US-Wahl:Vize-Debatte: Mister Nobody gegen Herrn Unbekannt

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Tim Kaine und Mike Pence: Nur keine Fehler machen. (Foto: Reuters; AFP)
  • In der Nacht auf Mittwoch treffen sich der Republikaner Mike Pence und der Demokrat Tim Kaine zur einzigen Debatte der möglichen Vizepräsidenten.
  • Die running mates sind vielen US-Wählern unbekannt - ihre Hauptaufgabe dürfe darin bestehen, sich vorzustellen und keine Pannen zu verursachen.
  • Weil Donald Trump weiter die Schlagzeilen dominiert (zurzeit geht es um Fragen zu seinen Steuern und das Finanzgebaren seiner Stiftung), steht Pence besonders unter Druck.

Von Matthias Kolb, Washington

Eine Woche nach der ersten TV-Debatte zwischen Donald Trump und Hillary Clinton führt die Kandidatin der Demokraten in landesweiten Umfragen mit etwa drei Prozentpunkten - und auch in den besonders wichtigen swing states wie Florida, Pennsylvania und Colorado kann sie ihren Vorsprung ausbauen. Ihre Siegchancen der Analyse-Webseite FiveThirtyEight zufolge: 72 Prozent. Einziger Lichtblick für Trump, den Bewerber der Republikaner, sind gute Zahlen aus Ohio, wo seine Botschaft gut ankommt.

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Ansonsten dominieren in den US-Medien diese Themen - und die möglichen Vizepräsidenten Tim Kaine und Mike Pence müssen damit rechnen, dass sie in ihrer Debatte dazu befragt werden:

Fünf Wochen vor der Wahl bietet sich also das bekannte Bild: Die Superstars Clinton (immer nur Politik) und Trump (Wirtschaftspresse, Reality-TV, Politik) bieten viel Getöse und schieben Pence und Kaine aus den Schlagzeilen. Die running mates sind für die US-Wähler "Mister Nobody" und "Herr Unbekannt". Allerdings steht Mike Pence vor einer schwereren Aufgabe: Sein Chef hat zuletzt viele Negativ-Vorurteile bestätigt. Idealerweise kann Pence in der Nacht auf Mittwoch Fragen zu Trumps Steuern oder Tweets nicht nur souverän kontern, sondern sogar Clinton wirkungsvoll attackieren.

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Das sind die beiden Kandidaten

Der Guardian bereitet die Zuschauer auf eine Herausforderung vor: Sie müssen erst mal herausfinden, wer von beiden welcher sei. Schließlich stammen beide aus dem Mittleren Westen und ihr Nachname besteht aus einer Silbe. Weitere Gemeinsamkeiten? Beide haben einen Sohn, der als Marine kämpft, und beide sind sehr religiös. Doch natürlich gibt es auch Unterschiede.

Der 57-jährige Mike Pence nennt sich stets "Christ, Konservativer, Republikaner - und zwar in dieser Reihenfolge". Er stammt aus Indiana, wo er heute Gouverneur ist. Zuvor war er Abgeordneter im Repräsentantenhaus und machte sich als sozialkonservativer Politiker (gegen Homo-Ehe und Abtreibung) und Kämpfer für geringe Steuern einen Namen. Da er einst eine Talkradio-Show moderierte, kann er gut formulieren ( mehr in diesem SZ-Porträt).

Bevor ihn Trump zum möglichen Stellvertreter kürte, war er nur Insidern bekannt - Pence witzelte, er sei ein "B-Promi". Für den Immobilien-Mogul umwirbt er das Partei-Establishment ebenso wie konservative Skeptiker. Anders als Trump hat er seine Steuererklärung veröffentlicht, er hat Trumps Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime heftig kritisiert und auch stets den Irak-Krieg verteidigt ( Trump lügt seit Monaten und behauptet, gegen den Einmarsch gewesen zu sein). Auch dies wird für Pence zur Herausforderung: Er muss nicht nur die oft wechselnden Positionen von Trump kennen, sondern auch erklären, wieso er anders denkt beziehungsweise seine Meinung geändert hat.

