US-Wahl:915 729 293 Dollar Verlust - als Trump fast bankrott war

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Donald Trump (Mitte) mit seinen Eltern Frederick Trump Jr. und Mary Anne MacLeod Anfang der Neunziger Jahre. Zu dieser Zeit stand der Unternehmer wohl kurz vor dem Bankrott.

(Foto: Zuma Press/imago)

Donald Trump inszeniert sich im Wahlkampf als außergewöhnlich erfolgreicher Geschäftsmann. Jetzt ist klar, dass er außergewöhnlich viel Verlust gemacht hat.

Von Sebastian Gierke

Fast eine Milliarde Dollar Verlust? Was bist du nur für ein Genie, Donald Trump!

Das ist es, in aller Kürze, was Donald Trump, der prahlsüchtige Egomane, gerade den Amerikanern weiszumachen versucht.

Aber von vorn: Die New York Times hat am Wochenende eine alte Steuererklärung Trumps veröffentlicht. Demnach hat Trump im Jahr 1995 Verluste von knapp 916 Millionen US-Dollar (damals etwa 1,3 Milliarden D-Mark) geltend gemacht. Den Steuerexperten zufolge, die die Zeitung befragt hat, könnte ihm das 18 Jahre lang erspart haben, Einkommensteuer an die Bundessteuerbehörde abzuführen.

Die Trump-Kampagne hat der Zeitung vor der Veröffentlichung mit rechtlichen Schritten gedroht, jetzt versucht sie, die Enthüllung für sich zu nutzen. Er habe die US-Steuergesetze "auf brillante Art" beansprucht, erklärt Trump. "Als Geschäftsmann und Immobilienentwickler habe ich die Steuergesetze auf legale Weise zu meinem eigenen Nutzen und zum Nutzen meiner Firma, meiner Investoren und meiner Angestellten genutzt." Er habe die treuhänderische Verantwortung, so geringe Steuern zu zahlen wie gesetzlich möglich.

Bereits vor dieser Enthüllung, bei der ersten TV-Debatte mit seiner Kontrahentin Hillary Clinton, hatte Trump mit seinem Nichtzahlen von Steuern angegeben. Seine Rivalin aufseiten der Demokraten hatte spekuliert, Trump habe seine Steuererklärungen womöglich deshalb nicht veröffentlicht, weil er keine Bundessteuern gezahlt habe. In den einzigen Jahren, für die es Belege gebe, sei es jedenfalls so gewesen. "Das bedeutet, dass ich schlau bin", unterbrach Trump.

Der Republikaner wird für sein Geschäftsgebaren gerade heftig kritisiert. So schreibt das Magazin Slate, die Superreichen in den USA würden sich über komplizierte Firmengeflechte, über das Hin-und-her-Schieben von gewaltigen Summen, Steuervorteile verschaffen, die der Mittelschicht nicht offenstünden.

Auch Trump selbst hat sich immer wieder für mehr Steuergerechtigkeit ausgesprochen.

Außerdem forderte er höhere Steuern für Reiche, aber Entlastung für die Mittelschicht.

Doch für viele, nicht nur Trump-Anhänger, ist Trumps Vorgehen tatsächlich schlicht: smart. Sie schließen sich wenige Wochen vor der Wahl am 8. November seiner Argumentation an. Warum, so fragen sie, sollte er mehr Steuern zahlen, wenn er es auf legalem Weg vermeiden konnte? Dass er einen Weg, keine Steuern zu zahlen, gefunden hat, zeige, dass er das System verstanden habe. Auch wenn es wohl seine Steuerberater waren.

Doch egal, welchem Lager man nun zuneigt: Angesichts der Enthüllungen stellt sich noch eine ganz andere Frage: Wie kann es sein, dass einer, der fast eine Milliarde Dollar Verlust bei der Steuer angeben muss, immer noch als erfolgreicher Geschäftsmann gilt? Trump selbst nutzt seit Beginn der Kampagne seinen vermeintlichen wirtschaftlichen Erfolg als Hauptwahlkampfargument. Seht her, ruft er in jede Kamera: Ich habe als Geschäftsmann unbeschreiblichen Erfolg. Und folgert daraus: Ich werde auch als Präsident unbeschreiblichen Erfolg haben.

