US-Präsidentschaftswahl:Clinton vs. Trump I - Fünf Lehren aus der ersten Debatte

Mit Disziplin und Sticheleien bringt Hillary Clinton ihren Gegner dazu, sich selbst zu schaden. Doch ihre Schwäche bleibt bestehen - und Donald Trump deutet seine Revanche bereits an.

Von Matthias Kolb, Washington

Die erste TV-Debatte des Jahres 2016 ist vorbei (hier die Nachlese im Live-Blog), also beginnt das große Interpretieren. Umfragen zufolge ist jeder fünfte US-Wähler noch unentschlossen, ob er für den Republikaner Donald Trump oder für die Demokratin Hillary Clinton stimmen soll. Um diese Gruppe und deren Meinungen geht es besonders bei den Debatten - wer schon vorher auf den "Trump Train" geklettert ist, den bringt kaum eine Aussage des Republikaners noch zum Zweifeln.

Diese Lehren lassen sich aus dem Showdown an der Hofstra University ziehen:

Trump war Trump: Das war nicht genug. Der Republikaner hatte vorab erklärt, dass er sich nicht "zu viel" vorbereiten wolle und auch nicht mit einem Clinton-Double geübt habe. Der Mann vertraut lieber seinem Instinkt und so kam oft der Trump des Vorwahlkampfs zum Vorschein: Die USA sind im Niedergang ("Dritte-Welt-Land") und werden von Mexiko und China ausgenutzt; der Politbetrieb in Washington ist korrupt und nur ein Außenseiter wie er kann die Probleme lösen.

Am Anfang wirkt Trump als Anti-Establishment-Kandidat glaubwürdig, als über Freihandel und fehlende Industriejobs diskutiert wird. Dann bestätigt er fast alle Vorurteile: Er nennt kaum Details und erweckt den Eindruck, das Amt, um das er sich bewirbt, nicht ernst zu nehmen. Er verfällt in den Angeber-Ton ("Ich weiß, wie man gewinnt. Sie weiß es nicht."). Beinahe unbegreiflich ist, dass er selbst bei jenen Fragen patzt, die Moderator Lester Holt stellen muss: Er kann nicht widerlegen, die Gerüchte um Obamas Geburtsort für seine eigene politische Karriere genutzt zu haben. Er kann nicht dem Eindruck entgegentreten, dass die Trump-Immobilienfirma Schwarze diskriminiert hat. Vor 100 Millionen Zuschauern wiederholt er die sexistische Aussage, dass es seiner Rivalin schlicht an Stehvermögen fehle.

Mit Prognosen muss man vorsichtig sein; es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass Trump mit diesem Auftritt viele unentschlossene Wähler von seiner Eignung für das wichtigste Amt des Landes überzeugt hat.

Vorbereitung zahlt sich aus: Hillary Clinton befreit sich. Während der Debatte wird der Bildschirm im US-Fernsehen oft geteilt, damit beide Kandidaten zu sehen sind. Immer wieder setzt Clinton an, um Trump zu unterbrechen (dieser fiel ihr Dutzende Male ins Wort). Doch meist hält sie sich zurück und beherzigt das, was sie schließlich den Wählern rät: "Hört einfach zu, was er gesagt hat." Trump, so die Botschaft, diskreditiert sich selbst.

Die Strategie, sich in Details einzuarbeiten und "Donald" zu reizen ("Ihr Vater hat Ihnen 14 Millionen geliehen"), geht auf. Ein CNN-Moderator beschreibt es später so: "Sie hat ständig mit einem Stück Fleisch vor seiner Nase herumgewedelt und er hat zugeschnappt wie ein Hund." Also wiederholt Trump alte Lügen über sein "Nein" zum Irakkrieg und verliert sich in Finanzdetails, die kein Normalmensch versteht.

Seit ihrem Schwächeanfall bei der 9/11-Feier hat Clinton in den Umfragen verloren - und war in die Defensive geraten. Durch diesen Auftritt befreit sie sich und hat sogar noch Zeit, ein Beispiel für Trumps Sexismus anzuführen: Er nannte 1996 eine Schönheitskönigin aus Venezuela "Miss Piggy" und "Miss Housekeeping". Eine Stunde später wird das entsprechende - natürlich vorproduzierte - Video ins Internet gestellt (zum Vergleich: Trumps Website war während der Debatte offline).

Problem Glaubwürdigkeit: Clinton hat nicht von sich überzeugt. Die 68-Jährige hat es ziemlich meisterhaft eingefädelt, dass sich ihr Gegner selbst zerlegt. Was ihr jedoch nicht gelungen sein dürfte: die Skeptiker von ihr selbst zu überzeugen. Was Clinton eigentlich antreibt, für das Weiße Haus zu kandidieren, warum die US-Wähler ihr vertrauen sollten (die Mehrheit tut das bislang nicht, wie alle Umfragen zeigen): Auch nach 90 Minuten weiß man nicht mehr.

Das Misstrauen der Amerikaner gegenüber den Berufspolitikern in Washington ist groß - nicht nur unter den jungen, noch zögerlichen Sanders-Fans. Auch unter Latinos kommt sie auf geringere Werte als Obama 2012 und hat weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber dafür ist in den beiden nächsten Debatten (9. und 19. Oktober) sowie den kommenden sechs Wochen noch Zeit.

Es geht (fast) ohne Moderator. Die Regeln besagen, dass der Moderator zu Beginn eines jedes Themenblocks eine Frage an beide stellt, danach sollten Trump und Clinton diskutieren und Lester Holt auf die Zeit achten. Eine vorbildliche Diskussion entsteht - Überraschung! - nicht, aber oft muss sich Holt gar nicht einmischen. Er korrigiert einige Lügen Trumps (Ablehnung des Irakkriegs sowie die Birther-Kontroverse), doch sonst übernimmt es Clinton, ihren Rivalen zu korrigieren. Der 57-Jährige gibt wenig Anlass, sich über ihn zu beschweren oder ihm Parteilichkeit vorzuwerfen - keine schlechte Bilanz, wenn man bedenkt, wie undankbar diese Aufgabe ist.

"Nur wegen Chelsea": Trump deutet Konter an. Nach jeder Debatte eilen die Journalisten in den Spin Room, wo die Berater der Kandidaten ihre erwartbaren Eindrücke ("Mein Kandidat war super") in jedes Mikro sagen. Trump bricht mit dem üblichen Protokoll und taucht selbst dort auf. CNN erzählt er, stolz darauf zu sein, die Affären von Bill Clinton nicht thematisiert zu haben, obwohl er sich dazu etwas überlegt habe. Der Grund? "Chelsea ist im Publikum und ich mag sie." Auf die Nachfrage, was er denn hätte sagen können, entgegnet Trump nur: Das kommt vielleicht bei der zweiten oder dritten Debatte.

Wer die Debatte in den Augen der Wähler verloren hat, werden erst die Umfragen in einigen Tagen zeigen (Experten und erste Blitzbefragungen sehen Clinton vorne). An einem dürfte kein Zweifel bestehen: Trump wird sich nicht kampflos ergeben und sich fürs nächste Rede-Duell eine andere Strategie überlegen - schmutzige Attacken könnten dann eine deutlich größere Rolle spielen.

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