Internationale Reaktionen:"Die Welt wird Russland zur Rechenschaft ziehen"

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Der UN-Sicherheitsrat ist zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen. (Foto: John Angelillo via www.imago-images.de/imago images/UPI Photo)

Sorge, Entsetzen und die Ankündigung von Konsequenzen: So reagiert die Weltpolitik auf den russischen Angriff auf die Ukraine.

Von Jana Anzlinger

Die Augen der ganzen Welt sind seit Russlands Angriff am frühen Donnerstagmorgen auf die Ukraine gerichtet. Zahlreiche besorgte Reaktionen auf den Krieg kommen aus Nordamerika und Nordeuropa. Auch die deutsche Politik kritisiert das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin heftig. USA, EU und Nato drohen Moskau mit Konsequenzen.

EU kündigt scharfe Sanktionen an

Die Europäische Union hat ein scharfes Sanktionspaket gegen Russland angekündigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, dass man russisches Vermögen in der EU einfrieren und russischen Banken den Zugang zu den Finanzmärkten abschneiden werde. "Die EU wird das härteste Sanktionspaket beschließen, dass sie je beschlossen hat", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Beide betonten, dass die EU zudem die Ukraine weiter unterstützen werde. "Wir stehen an der Seite der Ukraine", sagte Borrell. Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU treffen noch am Abend zu einem Sondergipfel zusammen.

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USA wollen Putin "zur Rechenschaft ziehen"

US-Präsident Joe Biden sprach von einem "unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff durch die russischen Streitkräfte". In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij sicherte Biden der Ukraine Unterstützung zu. "Die Welt wird Russland zur Rechenschaft ziehen", so Biden. "Russland allein ist für den Tod und die Zerstörung, die dieser Angriff bringen wird, verantwortlich."

Angesichts der Lage hat Biden ein Treffen des Nationalen Sicherheitsrats anberaumt. Aus dem Weißen Haus hieß es am Donnerstag, Biden habe sich mit dem Team im "Situation Room", dem streng gesicherten Lagezentrum der US-Regierungszentrale in Washington, versammelt. Für Donnerstag ist zudem eine Videoschalte der Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten angesetzt. Später will Biden eine Ansprache halten. Eine Uhrzeit dafür wurde zunächst nicht genannt.

Sein Vorgänger Donald Trump wiederholte in einem Fox-News-Interview die Behauptung, unter ihm als Chef im Weißen Haus hätte Russland die Ukraine nicht angegriffen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe die "Schwäche" der US-Regierung seines Nachfolgers Biden gesehen und dies ausgenutzt. Trump sagte auch, er gehe davon aus, dass Putin ursprünglich gar keinen Krieg gewollt habe. Trump fügte hinzu, er habe sich als Präsident "fantastisch" mit Putin verstanden - und das, obwohl er gegen die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 vorgegangen sei.

US-Außenminister Tony Blinken betonte die Bedeutung des Artikels 5 im Nato-Vertrag, also der Verteidigungszusage für alle Nato-Mitglieder im Falle eines Angriffs. Er und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hätten mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesprochen, teilte er mit.

In der Nacht hatte es bereits eine kurzfristig anberaumte Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates gegeben. "Genau zu der Zeit, als wir uns im Rat versammelten, um Frieden zu suchen, übermittelte Putin eine Kriegsbotschaft in völliger Verachtung für die Verantwortung dieses Rates", sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Linda Thomas-Greenfield.

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs stellen sich auf die Seite der Ukraine

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Russland aufgefordert, die Angriffe auf die Ukraine sofort einzustellen. Frankreich sei mit der Ukraine solidarisch und an deren Seite, so Macron auf Twitter. Gemeinsam mit seinen Partnern und Verbündeten handle Frankreich, um ein Ende des Krieges zu erreichen. Später kündigt Macron harte Sanktionen an, die den Energiesektor Russlands betreffen sollen. "Die Freiheit der Ukraine ist unsere Freiheit", so der französische Präsident.

"Russlands Vorgehen ist auch ein Angriff auf die europäische Sicherheitsordnung", schrieb die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auf Twitter. "Das ist eine erschreckende und völlig unprovozierte Handlung, die gegen die UN-Charta und das Völkerrecht verstößt", erklärte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen. "Der Angriff ist ein schwerer Verstoß gegen das internationale Recht und bedroht das Leben zahlreicher Zivilisten", so Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin. Norwegens Regierungschef Jonas Gahr Støre kommentierte: "Russische Behörden tragen die vollständige Verantwortung dafür, Europa in diese sehr dunkle Situation gestürzt zu haben." Islands Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir betonte: "Das Leben unschuldiger Zivilisten muss immer unsere Hauptsorge sein."

