Hillary Clinton hatte bisher einen angenehmen August. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin konnte ruhig zusehen, wie sich ihr republikanischer Gegner Donald Trump durch allerlei empörendes Gerede eine immer tiefere Grube schaufelte.
Doch mit dem Frieden ist es vorbei. Mit aller Wucht hat die E-Mail-Affäre Clinton eingeholt: Die Bundespolizei FBI hat bei ihren Ermittlungen weitere 15 000 Mails gefunden, ein Richter hat eine raschere Veröffentlichung des Materials verfügt, und E-Mails der früheren Stabschefin Clintons zeigen, dass das Ministerbüro im State Department zuweilen bedenklich eng mit der Führung der familieneignen Stiftung der Clintons zusammengearbeitet hat.
Clinton hatte in ihrer Zeit als US-Außenministerin ihren persönlichen und dienstlichen E-Mail-Verkehr über einen privaten Server und ein privates Konto abgewickelt, darunter Nachrichten, die geheime Informationen enthielten. Das war illegal, auch wenn das FBI keine strafrechtlich relevanten Verstöße gefunden hat, die für eine Anklage gereicht hätten.
Clinton hatte nur zugegeben, was nicht zu leugnen war
Die Republikaner nutzen Clintons Umgang mit ihren Mails als Beleg für den Vorwurf, dass die Demokratin nicht vertrauenswürdig sei und lüge. Tatsächlich hat Clinton in der Angelegenheit stets nur zugegeben, was nicht zu leugnen war, und immer wieder falsche oder unklare Angaben gemacht. Jüngstes Beispiel war der Versuch Clintons, über Verbündete die Darstellung zu streuen, ihr sei von ihrem Amtsvorgänger Colin Powell geradezu geraten worden, ein privates E-Mail-Konto zu verwenden. Als diese Erklärung auftauchte, bestritt Powell - ein Republikaner, aber gewiss kein Trump-Fan - sie vehement. Clinton stand blamiert da.
Schädlicher könnten die Mails von Clintons früherer Stabschefin Huma Abedin sein, die eine Zusammenarbeit des Ministerbüros und der Clinton Foundation zeigen. Die Stiftung, die von Bill Clinton geleitet wird, finanziert weltweit humanitäre Projekte und sammelt dafür Millionen an Spenden ein, auch von reichen Privatpersonen und ausländischen Regierungen. Die Republikaner werfen Clinton vor, als Außenministerin lieber den Spendern der Stiftung einen Gefallen getan zu haben, statt die Interessen der USA zu vertreten.
Abedins E-Mails belegen diese Anschuldigung nicht. Sie zeigen aber, dass es oft direkte Anfragen aus der Führung der Stiftung an das Ministerbüro gab. Mal ging es um Banales: Der humanitär engagierte U2-Sänger Bono wollte wissen, wie er während seiner Konzerte Schaltungen zur Internationalen Raumstation hinbekommen könnte. Mal ging es auch um Heikleres: Ein Spender fragte Clintons Büro über die Stiftung nach einem US-Einreisevisum für einen kriminellen englischen Fußballer.
Affäre um Korrespondenz:Neuer E-Mail-Fund belastet Clintons Kampagne
14 900 weitere Mails vom Privatserver der Demokratin könnten kurz vor der US-Wahl veröffentlicht werden. Clinton steht im Verdacht, als Außenministerin Spender ihrer Stiftung bevorzugt zu haben.
Immer wieder wurde Abedin zudem von Leuten, die der Stiftung Geld gespendet hatten, um Treffen mit Clinton gebeten. Oft waren das Freunde der Clintons. In mindestens einem Fall warb ein führender Mitarbeiter der Stiftung, Doug Band, in einer Mail an Abedin aber auch darum, dass Clinton den Kronprinzen von Bahrain trifft - einen Spender der Stiftung und "guten Freund von uns", so Band. Obwohl in keinem Fall politische Gefälligkeiten Clintons belegt sind, sehen die Mails zwischen Ministerbüro und Stiftung nicht gut aus.
Das Trump-Lager nutzte das sofort: Die Clinton-Stiftung sei das "korrupteste Unternehmen in der Geschichte" und müsse geschlossen werden, wetterte Trump. Er forderte, einen Sonderermittler einzusetzen wie einst bei Bill Clintons Lewinsky-Affäre. "Die Clintons haben Jahrzehnte damit verbracht, sich die Taschen vollzustopfen und sich um ihre Spender zu kümmern statt um das amerikanische Volk." Aus dem Munde eines Milliardärs, dem zweifelhafte Geschäfte nicht fremd sind, mag das seltsam klingen. Doch die Angriffe auf Clintons Integrität sind effektiv: Eine Mehrheit der Wähler vertraut der Demokratin ohnehin nicht, diese Zweifel nährt Trump.
Trump befeuerte Spekulationen, Clinton sei schwer krank
Zweifel versucht das Trump-Lager auch an Clintons Gesundheit zu nähren - eine höchst dubiose, deswegen aber nicht unwirksame Strategie. In rechten Publikationen - etwa auf der Website Breitbart News, die Trumps neuer Wahlkampfchef bisher geleitet hat - wird schon lange das Gerücht kolportiert, Clinton sei schwer krank, könnte kaum laufen und habe Anfälle. Unter Trump-Fans gilt das inzwischen als medizinisch bewiesene Wahrheit. Trump befeuerte diese Spekulationen stets, wenn auch verklausuliert. Clinton habe nicht die "physische Kraft", um Präsidentin zu sein, sagte er vor einigen Tagen.
Nun hat erstmals einer von Trumps prominentesten Unterstützern, New York Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, offen Clintons Gesundheitszustand infrage gestellt. Er adelte das Gerücht gewissermaßen und zwang auch seriösen Medien, darüber zu berichten. Für Trump ist das ein Sieg: Clintons Gesundheit wird zum Thema. Irgendwas wird schon hängen bleiben.
Clinton versuchte, sich mit Humor zu wehren. In einer Fernsehshow versicherte sie, sie sei, allen "depperten" Verschwörungstheorien zum Trotz, gesund. Zum Beweis öffnete sie ein fest zugeschraubtes Glas saure Gurken.