Normalerweise ist das reine Formsache. Nach den Präsidentschaftswahlen kommen die 538 Elektoren alle vier Jahre in den Hauptstädten ihrer jeweiligen Bundesstaaten zusammen, um ihre Stimme abzugeben und den nächsten Präsidenten der USA formell zu wählen. Per Gesetz jeweils am "ersten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember". In der Vergangenheit war das eine unspektakuläre Angelegenheit. Doch was war in diesem Wahlkampf schon normal — und wann war es um Donald Trump je still?
In den amerikanischen Medien wird seit Tagen darüber spekuliert, dass Donald Trump auf dem letzten Meter daran gehindert werden könnte, ins Weiße Haus zu ziehen. Die Nachricht über die Hackerangriffe Russlands mit dem Ziel, Donald Trump zum Sieg zu verhelfen, hat die Situation zusätzlich aufgeheizt. Einige Elektoren fordern einen abschließenden Bericht, um guten Gewissens für Trump stimmen zu können. Sie wollen die Wahl von Montag verschieben.
US-Wahl:Trumps letzte Hürde - 7 Fakten zum "electoral college"
Das Volk hat gewählt, jetzt müssen die Wahlmänner abstimmen. Was ist das "electoral college"? Und kann es für Trump noch zum Problem werden?
Der Druck auf die Elektoren ist so groß wie noch nie. Es kommen auch Mails mit Todesdrohungen
Der Druck auf die Wahlmänner sei jedenfalls einzigartig in der Geschichte des Landes, schrieb die Washington Post. Viele Elektoren wurden in den vergangenen Tagen in Tausenden E-Mails aufgefordert, statt Trump einen gemäßigteren Kandidaten zu wählen, zum Beispiel John Kasich, den Gouverneur von Ohio. Oder ganz das Lager zu wechseln und sich für Hillary Clinton zu entscheiden. Es ist sogar von Todesdrohungen die Rede, die einzelne Elektoren erhalten haben sollen.
Der Dokumentarfilmer Michael Moore, einer der lautesten Anti-Trump-Aktivisten im Land, schrieb in den sozialen Medien, ein Präsident Trump sei "einfach zu gefährlich". An das Wahlmännerkollegium appellierte Moore: "Es steht jetzt nichts weniger als die Zukunft des Landes und des Planeten auf dem Spiel. Diese Zukunft liegt in Euren Händen."
Zur Erinnerung: Nicht das Volk bestimmt in den USA den Präsidenten, die Wahlmänner tun das. Nach neuestem Stand hat Hillary Clinton am 8. November zwar landesweit fast drei Millionen Stimmen mehr erhalten als Donald Trump. Doch sie verlor die Wahl, weil der Republikaner in drei Bundesstaaten knapp gewann: Pennsylvania, Wisconsin und Michigan. So kommt Trump nun auf 306 Elektoren, Clinton auf 232. Wer mindestens 270 Elektorenstimmen beisammen hat, ist Präsident. Ironischerweise gewann Trump aufgrund eines Wahlsystems, das er in der Vergangenheit heftig kritisiert hatte. "Das Electoral College ist ein Desaster für die Demokratie", twitterte Trump vor vier Jahren. "Es sollte eine Revolution geben im Land."
Rein theoretisch wäre es möglich, Trump zu verhindern - es müssten sich nur genug abtrünnige Elektoren zusammenschließen. Solche Abweichler aber, "faithless electors" genannt, sind äußerst selten. Und noch nie hat das Wahlmännerkollegium dem Wahlsieger den Einzug ins Weiße Haus verwehrt. In etwa der Hälfte der US-Bundesstaaten sind die Elektoren verpflichtet, ihre Stimme jenem Kandidaten zu geben, der vom Volk gewählt wurde - es droht eine Geldstrafe, sollten sie dies nicht tun. In den anderen Bundesstaaten gibt es keine solche Stimmpflicht. 37 republikanische Elektoren müssten abspringen, dann hätte Trump die Mehrheit von 270 Stimmen verpasst. Bret Chiafalo, ein Wahlmann aus dem Bundesstaat Washington, sagt es so: "Wir suchen 37 Männer und Frauen, die unser Land retten."
Chiafalo ist Mitglied einer Gruppe, die sich "Hamilton Electors" nennt. Sie beziehen sich auf einen der Gründerväter der USA, Alexander Hamilton, der in einer Erklärschrift zur Verfassung schrieb, dass es zur moralischen Pflicht des Electoral College gehöre, einen unqualifizierten Präsidenten zu verhindern. Ziel der "Hamilton Electors" ist es, alles Demokraten übrigens, jeweils 135 republikanische und demokratische Elektoren davon zu überzeugen, sich für einen dritten Kandidaten zu entscheiden, eben jenen John Kasich etwa, oder den Senator John McCain. Das Wahlmännerkollegium, so Chiafalo, sei "die Notbremse der US-Demokratie", eingeführt vor mehr als 200 Jahren. "Heute ist es unsere letzte Chance."
Bis jetzt allerdings hat sich erst ein einziger republikanischer Wahlmann öffentlich gegen Donald Trump ausgesprochen. Der Texaner Christopher Suprun wird seine Stimme einem Drittkandidaten geben, wie er in der New York Times schrieb, da Trump "unfähig" sei, das Land zu führen. Art Sisneros, ein weiterer Elektor aus Texas, ist aus Protest zu Trump zurückgetreten, wird aber ersetzt.
Der Harvard-Professor Larry Lessig, der selbst bei der Präsidentenwahl antrat, seine Kandidatur mangels Aufmerksamkeit aber wieder zurückzog, behauptet, mehr als 20 Wahlmänner zu kennen, die überlegten, Trump die Stimme zu verweigern. Abgesehen von Lessig sind sich aber die meisten Experten trotz des ganzen Wirbels einig, dass Trump an diesem Montag zum 45. Präsidenten der USA gewählt wird. Und sollte Trump die Mehrheit von 270 Wahlmännern wider Erwarten verpassen, dann würde das Repräsentantenhaus entscheiden, wer Präsident wird. Und sehr wahrscheinlich Donald Trump wählen.