Worum geht es eigentlich im Atomkonflikt mit Iran?
Im Sommer 2002 deckte eine iranische Dissidenten-Organisation auf, dass Iran ein in Teilen geheimes Atomprogramm betrieb. Der Nationale Widerstandsrat präsentierte Belege dafür, dass das Regime in Natans eine Anlage zur Uranreicherung baute und in Arak eine Schwerwasser-Anlage, beide nicht bei der Internationalen Atomenergiebehörde gemeldet. Die Informationen stammten wohl von westlichen Geheimdiensten. Daraus erwuchs der Verdacht, dass die Islamische Republik heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitete. Das war der Ausgangspunkt eines Konflikts, der sich über 13 Jahre mehrmals bis an die Grenze einer Militär-Operation hochschaukelte.
Warum wurde das Atom-Abkommen mit Iran überhaupt geschlossen?
Um nach der Irak-Invasion der Amerikaner einen weiteren Krieg im Nahen Osten zu verhindern, suchten Frankreich, Deutschland und die EU Verhandlungen mit Iran, um eine diplomatische Lösung des Atomkonflikts zu erreichen. Während die Regierung von George W. Bush diese Versuche nur mit großer Skepsis unterstützte, begann Barack Obama erst Geheimgespräche mit Teheran, dann stiegen sie in Verhandlungen ein, die auf der Vorarbeit der Europäer aufbauten. Im November 2013 schlossen die USA sowie die vier anderen UN-Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien und Russland sowie Deutschland unter Verhandlungsführung der EU in Genf ein Interimsabkommen. Im Juli 2015 vereinbarten die Parteien dann in Wien das endgültige Abkommen.
Atomwaffen:Der Atomdeal mit Iran steht kurz vor dem Knall
Für die Europäer ist das Abkommen mit Iran ein Erfolg. Sein Ende könnte eine fatale Kettenreaktion in Gang setzen.
Was sind die Inhalte des Abkommens?
Iran akzeptiert in dem Abkommen weitreichende Beschränkungen seines Nuklearprogramms. So beschränkt es die Zahl der Zentrifugen zur Urananreicherung und sieht Modifizierungen eines Reaktors vor, der Plutonium erbrütet hätte. Die Idee ist: Wenn Iran keinen nuklearen Brennstoff anhäuft, kann es auch keine Bomben bauen; hochangereichertes Uran und Plutonium sind die beiden Stoffe, die dafür geeignet sind. Zudem stimmte Iran strengen Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde zu. Im Gegenzug wurden weitgehende Wirtschafts- und Finanzsanktionen aufgehoben; Iran kann wieder Öl exportieren, Milliarden an eingefrorenem Vermögen wurden freigegeben.
Was hat US-Präsident Donald Trump an dem Abkommen auszusetzen?
Trump hat das Abkommen den "schlechtesten Deal aller Zeiten" genannt und die "einseitigste Transaktion, auf die sich die USA je eingelassen haben". Eine detaillierte Kritik an dem Vertrag hat er nicht geliefert. Er bemängelt aber, dass nach dem Ende der Laufzeit Iran keinerlei Beschränkungen mehr unterliege und dann sehr schnell an eine Bombe gelangen könne. Das stimmt so nicht ganz, weil etwa die Inspektionen der IAEA weitergehen würden, Iran könnte aber beliebig viele Zentrifugen betreiben und nukleares Material anhäufen. Wie Außenminister Rex Tillerson seinen europäischen Kollegen sagte, geht es Trump aber mehr darum, dass Iran gegen den Geist des Abkommens verstoße, der in der Präambel formuliert ist. Danach verpflichten sich die Parteien im Sinnen der regionalen Sicherheit und des regionalen Friedens zu handeln. Dagegen verstößt Iran nach Trumps Ansicht mit den fortgesetzten Tests ballistischer Raketen und seiner Unterstützung für die Hisbollah in Libanon, für Präsident Baschar al-Assad in Syrien, für schiitische Milizen im Irak und die Huthi in Jemen.
Kann Trump das Abkommen einfach kündigen?
