US-Politik:Sweet Home Trumplandia

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Donald Trump bei seiner Ankunft in Mobile. (Foto: Evan Vucci/AP)

Was sich auf Trumps "Dankestour" über das Verhältnis des künftigen Präsidenten zu seinen Anhängern lernen lässt.

Von Johannes Kuhn, Mobile/Alabama

Bevor Donald Trump eintrifft, senken sich Tausende Köpfe: Seine Anhänger falten die Hände zum Gebet für den künftigen Präsidenten. Der einflussreiche Evangelikale Francis Graham leitet sie an, doch er hat offenbar auch Antworten auf knifflige irdische Fragen parat. Wer dafür verantwortlich sei, dass Donald Trump gewählt wurde? "Ich glaube, Gott war es."

Die meisten Trump-Wähler im Stadion von Mobile würden wohl nicht widersprechen. Allerdings ist ihr eigener Anteil ebenfalls erwähnenswert: Mehr als 62 Prozent der Stimmen gewann der Republikaner hier in Alabama, in keinem anderen Staat war der Sieg über Hillary Clinton deutlicher. Genau deshalb hat er sich für die letzte Station seiner "Dankestour" genannten Triumphreise den Golfküsten-Staat tief im Süden ausgesucht.

Alabama ist einer jener Bundesstaaten, dessen Konservatismus mit "herb" wohl verharmlosend beschrieben wäre: Ein erzkonservativer Supreme-Court-Richter des Staates schimpft auf der Bühne über seine weniger konservativen Kollegen, die "sich in unsere Kultur gehackt haben". Der heimische Senator Jeff Sessions, der als Trumps Justizminister bald die Wahlgesetze überwachen wird, wurde in den Achtzigern als Bundesrichter-Kandidat selbst von republikanischen Senatoren abgelehnt - zu viele Zweifel warfen seine rassistisch gefärbten Bemerkungen auf.

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Die Rasse, auch sie spielt natürlich eine Rolle, immerhin ist ein Drittel der Stadtbewohner schwarz: Doch wer Afroamerikaner im Publikum sucht, findet mehr von ihnen unter den Merchandise-Verkäufern vor dem Stadion und im Sanitärpersonal. Was ungefähr jener Rangordnung entspricht, die in vielen weißen Parzellen des Südens weiterhin für die natürliche gehalten wird. Im Publikum liest man vereinzelt First Freedom, eine Arier-Postille mit Konföderierten-Flagge und Slogans wie "Wir bekämpfen Terrorismus seit 1861" oder "Selbstregierung beginnt zuhause" (denn der Staat werde ja heimlich von den Juden kontrolliert).

Doch das sind natürlich nur Ausschnitte, so wie die Gespräche mit Anhängern. Dort dominiert der typische ökonomische Rationalismus, der Amerikanern nicht nur eigen ist, sondern über den sich auch unkomplizierter sprechen lässt: Der Lauf der Dinge ist wiederhergestellt, jetzt ist Zeit für Optimismus. "Wir erwarten, dass die Aufträge schon im Januar anziehen werden", erzählen Raymond und Teri, ein Kleinunternehmer-Paar aus Mississippi. 15 Mitarbeiter hätten sie 2008 in ihrer kleinen Baufirma gehabt, nun sind sie nur noch zu zweit. Man könne also den Niedergang quasi am Beginn der Obama-Amtszeit festmachen (von der Immobilien- und Finanzkrise ist dagegen nicht die Rede).

Laura, eine Studentin, hatte "Sorgen, dass ich nach der Uni keinen Job finde". Nun ist sie optimistisch. John mit dem "Hillary for Prison"-Shirt überlegt lange, was er für sich persönlich vom künftigen Präsidenten erhofft und wünscht sich schließlich, "dass das Verhältnis zwischen den Rassen heilt. Manche Menschen wollen aus allem etwas Rassistisches machen, auch wenn es gar nicht wahr ist." Der Jungzwanziger Evan aus Florida ist mit seiner Mutter da und freut sich schlicht, "dass Trump hier runterkommt [in den Süden der USA, Anm. d. Red.], um zu uns zu sprechen. Viele andere sind nicht gekommen."