Außergewöhnlich hoher Verlust für einen einzelnen Geschäftsmann

In Trumps Welt gibt es Gewinner und Verlierer. Dazwischen nichts. Fast beschwörend betont er in fast jedem Interview: "I win. I win. I always win." Selbst eine Milliarde Dollar Verlust versucht er gerade in einen Sieg umzudeuten.

Zehn Milliarden Dollar, so viel würde er besitzen, behauptet Trump selbst. Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 3,7 Milliarden. Das ist immer noch sehr viel. Doch bekannt ist auch, dass vier seiner Firmen in den vergangenen Jahrzehnten Bankrott gingen. Investoren verloren viel Geld, Mitarbeiter ihre Jobs.

Und jetzt ein Verlust von 915 729 293 Dollar. Für einen einzelnen Geschäftsmann ist das außergewöhnlich. Die New York Times schreibt, einige Anwälte und Steuerberater, die von ihr befragt wurden, wären beim Anblick der Zahl "erbleicht".

Auf den Steuerpapieren, die der New York Times offenbar von einem Informanten aus dem Trump Tower, dem Hauptquartier des Kandidaten, zugeschickt wurden, mussten zwei Ziffern sogar mit einer Schreibmaschine nachgetragen werden. Die Software, die der Buchhalter verwendete, um sie auszustellen, war nicht für neunstellige Zahlen ausgelegt.

Hat Trump diesen Verlust selbst verursacht? Durch eigene Entscheidungen? Die New York Times schreibt, dass Aufzeichnungen und Interviews mit Menschen, die damals dabei waren, klarmachen: Ja, es waren Trumps Entscheidungen an der Spitze seines Geschäftsimperiums, das dieses in den 1980er Jahren fast zum Einsturz brachte.

Woher genau der Verlust kommt, ist unklar. Bei den Papieren, die die Zeitung zugeschickt bekommen hat, fehlen die Seiten, auf denen die einzelnen Positionen vermerkt sind.

Klar ist aber, dass Trump im Jahr 1990 sogar 3,4 Milliarden Dollar Schulden hatte. Für 832,5 Millionen sei er persönlich haftbar gewesen, so die NYT. Trump machte damals Verluste mit seiner Fluggesellschaft, mit Wertpapieren, Hotels, einer Yacht und vor allem Kasinos und den dazugehörigen Hotels. (Genaueres in diesem NYT-Artikel.) Mitarbeiter der Kasino-Aufsichtsbehörde in New Jersey erklärten damals, dass "die Möglichkeit eines kompletten finanziellen Kollapses der Trump-Organisation nicht ausgeschlossen werden könne."

Der Betrag auf seinem persönlichen Bankkonto sei in dieser Zeit, so die New York Times, beinahe unter die Eine-Million-Dollar-Marke gefallen. Nur durch Unterstützung seiner wohlhabenden Familie hätte das verhindert werden können. So habe sein Vater in einer besonders prekären Situation Ende 1990 einen Anwalt in eines der Kasinos geschickt, um Chips im Wert von 3,3 Millionen Dollar zu kaufen und wieder zu gehen, ohne sie zurückzuwechseln. Eine Finanzspritze auf Trump-Art.

Mitte der 1990er Jahre hat sich die finanzielle Situation Trumps dann verbessert. Im Jahr 1996, dem Jahr, aus dem die veröffentlichten Steuerpapiere stammen, ging es offenbar finanziell aufwärts für Trump.

Wie sehr, das bleibt unklar. Denn Trump weigert sich weiterhin, seine Steuererklärung zu veröffentlichen, so wie das seit Jahrzehnten im US-Wahlkampf alle Kandidaten gemacht haben. Nach den NYT-Enthüllungen ist jetzt wohl auch klar, warum er es nicht tut.

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