Theoretisch könnte er das. Europäische Diplomaten gehen aber davon aus, dass er zunächst dem Kongress nicht mehr bestätigt, dass Iran das Abkommen einhält. Das muss er laut einem US-Gesetz alle 90 Tage tun, um die Aussetzung der Sanktionen aufrechtzuerhalten; sie wurden anders als in Europa nicht aufgehoben, weil Obama dafür im Kongress keine Mehrheit hatte. Dann hat der Kongress 60 Tage Zeit, zu entscheiden, wie er weiter verfährt. Sollte er die Sanktionen wieder einsetzen, würde Iran dies zweifellos als Vertragsbruch werten.
Wie sehen die anderen Vertragspartner das?
Die Europäer und auch Russland und China wollen das Abkommen erhalten und auch nicht neu verhandeln. Das wäre möglich, wenn Trump sich so entscheidet, wie nun vermutet wird. Die Europäer sehen Irans Raketentests und seine Rolle in der Region ebenfalls kritisch und sind bereit, dort mit den Amerikanern gemeinsame Schritte zu unternehmen. Sie weisen darauf hin, dass diese Bereiche im Atomabkommen nicht umfasst sind und das Abkommen seinen Zweck im Kern erfüllt. Wie sie sich im Weiteren verhalten, wird von der Reaktion des Senats auf Trumps Entscheidung abhängen und von möglichen anderen Schritten, die Trump gegen Iran ergreifen könnte. Seine Entscheidung trifft er ja als Teil einer von ihm angeordneten Überprüfung der gesamten Iran-Strategie der US-Regierung, mit der er Sicherheitsberater H. R. McMaster, Verteidigungsminister James Mattis und Außenminister Rex Tillerson beauftragt hat.
Welche Schritte könnte Trump gegen Iran ankündigen?
In Europa gibt es die Sorge, dass Trump die iranischen Revolutionsgarden auf die Liste der Terror-Organisationen setzen könnte. Das hätte sehr weitreichende Folgen, da Teile der Garden militärisch in Irak, Syrien und Afghanistan involviert sind, darüber hinaus in Jemen und bei der Unterstützung der Hisbollah in Libanon. Die Revolutionsgarden sind die Elite des iranischen Militärs und unterstehen direkt dem Obersten Führer Ali Chamenei. Es wäre sehr ungewöhnlich, eine solche staatliche Organisation zur Terrorvereinigung zu erklären. Überdies könnte Trump neue Sanktionen wegen der Raketentests oder der regionalen Rolle Irans verhängen.
Was könnte der Senat tun?
Der Senat hat eine Reihe von Optionen: Er kann zunächst die Klausel aufheben, wonach der Präsident alle 90 Tage bestätigen muss, dass Iran das Abkommen einhält. Das würde es Trump ersparen, gegen seine Ankündigung und seine Überzeugung Iran ein positives Zeugnis ausstellen zu müssen. Er könnte auch die Sanktionen wieder einsetzen, das gilt zunächst aber als unwahrscheinlich. Vielmehr erwarten europäische Diplomaten, dass der Senat zusätzliche Forderungen an Iran formulieren wird und die Wiedereinsetzung der Sanktionen als Druckmittel benutzt. Ob und wie daraus neue Verhandlungen entstehen, ist offen. Die Republikaner haben nur eine knappe Mehrheit im Senat, und nicht alle unter ihnen halten Trumps Vorgehen für schlau.
Wie könnte Iran reagieren?
Irans Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammed Jawad Zarif haben klargestellt, dass sie an dem Abkommen festhalten wollen, auch wenn Trump Iran nicht mehr die Einhaltung bestätigt. Zugleich haben die Revolutionsgarden eine scharfe Reaktion angekündigt, sollte Trump sie auf die Terrorliste setzen. Sie können den US-Truppen in der Region sehr unangenehm werden oder weitere Raketen testen. Auch in Iran gibt es Hardliner vor allem im Sicherheitsapparat, die das Abkommen gerne platzen sehen würden. Für Rohani und das Lager der Moderaten und Reformer wäre das eine schwere politische Niederlage, die den Präsidenten schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit politisch kaltstellen würde.