Der Demokrat Tim Kaine ist ein Pragmatiker und vertritt fast überall die gleichen Überzeugungen wie Clinton. An der Longwood University in Farmville hat er Heimvorteil: Er vertritt den Bundesstaat Virginia im US-Senat. Kaine war dort zuvor Gouverneur und Bürgermeister der Hauptstadt Richmond. Nachdem ihn Clinton zum running mate machte, stellte sich der 58-Jährige mit dem Satz "Ich bin langweilig" vor. Bei Auftritten wirkt Kaine sehr optimistisch - die USA hätten ihre besten Zeiten noch vor sich. Der oft lachende Politiker (zur Entspannung spielt er Mundharmonika) hat auch Rückgrat: Seit ein Student 2007 an der Virginia Tech University 32 Menschen ermordete, fordert er strengere Waffengesetze - die NRA-Lobbyisten geben ihm eine glatte 6.

Kaine war einer der ersten Obama-Unterstützer und spricht Spanisch, weil der Katholik sein Jura-Studium an der Elite-Uni Harvard unterbrach, um in Honduras als Missionar zu arbeiten ( mehr in diesem SZ.de-Porträt). Der Senator tritt oft in swing states wie Florida, Colorado oder Nevada auf, wo viele Latinos wohnen. Am häufigsten wirbt er jedoch in Virginia für Clinton - dort hat sie ihren Vorsprung auf komfortable fünf bzw. acht Punkte ausgebaut. Zudem hat Kaine 27 Millionen Spendendollar eingeworben - fast drei Mal mehr als Pence.

Beide Männer müssen sich den Wählern vorstellen und sie sollen diesen das Gefühl geben, dass sie regieren könnten, falls Präsidentin Clinton oder Präsident Trump etwas zustößt (bei einem Alter von 68 beziehungsweise. 70 Jahren ist das nicht undenkbar).

Beim ersten Duell Clinton versus Trump zeigte sich die unterschiedliche Vorbereitung: Die Demokratin hatte tagelang geübt und viele Details parat, während der Republikaner auf absehbare Fragen keine überzeugenden Antworten hatte und so zahlreiche Chancen ausließ. Bei den Vizes dürfte es weniger Unterschiede geben: Sowohl Pence als auch Kaine haben Proberunden absolviert und sich intensiv vorbereitet.

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Da beide über reichlich Erfahrung im Kongress und als Gouverneure verfügen, könnte es dieses Mal sogar um Politik-Entwürfe und Details gehen. Gerade Kaine gilt als guter Debattierer, der am Bildschirm gut ankomme. "Wenn man ihm nicht mit Fakten widersprechen kann, dann ist er absolut glaubwürdig", sagt der Republikaner Jerry Kilgore, der 2005 gegen Kaine in Virginia unterlag.

Kilgore rechnet ebenso wenig wie Mo Elleithee, Georgetown-Professor und Demokraten-Stratege, damit, dass Kaine sich mit persönlichen Attacken profilieren will. Gleiches wäre auch für Mike Pence ungewöhnlich: Er hat vor Jahren öffentlich geschworen, keine Negativ-Werbespots zu senden und den Gegner unfair anzugreifen. Direkt vor der Debatte erlitt Indianas Gouverneur jedoch eine Schlappe vor Gericht: Er hatte versucht zu verhindern, dass syrische Flüchtlinge in Indiana angesiedelt werden.

So läuft die Debatte ab

Wie das erste TV-Duell zwischen Trump und Clinton dauert das Rede-Duell 90 Minuten ohne Werbepausen und beginnt um drei Uhr nachts deutscher Zeit; die Fragen stellt nun allerdings Elaine Quijano von CBS News, die erste asiatisch-stämmige Moderatorin einer Debatte. So viel Aufmerksamkeit wie am vergangenen Montag, als 84 Millionen zuschauten, werden Pence und Kaine nicht bekommen.

Die Vize-Debatte gilt auch in den US-Medien als Aufwärmübung für das nächste Aufeinandertreffen von Hillary Clinton und Donald Trump an diesem Sonntag in St. Louis. Auch wenn die running mates ihren Chefs helfen wollen, sind die Anforderungen geringer als bei den Kandidaten fürs Weiße Haus. Ein konservativer Berater bringt es in der New York Times auf den Punkt: "Wenn dein Kandidat die Vize-Debatte nicht total versaut, dann ist alles in Ordnung."

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