Estlands Staatspräsident Alar Karis sprach in einer Erklärung von "absurden Vorwänden der russischen Führung", die "falsch, unbegründet und kriminell" seien. "Sie wurden erfunden, damit Präsident Putin eine Aggression gegen eine Nation rechtfertigen kann, die Russland nie bedroht hat", so Karis. Putin wirft der Ukraine angeblichen Völkermord und Pläne zum Bau von Atomwaffen vor, ohne Belege zu liefern, und spricht dem Land eine eigene Staatstradition ab. Litauens Präsident Gitanas Nausėda will den Ausnahmezustand für sein Land ausrufen. Das Parlament werde über den entsprechenden Antrag entscheiden, erklärte Nausėda. Litauen fordert zudem neue Sanktionen gegen das benachbarte Belarus, weil russische Truppen die Ukraine auch von dort angegriffen haben.

Der britische Premier Boris Johnson schrieb auf Twitter, Putin habe sich "für einen Weg des Blutvergießens und der Zerstörung entschieden". Großbritannien und seinen Verbündeten würden "entschieden antworten".

Kanadas Premier Justin Trudeau hat mit schweren Sanktionen gedroht. Er werde sich am Donnerstag mit den G-7-Partnern treffen, "und wir werden weiterhin eng und schnell mit der Nato und unseren Verbündeten zusammenarbeiten, um gemeinsam auf diese rücksichtslosen und gefährlichen Handlungen zu reagieren". Kanada werde zudem zusätzliche Maßnahmen gegen Moskau ergreifen.

"Wir verurteilen die einseitigen feindlichen Aktionen in der Ukraine. Russland verstößt offen gegen internationales Recht und die UN-Charta", so der australische Premier Scott Morrison vor Journalisten.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan weist den Einmarsch Russlands zurück. Die Türkei erachte sowohl die Ukraine als auch Russland als befreundete Länder und wünsche sich, dass die Probleme durch Dialog gelöst werden, so Erdoğan nach einem Telefonat mit Selenskij. Das Nato-Mitglied Türkei hat im Schwarzen Meer Seegrenzen zu beiden Ländern.

China: Handelt sich nicht um russische Invasion

Das chinesische Außenministerium ruft alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Es handele sich nicht um eine russische Invasion, wie dies teilweise beschrieben werde. Die berechtigten Sicherheitsinteressen aller Seiten würden respektiert, heißt es weiter. Man verfolge die Entwicklung in der Ukraine sehr aufmerksam. "Chinas Position zur Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität aller Staaten ist konsistent, die Ziele und Prinzipien der UN-Charta sollten allesamt aufrechterhalten werden", sagte der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.

Die Volksrepublik verstehe die Besorgnis Russlands in Sicherheitsfragen, sagte Außenminister Wang Yi seinem Ministerium zufolge in einem Telefonat dem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. China rufe aber dazu auf, durch Dialog und Verhandlungen einen ausgewogenen, effektiven und nachhaltigen Sicherheitsmechanismus in Europa zu schaffen und die Mentalität aus Zeiten des Kalten Krieges vollständig aufzugeben.

Vor Kurzem hatte sich China, im Gegensatz zur sonst üblichen Politik der Nichteinmischung, auf die Seite Russlands gestellt und alle Seiten zur Zurückhaltung aufgefordert. Ein russischer Einmarsch ist für China unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen problematisch.

Nato beruft Krisensitzung ein

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat den russischen Einmarsch in die Ukraine als "brutalen kriegerischen Akt" bezeichnet. "Dies ist eine vorsätzliche, kaltblütige und von langer Hand geplante Invasion", sagte der Norweger am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Brüssel. "Wir haben jetzt einen Krieg in Europa in einem Ausmaß und einer Art, von der wir dachten, sie gehöre der Vergangenheit an." Stoltenberg sprach von "einer neuen Normalität für unsere Sicherheit". Der Nato-Generalsekretär fügte hinzu: "Frieden ist keine Selbstverständlichkeit."

Die Nato will Stoltenberg zufolge ihre Truppen an der Ostflanke des Bündnisses nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verstärken. Die Nato aktivierte auch ihre Verteidigungspläne, um eine schnellere Truppenbewegung zu ermöglichen. In der Ukraine selbst seien keine Nato-Truppen und es gebe auch keine Pläne welche zu entsenden.

Stoltenberg sieht derzeit keine Gefahr, dass sich der russische Krieg gegen die Ukraine auf das Bündnisgebiet ausweitet. "Solange Russland weiß, dass ein Angriff auf einen Nato-Verbündeten eine Antwort des gesamten Bündnisses auslöst, werden sie nicht angreifen", so Stoltenberg.

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