Krieg in der Ukraine:Angriffswelle trifft russischen Militärflughafen

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Ukrainische Polizisten sichern Teile einer russischen Rakete, die am Mittwoch an einer Uferpromenade am Dnipro in Kiew einschlug. (Foto: Yevhenii Zavhorodnii/Reuters)

Die ukrainischen Attacken auf den Luftwaffenstützpunkt Pskow und andere Ziele waren so heftig, dass selbst Moskau sie meldete - und seinerseits Marschflugkörper abfeuerte.

Von Florian Hassel, Belgrad

Mit seiner Lage 660 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt dürften sich die auf dem Flughafen von Pskow stationierten Soldaten der 76. Garde-Fallschirmspringerdivision der russischen Armee vergleichsweise sicher gefühlt haben. Doch in der Nacht zum 30. August wurde der Militärflughafen Schauplatz der offenbar massivsten Angriffswelle, die die Ukraine seit Beginn des russischen Überfalls auf ihr Land ihrerseits auf Russland verübt hat.

Dem unabhängigen russischen Exilmedium Meduza und lokalen Einwohnern zufolge griffen die Ukrainer den Militärflughafen von Pskow mit bis zu 20 mit Sprengstoff bestückten Drohnen an, die Angriffe begannen kurz vor Mitternacht und dauerten offenbar mehrere Stunden. Einwohner veröffentlichten Videos in den sozialen Medien, die den Lärm von Explosionen und Abwehrfeuer ebenso zeigten wie hohen Feuerschein über dem Flughafen. Welche Größenordnung die durch die Angriffe hervorgerufenen Explosionen und Feuer annahmen, lässt sich auch durch die Mitteilung der russischen Staatsagentur Tass erkennen, es seien mehr als 60 Männer am Kampf gegen die Feuer beteiligt gewesen.

Laut ukrainischem Militärgeheimdienst sind die Flugzeuge "zerstört" worden

Offiziell stellte Moskau fest, auf dem Flughafen seien vier Iljuschin-76-Transportflugzeuge - der gängige Transporter der russischen Armee - beschädigt worden. Andrij Jusow vom ukrainischen Militärgeheimdienst GUR sagte der Kyiv Post indes, die vier Flugzeuge seien "zerstört" worden. Dafür spricht etwa auch ein offenbar von einem russischen Soldaten aufgenommenes Video eines hellauf in Flammen stehenden Flugzeuges auf dem Flughafen von Pskow.

Bereits am 27. August will der ukrainische Geheimdienst SBU auch im 100 Kilometer von der Ukraine entfernten russischen Kursk den militärischen Teil des dortigen Flughafens angegriffen und dabei vier Su-30-Jagdflugzeuge, ein MiG-29-Jagdflugzeug und zwei Pantsir-Flugabwehrsysteme beschädigt haben, so die Kyiv Post. Unabhängige Bestätigungen hierfür fehlen indes. Einem russischen Militärblogger zufolge setzt die Ukraine unterdessen mittlerweile auch von der australischen Firma Sypaq im März 2023 gelieferte, vom Radar kaum zu ortende Corvo -Drohnen aus Sperrholz ein.

Russland spielt ukrainische Angriffe herunter und behauptet gewöhnlich, alle Drohnen abgeschossen zu haben. Die ukrainischen Angriffe in der Nacht zum 30. August waren indes so umfangreich, dass selbst die Agentur Tass von einem Massenangriff auf fünf Regionen im zentralen Russland sowie auf die Region Pskow sprach. Denn auch in den Regionen Brjansk, Rjasan, Kaluga, Orjol und der Region um Moskau flogen die Ukrainer Drohnenangriffe. In Brjansk explodierte dem Infodienst Baza zufolge eine Drohne oder ihre Überreste in der Mikroelektronik-Fabrik Kremny El, einem Hauptlieferanten der Armee, etwa für Iskander-Marschflugkörper oder Pantsir-Luftabwehrsysteme.

(Foto: SZ-Karte/Mapcreator.io/OSM)

Auch auf der russisch besetzten Krim griffen ukrainische Seedrohnen den Hafen Sewastopol an, wie ein Moskauer Funktionär bestätigte. Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow sagte kürzlich, Russland zerstöre 60 bis zu 70 Prozent der ukrainischen Seedrohnen; die ihr Ziel erreichenden Seedrohnen seien "sehr effektiv". Russland behauptete seinerseits, seine Luftwaffe habe im Schwarzen Meer vier "militärische Hochgeschwindigkeitsboote" mit 50 ukrainischen Spezialeinheiten zerstört.

Russland reagierte auf die ukrainischen Angriffe mit umfangreichen Angriffen von Marschflugkörpern und Drohnen auf die ukrainischen Regionen Charkiw, Poltawa, Odessa, Tscherkassy, Mykolajiw und Kiew. Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj zufolge soll Moskau mit mehreren Tupolew-95-Bombern aus der Luft 28 Raketen auf ukrainische Ziele abgefeuert haben, zudem seien 16 Drohnen iranischer Bauart auf ukrainische Ziele geflogen. Saluschnyj zufolge habe die ukrainische Luftabwehr alle Raketen und 15 der 16 Drohnen abgeschossen.

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Hauptangriffsziel war die Hauptstadt Kiew, die allein Ziel von über 20 Raketen und Drohnen gewesen sei, so Militärgouverneur Serhij Popko. Es seien die heftigsten Angriffe seit dem Frühjahr 2023 gewesen. Zwei Kiewer, 26 und 36 Jahre alt, seien von Trümmern abgeschossener Raketen oder Drohnen getötet, drei weitere Einwohner verletzt worden. Trümmer hätten außerdem Häuser beschädigt, an einigen Stellen seien Feuer ausgebrochen.

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