttern besser zu vertreten, trieb vor einigen Jahren schon einmal eine andere Gruppe von Frauen in die Politik: Der rechtspopulistischen Tea Party traten nach 2008 fast so viele Frauen bei wie Männer. Doch diese Begeisterung, die vor allem Sarah Palin ausgelöst hatte, dauert nicht lange. Letztendlich kandidierten nur wenige Republikanerinnen.

Viele vergleichen den Trend der letzten Monate mit dem Jahr 1992, das heute noch als "Year of the woman" bekannt ist. Damals wurden zum ersten Mal vier Frauen auf einmal in den Senat gewählt. Damals "kandidierte" auch Barbie zum ersten Mal. Seither wird die Puppe vor jeder Präsidentschaftswahl verkauft, natürlich stets in einem neuen Outfit. 2016 hat der gemeinnützige Verein "She Should Run" die "Präsidentin-Barbie" und die "Vizepräsidentin-Barbie" mitherausgegeben.

"She Should Run" ist einer von zahlreichen Vereinen, die Frauen in politische Ämter bringen wollen. Den Verein gibt es seit 2011, aber 2017 ist alles ganz anders, sagt Gründerin Erin Loos Cutraro: "Wir sind überglücklich über die vielen Frauen, die seit dem Wahltag gesagt haben, dass sie antreten wollen."

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"Jede Frau kann das schaffen"

Die einflussreichste dieser Organisationen heißt EMILY's List und wurde 1985 von der IBM-Erbin Ellen Malcolm gegründet. EMILY's List ist ein PAC ( Political Action Committee) und unterstützt Kandidatinnen vor allem finanziell. Geld bekommen nur Frauen, die für die Demokratische Partei kandidieren und sich aktiv für Abtreibungsrechte einsetzen. Vor Kurzem gab die Organisation bekannt: 16 000 Frauen sind "ready to run", sie wollen also kandidieren. 2016 wurden laut Sprecherin Alexandra De Luca weniger als tausend Frauen unterstützt.

EMILY's List bietet online und in vielen Städten spezielle Kurse für Einsteigerinnen an - kostenlos und ohne Verpflichtung. Die Teilnehmerinnen lernen, welche Formulare sie für die Kandidatur ausfüllen müssen und wie sie einen Google Alert einrichten, der sie informiert, wenn im Internet ihr Name fällt. Vor allem aber werden in den Trainings "Mythen zerschlagen", sagt Sprecherin De Luca: "Die wichtigste Sache, die wir den Frauen mitgeben wollen, ist: Jede Frau kann das schaffen, auch wenn sie keine Anwältin ist und nicht drei Millionen Dollar auf dem Konto hat."

Debbie Walsh von der Rutgers University hält diese Kurse für hilfreich, aber nicht für entscheidend. Eine professionelle Rekrutierung sei hilfreich, aber sie sehe landesweit Kandidatinnen, die ohne Organisation im Rücken antreten. "Dieser Moment ist wirklich besonders. Nicht irgendeine Kampagne, sondern die Wahl Donald Trumps hat diese Frauen alle auf einmal mobilisiert."

Gegen "klugscheißende Aufschneider" in Washington

Laura Moser, die Kandidatin aus Texas, hat die Dienste der verschiedenen Organisationen nicht in Anspruch genommen. Sie sammelt auf eigene Faust Geld für ihren Wahlkampf. Sie hat eine Medientrainerin engagiert, die ihr empfohlen hat, die Schulter nach hinten zu ziehen, Kleider in gesättigten Blau-, Grün und Rottönen zu tragen. Zudem soll sie einen Lippenstift kaufen, der nicht verschmiert.

Außerdem habe die Medientrainerin ihr geraten, sich nicht zu verstellen, berichtet Moser. Ihre nachdenkliche Art solle sie nicht überspielen, sondern zu ihrem Vorteil nutzen: "In Washington herrscht kein Mangel an klugscheißenden Aufschneidern".

2018 will die Demokratin Moser gegen den Republikaner John Culberson gewinnen, der zuletzt 56 Prozent der Stimmen erhielt. Sie wird darauf hoffen, dass das bisher so chaotische Verhalten von Donald Trump auch konservative Texaner verschreckt. Und vielleicht jene an die Urnen treibt, die bisher gar nicht zur Wahl gingen.

Dabei gilt für Moser das gleiche wie für die anderen Bewerberinnen: Der Entschluss zur Kandidatur ist ein ausgesprochen wichtiger Schritt. Denn die niedrige Frauenquote unter Amerikas Politikern scheint sich weniger mit Vorurteilen der Wähler erklären zu lassen als mit dem Bewerberfeld. Ein Forscher fand 2016 keinen Hinweis darauf, dass Kandidatinnen aufgrund ihres Geschlechts deutlich seltener gewählt werden. Um Sitze in den Stadträten, in den Parlamenten auf Bundesstaatsebene oder eben auch für Kongress in Washington bewerben sich häufig ausschließlich Männer. Weibliche Konkurrenz ist da also bitter nötig.

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