Türkei:Extremisten bekennen sich zu Anschlägen in Istanbul

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Trauer in Istanbul - getötete Polizisten werden zu Grabe getragen. (Foto: AFP)

Eine radikale Splittergruppe der PKK hat die Verantwortung für den Doppelanschlag am Samstagabend übernommen. Erdoğan will gegen die "Pest des Terrors" kämpfen.

In der Türkei herrscht am Tag nach den Anschlägen Staatstrauer. Bilder zeigen trauernde Polizisten, die die Särge ihrer getöteten Kollegen tragen, umhüllt von Fahnen mit den türkischen Nationalsymbolen, Halbmond und Stern. Alle Flaggen sollen auf halbmast gesetzt werden, hatte Ministerpräsident Binali Yildirim angeordnet, außerdem wurde eine eintägige Staatstrauer angeordnet.

Mindestens 38 Menschen waren bei dem Doppelanschlag auf die Polizei nach dem Ende eines Fußballspiels in einem Stadion im zentralen Stadtteil Beşiktaş ums Leben gekommen, 155 verletzt worden.

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Tagsüber kündigte Präsident Erdoğan den Beginn einer neuen Ära an. Abends kommt dann die Gewalt. Eindrücke von den Straßen Istanbuls.

Von Mike Szymanski

Aber in die Trauer mischt sich bereits der Ruf nach Vergeltung. Von höchster Stelle. Das Wichtigste sei jetzt der Kampf gegen die "Pest des Terrors", sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Sonntag nach einem Besuch bei Verletzten in Istanbul. "Meine Nation und mein Volk können sich sicher sein: Wir werden die Geißel des Terrorismus bis zum Ende bekämpfen."

Zu den Anschlägen hat sich eine radikale Kurdengruppe bekannt. Die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) haben die Verantwortung für den Doppelanschlag von Samstagabend übernommen, meldet die Nachrichtenagentur Firat, die den kurdischen Rebellen nahesteht. Die TAK gilt als radikale Splittergruppe der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Erdoğan sagte kurzfristig einen Besuch in Kasachstan ab. Auch ausländische Politiker sind bestürzt über die Anschläge. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete sie als "furchtbaren Terrorakt". Die Türkei ist Mitglied der Allianz. Irans Außenamtssprecher Bahram Ghassemi sagte, Terroristen würden nur die Sprache der Gewalt kennen und sollten daher auch konsequent bekämpft werden. Sein Land sei traurig und besorgt wegen der Vorfälle - aber weiterhin bereit, im Rahmen einer regionalen und globalen Zusammenarbeit im Kampf gegen die Terroristen mitzuwirken, so der Sprecher laut Nachrichtenagentur ISNA.

Die deutsche Regierung teilte über Twitter mit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den " menschenverachtenden Terroranschlag" verurteile. Sie drücke der türkischen Bevölkerung und Präsident Erdoğan ihr Mitgefühl aus. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigt sich bestürzt: "Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden", sagte der SPD-Politiker.

Beşiktaş gilt als Arbeiterclub

In dem Stadion für 43.500 Zuschauer war das Erstligaspiel zwischen Beşiktaş Istanbul und Bursaspor ausgetragen worden. Für Beşiktaş spielt auch der deutsche Ex-Nationalspieler Andreas Beck. Nationalstürmer Mario Gomez hatte den Verein im Sommer verlassen und dies mit der "politischen Situation" in der Türkei begründet.

Beşiktaş Istanbul ist der amtierende türkische Fußball-Meister und gilt als Arbeiterclub, viele seiner Anhänger sind regierungskritisch. Vor allem der Beşiktaş-Fanclub "Carsi" spielte während der Gezi-Proteste in Istanbul im Sommer 2013 eine wichtige Rolle. 35 Mitglieder des Clubs mussten sich später wegen ihrer Rolle bei den Protesten vor Gericht verantworten. Ihnen wurde die Bildung einer terroristischen Vereinigung und der versuchte Sturz der Regierung vorgeworfen. Alle 35 wurden jedoch freigesprochen. Der Club aus Bursa hingegen hat eine der größten Fangruppen im türkischen Fußball.

"Besonders perfide ist: Diese Taten sollten so viele Menschen wie möglich treffen", sagte Außenminister Steinmeier hinzu. Die Tat habe sich sowohl gegen die Polizei als auch gegen "eine sportbegeisterte Gesellschaft" gerichtet, die nach den Attentaten der vergangenen Monate zur Normalität zurückfinden wolle. Von Normalität scheint die Türkei jedoch so entfernt wie je. Präsident Erdoğan kündigte bereits an: Die Attentäter würden "einen hohen Preis zahlen" müssen.

© SZ.de/dpa/Afp/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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