Wer hat Angst vorm roten Mann? Oder vor einem Deutschen? Marine Le Pen, die sonst so wortgewaltige Anführerin von Frankreichs "Front National" (FN), scheint solche Scheu zu plagen. Jedenfalls hat die rechtsextreme Politikerin es strikt abgelehnt, sich im Fernsehen mit Martin Schulz, dem rheinländischen Sozialdemokraten und Präsidenten des Europaparlaments, auf einen verbalen Schlagabtausch einzulassen.
An diesem Donnerstagabend bietet Frankreichs öffentlicher TV-Kanal France 2 der 45jährigen FN-Chefin die große Bühne. Über zwei Stunden lang wird sich in der Show "Des Paroles et des Actes" (Wort und Tat) alles um sie drehen. Ein toller PR-Termin für die Europagegnerin, in fünf Wochen winken schließlich die Wahlen zum EU-Parlament.
Der Sender suchte ein Gegengewicht, wenigstens für 25 Minuten kontroverser Debatte - und verfiel auf Schulz. Der bärtige Sozi und Spitzenkandidat der EU-Sozialisten, im Umgang mit europhoben Nationalisten kratzbürstig, spricht perfekt Französisch. Er sagte zu.
Der Fernsehsender gab nach und sagte Schulz ab
Das war vorigen Donnerstag. Am Freitag rief "France 2" kleinlaut zurück. "Desolé", bedauerte der Sender, Madame Le Pen habe Schulz leider abgelehnt. Die Nationalistin, so ein Redakteur, wolle "mit keinem ausländischen Gesprächspartner diskutieren". Laut Liberation soll Le Pen sogar gesagt haben, der Europawahlkampf sei für sie eine rein "französische Kampagne".
Der Fernsehsender gab nach - und findet nichts dabei, dass sich die Populistin ihre Gegner selbst aussuchen darf. Das sei "keine besondere Gefälligkeit" gegenüber Le Pen, sondern "schon immer so: Für eine Debatte braucht es nun einmal Zwei", bedauert eine Pressesprecherin von France 2.
Martin Schulz ist für die Familie Le Pen kein Unbekannter. Vater Jean-Marie, wie Tochter Marine Mitglied des EU-Parlaments, beschimpfte den deutschen Roten schon vor Jahren als einen, "der einen Kopf wie Lenin hat und wie Hitler redet". Zudem hätte die FN-Chefin fürchten müssen, dass der Parlamentspräsidenten ihr im Duell bei "Wort und Tat" vorhält, dass sie zwar viel redet, aber wenig tut.
Laut der Website "VoteWatch Europe" zählt Le Pen zu den faulsten EU-Abgeordneten in Straßburg. Daran zu erinnern ist nun das Privileg von Alan Lamassoure: Der konservative UMP-Politiker spielt Ersatzmann. Er ist, wie Schulz, leidenschaftlicher Europäer - und dazu Franzose.