Krieg in der Ukraine:Kein Weiterkommen

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Ukrainische Soldaten bei einer Übung im Süden des Landes. (Foto: Viacheslav Ratynskyi/Reuters)

Amerikanische Geheimdienste bezweifeln laut einem Medienbericht den Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive. Dennoch genehmigen die USA die Lieferung von "F-16"-Kampfjets.

Von Nicolas Freund

Amerikanische Geheimdienste rechnen nicht damit, dass es der Gegenoffensive der ukrainischen Armee gelingt, die besetzte Stadt Melitopol zu erreichen. Das berichtet die Washington Post . Die Zeitung bezieht sich dabei auf eine anonyme Quelle aus dem amerikanischen Geheimdienstapparat. Laut dieser würde die ukrainische Armee wegen der starken russischen Befestigungen und den ausgedehnten Minenfeldern in der Region wahrscheinlich schon mehrere Meilen vor Melitopol nicht weiter vorrücken können.

Wenn sie zutrifft, dann bedeutet diese Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste im Wesentlichen, dass die ukrainische Gegenoffensive ihr Hauptziel, die von Russland besetzte Landbrücke zur ebenfalls besetzten Halbinsel Krim zu unterbrechen, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erreichen wird. Melitopol ist ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt und gilt als "Tor zur Krim".

Ein Durchbruch könnte den russischen Zielen erheblich schaden

Ein Eingeständnis, dass eine Rückeroberung der Stadt nicht gelingt, hätte weitreichende Folgen für den gesamten Krieg. Experten gehen davon aus, dass ein ukrainischer Durchbruch zum Asowschen Meer vermutlich den Zusammenbruch großer Teile der russischen Armee in der Ukraine zur Folge hätte. Seit Monaten konzentrieren sich deshalb die Bemühungen der ukrainischen Armee darauf, eine entsprechende Schwachstelle in den russischen Verteidigungslinien zu finden.

Abgesehen von kleineren Geländegewinnen und der Befreiung einiger Dörfer waren diese kleinen Vorstöße von oft nur einem Dutzend Soldaten bisher aber nicht erfolgreich. Nach anfänglichen Verlusten in den Minenfeldern und durch Luftangriffe hält die ukrainische Armee die vom Westen gelieferten Kampf- und Schützenpanzer größtenteils zurück, es könnte also sein, dass ein großer Angriff ukrainischer Verbände erst noch bevorsteht. Es kursierten aber ebenfalls schon seit einigen Monaten Gerüchte, dass in Teilen der amerikanischen Regierung nur noch mit geringen Rückeroberungen durch die ukrainischen Streitkräfte gerechnet wird.

Die russische Armee ist derzeit allerdings auch kaum zu größeren Angriffen in der Lage. Wenn nun die ukrainische Gegenoffensive endgültig zum Stillstand käme, würde der Krieg wahrscheinlich in eine neue Phase der Stellungsgefechte eintreten oder ganz einfrieren. Diese Möglichkeit brachte laut dem Institute for the Study of War nun auch ein russischer Kommandant, der an der Front im Süden im Einsatz sein soll, erneut ins Spiel. Er geht in einem Post auf Telegram davon aus, dass die russische Armee die Ukraine nicht militärisch besiegen und auch keine Städte besetzen könne. Der Russe erwartet einen Zustand, der weder Krieg noch Frieden ist, also womöglich dem von 2015 bis 2022 schwelenden Konflikt im Donbass ähnelt - nur in wesentlich größerem Maßstab. Für die Ukraine wäre das eine schwierige Situation, da jederzeit wieder mit einem Aufflammen des Krieges gerechnet werden müsste.

Die amerikanischen Kampfjets können helfen - aber wohl erst 2024

Die Einschätzung der US-Geheimdienste könnte außerdem darauf hinweisen, dass in der amerikanischen Regierung die militärische Hilfe für die Ukraine zunehmend kritisch gesehen wird. Einige Mitglieder der republikanischen Partei hatten die Unterstützung in Höhe mehrerer Milliarden US-Dollar immer wieder in Frage gestellt. Bisher scheint die Regierung von US-Präsident Joe Biden aber noch keinen Zweifel an der unbedingten Unterstützung der Ukraine aufkommen zu lassen. So genehmigten die USA nun die Lieferung von amerikanischen F-16-Kampfflugzeugen aus Dänemark und den Niederlanden an Kiew. Noch im August solle mit dem Training der Piloten begonnen werden.

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Eingesetzt werden die Flugzeuge aber wahrscheinlich erst im kommenden Jahr. Die Kampfjets sind nicht nur für Offensivoperationen, sondern auch für die Abwehr der fast täglichen russischen Raketenangriffe auf Ziele in der Ukraine wichtig. Die Raketen auf ukrainische Städte werden meist von russischen Flugzeugen über dem Schwarzen Meer oder im belarussischen Luftraum gestartet.

Unterdessen scheint der Krieg auch in Russland selbst immer präsenter zu werden. Laut russischen Angaben ist über Moskau erneut eine Drohne abgefangen worden. Der Flugverkehr wurde wegen des Angriffs unterbrochen. Durch Trümmer soll ein Gebäude beschädigt worden sein. Seit Monaten wird die russische Hauptstadt immer wieder auf diese Art angegriffen, wenn auch von wesentlich weniger Drohnen, als sie die russische Armee auf ukrainische Städte schickt.

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