Ukrainekrieg:Neue Drohungen aus Moskau

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In Lwiw wurden Gebäude der Universität durch einen russischen Drohnenangriff massiv beschädigt. (Foto: Yuri Dyachyshyn/AFP)

In den vergangenen Tagen haben sich beide Seiten so intensiv bekämpft wie kaum zuvor seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigt eine weitere Ausweitung der Schläge gegen die Ukraine an.

Von Frank Nienhuysen

Die Eskalation der vergangenen Tage im russischen Krieg gegen die Ukraine hat sich auch im neuen Jahr fortgesetzt. Allein zwischen Silvesterabend und den frühen Morgenstunden am Neujahrstag griff Russland nach ukrainischen Angaben mit mehr als 90 Drohnen aus iranischer Produktion an. Die meisten von ihnen seien zwar abgefangen worden, sagte der Chef der ukrainischen Luftstreitkräfte, Mykola Oleschtschuk. In Odessa wurden nach einem Bericht der Kyiv Post jedoch ein Mensch getötet und mehrere verletzt. Raketen- und Drohnenangriffe gab es auch im Osten und im Westen der Ukraine. In der Region Lwiw wurden ein Museum sowie eine Universität beschädigt.

In den vergangenen Tagen wurden die Kämpfe auf beiden Seiten so intensiv geführt wie kaum zuvor seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. In der Nacht zum Freitag hatte Russland mit einer bis dahin beispiellosen Zahl an Luftschlägen gegen die Ukraine etwa 40 Menschen getötet. Mehr als 150 Raketen und Drohnen wurden dabei eingesetzt. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte in einer Sondersitzung die Großattacke.

Im Gegenzug griff die Ukraine die russische Stadt Belgorod an, die in der Nähe der ukrainischen Grenze liegt. Dabei starben nach Angaben des russischen Gouverneurs mindestens 24 Menschen, mehr als hundert weitere seien verletzt worden, Dutzende Gebäude wurden zerstört. Es war dies der bisher schwerste Angriff der Ukraine auf russisches Gebiet.

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Russland wiederum rächte sich zunächst mit Raketen-Attacken gegen die ostukrainische Stadt Charkiw und nun zum Jahreswechsel mit einer Drohnenwelle. In Charkiw wurde dabei das Hotel Kharkiv Palace zerstört, betroffen war nach Angaben des ZDF auch ein Fernsehteam des deutschen Senders. Eine ukrainische Übersetzerin sei durch Raketentrümmer in der Lobby schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Mika Beuster, verurteilte den Angriff und nannte die Begründung Russlands "menschenverachtend und zynisch". Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte erklärt, bei dem Angriff habe es Vertreter des Hauptnachrichtendienstes und der ukrainischen Streitkräfte ausgeschaltet.

Putin spricht von "Terroranschlag"

Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass sich die Angriffe abschwächen könnten. Im Gegenteil: Russlands Präsident Wladimir Putin drohte am Montag damit, die Schläge gegen die Ukraine noch auszuweiten. Putin besuchte am Neujahrstag verwundete russische Soldaten in einem Krankenhaus im Moskauer Umland, wo er den ukrainischen Angriff auf Belgorod als einen "Terroranschlag" bezeichnete. Dem ukrainischen Militär warf er vor, es habe bewusst kurz vor dem Jahreswechsel das Stadtzentrum angegriffen, als dort Zivilisten unterwegs waren. Umgekehrt behauptet Moskau wahrheitswidrig immer wieder, selber nur militärische Ziele anzugreifen.

Als Reaktion auf den Beschuss von Belgorod kündigte Putin nun praktisch tagtäglich russische Angriffe an. "Wir tun das heute, und wir werden das morgen tun", sagte er am Neujahrstag. Wenig später begannen neue Drohnenattacken auf Kiew. Putin unterschlug in seiner Ankündigung allerdings die gewaltige russische Welle an Luftschlägen vom vergangenen Freitag, die dem ukrainischen Angriff auf Belgorod vorausgegangen war.

Repressionswelle vor Wahlen

Für den Kremlchef stehen ohnehin wichtige Wochen an, in denen er sicher den Eindruck vermeiden will, im Krieg gegen die Ukraine nachzulassen. Am 17. März findet offiziell die Präsidentschaftswahl in Russland statt. Dass Putin für weitere sechs Jahre im Amt bleibt, steht praktisch fest, obwohl er kaum Erfolge vorweisen kann. Das Land erlebt eine beispiellose Welle an Repressionen. Seine Mitbewerber sind keine echten Kritiker und dürften ihre Kandidatur weitgehend mit dem Kreml abgestimmt haben. Missfallen am Krieg gegen die Ukraine darf ohnehin unter Strafe nicht geäußert werden. Russische Regierungsgegner haben keinerlei Aussichten, zur Wahl überhaupt zugelassen zu werden.

Der bekannteste Oppositionelle, der inhaftierte Alexej Nawalny, wurde Ende Dezember symbolträchtig von einem Gefängnis in der Nähe von Moskau in eine entlegene Strafkolonie am Polarkreis verlegt. Nawalnys Team hat in einer Kampagne mit versteckten Plakatbotschaften die russische Bevölkerung dazu aufgerufen, bei der Wahl für jeden beliebigen Kandidaten außer Putin zu stimmen. Auch Jekaterina Dunzowa, eine junge russische Kriegsgegnerin, ehemalige Kommunalpolitikerin und Journalistin, hatte in den vergangenen Wochen Aufmerksamkeit erregt, weil sie Kremlchef Putin bei der Wahl herausfordern wollte. Die Wahlkommission lehnte es jedoch ab, sie zur Abstimmung zuzulassen. Sie will jetzt eine neue Partei gründen. Dunzowa sagte, "für all jene Menschen in Russland, die Frieden, Freiheit und Demokratie wollen".

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