Doch wo ist Trump eigentlich? Ah, dort vorne steht er und fragt das Publikum: "Soll ich noch einmal die Geschichte dieses Abends erzählen?" Die Anhänger jubeln ekstatisch, und der künftige Präsident beginnt einen Abstecher vom Teleprompter, der 25 Minuten dauern wird. Er beginnt mit der schicksalhaften Rolltreppenfahrt zur Kandidatur-Verkündung im Trump Tower und endet mit den glücklichen, aber von Trump natürlich vorhergesehen Fügungen des Wahlabends.

Es ist eine jener Underdog-Geschichten, die im 20. Jahrhundert das klassische Strickmuster der meisten Hollywood-Filme lieferte und heute noch im Sport gepflegt wird. Nicht umsonst verspricht der Republikaner: "Wir werden zu den guten alten Tagen zurückkehren." Hier ist Trump nicht der CEO-Präsident mit Interessenskonflikten und einem Narzissmus-Problem, sondern der neue Coach des Football-Teams, das man liebt und das nun wieder gewinnt. Oder vielleicht sogar das Football-Team selbst, dem die Anhänger selbst bei einer Serie von Niederlagen unerbittlich die Treue halten werden.

In dieser Übergangsphase zwischen Wahlkampf und Amt verzichtet der designierte Präsident darauf, seine Anhänger mit der üblichen rhetorischen Brutalität anzuheizen. Nur die "bösartigen Medien" sind ihm noch geblieben. Die anderen Groß-Feinde der Vergangenheit sind entweder aus dem Spiel (Hillary Clinton) oder zu ihm übergelaufen (das "Partei-Establishment", frühere Gegenkandidaten).

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Dadurch wird eine Gabe Trumps deutlicher, die Journalisten im Wahlkampf zwar erwähnten, aber im Schatten seiner Demagogie unterschätzten: seine gesellige Erzählonkelhaftigkeit. Wahrscheinlich muss man sich den 70-Jährigen wie so viele Präsidenten im Kontext des Wähler-Wohnzimmers vorstellen: Sie kannten ihn bereits aus dem Abendprogramm im Fernsehen, er spricht als Anti-Politiker wie ein unterhaltsamer Besucher, der auf dem Sofa sitzt (und auch mal etwas Ungezogenes sagt, wir sind ja unter uns).

Trump verspricht eine schützende Mauer gegen Ausländer, Globalismus und Komplexitäten und erlaubt sogar - erzähltes Reality-TV - dosierte Einblicke in die eigenen vier Wände. "Jared [Kushner, der Schwiegersohn, d. Red.] und Ivanka kamen mit den Wählerbefragungen", berichtet er vom Wahlabend: "Sie sagten, sie sind schlecht. Seehr schlecht. Ich ging zu Melania und sagte: 'Aber ich habe ein gutes Gefühl'." Undsoweiter. Kein Wunder, dass seine Wahlkampf-Managerin Kellyanne Conway - das Fernseh-Gesicht seiner Kampagne und dadurch Teil der Saga - in Mobile deutlich größeren Jubel erhält als der ebenfalls beliebte Politiker und Einheimische Sessions. Man glaubt sich zu kennen.

In diesem Haus, das Trump seinen Anhängern gebaut hat, ist es seit der Wahl gemütlich. Man labt sich an der gegenseitigen Anerkennung. Doch nach der Logik des "Drinnen" muss es auch ein "Draußen" geben. Dort befindet sich die komplexe Realität, aber auch jener Teil der USA, der dem neuen Präsidenten nicht zujubelt. Dessen Schlusswort in Mobile: "Meine Botschaft heute geht an alle Amerikaner: (...) Wir sind alle vereint in einem gemeinsamen Schicksal - und ich bitte alle darum, Teil dieser unglaublichen Bewegung zu werden."

Es ist die Aufforderung des künftigen Präsidenten, hereinzukommen. Draußen könnte es ungemütlich werden.

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