Iranischer Präsident in Ankara:Besuch in bewegten Zeiten

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Wichtig füreinander: Der türkische Präsident Erdoğan (re.) empfängt seinen iranischen Amtskollegen Ebrahim Raisi in Ankara. (Foto: Adem Altan/AFP)

Irans Präsident Ebrahim Raisi besucht erstmals die Türkei. Gaza, Handel, Erdgas - mit Recep Tayyip Erdoğan hat er viel zu besprechen. Das Verhältnis der Länder ist nicht einfach, doch Raisi baut auf Erdoğan und eine "gerechte Weltordnung".

Von Raphael Geiger, Istanbul

Dem Gast aus der Islamischen Republik wird gefallen haben, wie Recep Tayyip Erdoğan ihn begrüßte. "Im Namen von Allah, dem Barmherzigen und Gnädigen" heiße er seinen "Bruder" in Ankara willkommen, so der türkische Präsident am Mittwochabend. Neben ihm saß sein iranischer Amtskollege Ebrahim Raisi. Der ist seit 2021 im Amt, kam aber erst jetzt in die türkische Hauptstadt. Eigentlich war die Reise schon für November geplant, damals hieß es, sie sei aus logistischen Gründen abgesagt worden.

Iran arbeitet sich an der türkischen Haltung zum Nahostkonflikt ab

Iranische Medien allerdings fanden die Version spannender, wonach Raisi von Erdoğan ein härteres Vorgehen gegen Israel gefordert habe, was dieser angeblich ablehnte. Raisi sei deshalb nicht in den Flieger gestiegen. Die Propaganda des iranischen Regimes arbeitet sich schon länger an der Türkei ab, deren Haltung im Nahostkonflikt sei heuchlerisch - sie verurteile Israel zwar, halte aber an diplomatischen Beziehungen mit dem jüdischen Staat fest und betreibe weiterhin Handel mit ihm.

Tatsächlich ist das türkisch-israelische Handelsvolumen zuletzt gestiegen, während Präsident Erdoğan den israelischen Premier Netanjahu mit Adolf Hitler verglich. Würden nur alle Staaten ihre Beziehungen mit Israel abbrechen, sagte Raisi nun neben Erdoğan, "dann würde auch die Gewalt zu Ende gehen." Raisi nennt den Staat Israel nur "das zionistische Regime", dieses sei im Nahen Osten "das Hauptproblem."

Der Besuch des Iraners fiel in eine angespannte Zeit. Schon Anfang Januar war Raisi ein zweites Mal in Ankara angekündigt gewesen, damals verhinderte ein Anschlag in seinem Land die Reise: Zwei IS-Selbstmordattentäter hatten mehr als 90 Menschen getötet. Als Reaktion darauf griff Iran vergangene Woche mehrere Ziele in Syrien und Irak an, mit Raketen, die auch Israel erreichen könnten. Außerdem beschoss Iran das Nachbarland Pakistan, wo es Rückzugsorte einer sunnitischen Terrorgruppe vermutet. Die beiden Länder gerieten daraufhin in eine diplomatische Krise.

Daneben sucht das Mullah-Regime noch immer eine Linie im Nahostkonflikt. Wie die Türkei will auch Iran nicht, dass aus dem Gazakrieg ein regionaler Konflikt wird. Allerdings muss Teheran auch darauf regieren, wenn Generäle und Offiziere seiner Revolutionsgarden in Syrien getötet werden - mutmaßlich durch israelische Luftschläge. Mit seinen verbündeten Milizen von Libanon über Irak bis nach Jemen, das Iran mit Waffen beliefert, kämpft das Land indirekt gegen Israel.

Iran braucht Handelspartner, die Türkei braucht Erdgas

Auch das Verhältnis zur Türkei ist nicht ganz einfach. Die beiden Länder standen jahrelang in Syrien auf gegnerischen Seiten: Iran unterstützte das Assad-Regime, die Türkei die Opposition. Das mit der Türkei befreundete Aserbaidschan befindet sich mit Iran im Dauerkonflikt. Andererseits haben es Teheran und Ankara immer verstanden, im Gespräch zu bleiben, immerhin fanden sie im Syrienkrieg zusammen mit Russland sogar an den Verhandlungstisch. Und was den Gazastreifen betrifft, verbindet die beiden die Solidarität mit den Palästinensern - wobei die Theokraten in Teheran von Israels Auslöschung träumen, während die Türkei für die Zweistaatenlösung plädiert.

Gaza war dann neben der Wirtschaft auch das beherrschende Thema, als Ebrahim Raisi in Ankara auf Recep Tayyip Erdoğan traf. Und der Punkt, bei dem sie sich wohl schnell einig waren. Die palästinensische Frage liege im Epizentrum, sagte Erdoğan. Die "inhumane" Gewalt der israelischen Armee müsse enden. Und Raisi bedankte sich dafür mit den Worten, "die Menschen in der Türkei" seien schon immer "gegen Unterdrückung aufgestanden". Mit Ländern wie der Türkei wolle Iran "eine gerechte Weltordnung" schaffen. Eine ohne den Westen, anders gesagt.

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Das Handelsvolumen zwischen Türkei und Iran wolle man verfünffachen, hieß es vorab. Mehrere Abkommen unterschrieben ihre Vertreter dazu in Ankara. Die beiden Länder sind wichtig füreinander: Die Türkei bezieht Erdgas aus Iran, iranische Touristen haben die Türkei für sich entdeckt. Iran wiederum ist wirtschaftlich angeschlagen und braucht Handelspartner wie die Türkei, die sich an den westlichen Sanktionen nicht beteiligen.

Außerdem hoffen sie offenbar in Ankara, das iranische Regime könnte seine Kontakte für die Türkei nutzen: zum syrischen Regime, mit dem sich die Türkei nach Jahren wieder besser stellen will, und zur kurdischen PKK-Miliz, die zuletzt wieder viele türkische Soldaten getötet hat. Genau das erbat sich Erdoğan am Mittwoch von seinem Gast, man kämpfe schließlich "gemeinsam gegen Terrorismus". Auch Ebrahim Raisi, dessen Regime die Hamas und die Hisbollah finanziert, betonte, wie wichtig er ihm sei, der Kampf gegen den Terror.

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