CSU-Chef Horst Seehofer hat am Donnerstag mit einem Interview zur Flüchtlingspolitik erheblichen Unmut verursacht. Der bayerische Ministerpräsident hatte darin "massenhaften Asylmissbrauch" beklagt und Bundespräsident Joachim Gauck kritisiert.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, warf Seehofer vor, "billigen Populismus auf dem Rücken von Flüchtlingen" zu betreiben. Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Ministerpräsidenten einen "Hinterwäldler". Auch die SPD kritisierte Seehofer heftig. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, der CSU-Chef spiele mit dem Feuer. Gerade in Zeiten, in denen sich "mancherorts brutaler Protest gegen Flüchtlinge zusammenrottet", sollten Politiker ihre Worte genau wägen, "statt wie Seehofer Ressentiments zu schüren und Stammtischparolen hinauszuposaunen".
Hilfsbereitschaft Seehofer zufolge abgeebt
Seehofer hatte dem Münchner Merkur gesagt, er trete zwar "für Solidarität und Humanität" ein. Deutschland müsse aber "unterscheiden zwischen den Menschen, die wirklich Schutz brauchen, die zum Beispiel aus Syrien geflohen sind - und denen, die keine Bleibeperspektive bei uns haben, weil sie aus Ländern ohne Fluchtgrund gekommen sind, wie zum Beispiel den Balkan-Staaten".
Fehlende Unterstützung:Asyl-Helfer schicken Brandbrief an Herrmann
Fast 60 ehrenamtliche Initiativen halten der Staatsregierung vor, sie werfe ihnen mit ihrer Flüchtlingspolitik "Knüppel zwischen die Beine". Auch das Rote Kreuz schimpft über schlechtes Krisenmanagement. Das Innenministerium gibt sich wortkarg.
Es gäbe in Bayern "seit Monaten eine unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft" für Flüchtlinge. Jetzt habe sich diese Stimmung aber verändert. Dies liege an den "extrem hohen Zahlen beim Asylmissbrauch aus Balkan-Staaten". Abgelehnte Asylbewerber müssten deshalb in Zukunft schneller abgeschoben werden.
Gauck zieht Vergleich zu Heimatvertriebenen - Seehofer widerspricht
Am vergangenen Samstag hatte Gauck den ersten nationalen "Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung" für einen Appell zu mehr Großmut im Umgang mit Flüchtlingen genutzt. Dabei erinnerte er auch an das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Seehofer sagte dazu jetzt, diese Diskussion sei "nicht angezeigt". Er wisse "aus vielen Gesprächen mit Heimatvertriebenen, dass sie solche Vergleiche nicht gerne hören". Schließlich gehe es heute "auch um massenhaften Asylmissbrauch".
Göring-Eckardt wies diese Kritik als "deplatziert" zurück. Vertriebene und Flüchtlinge verbinde, dass niemand seine Heimat freiwillig verlasse, sagte die Fraktionschefin der Grünen. SPD-Generalsekretärin Fahimi nannte die Kritik Seehofers am Bundespräsidenten "stillos und völlig unangemessen".