Istanbul:Erdoğan verteilt Bargeld vor dem Wahllokal

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In seiner linken Hand hält Recep Tayyip Erdoğan einen Schein. Videos in sozialen Medien zeigen, wie er vor dem Wahllokal Geld verteilt. (Foto: Shady Alassar/Imago/Zuma Wire)

In einer Demokratie eigentlich undenkbar: Aufnahmen zeigen, wie der amtierende Präsident am Sonntag Scheine an seine Anhänger verschenkt.

Nach Schließung der Wahllokale in der Türkei dauert es knapp sechs Stunden, bis die oberste Wahlbehörde gegen 21.40 Uhr deutscher Zeit das vorläufige Endergebnis mitteilt: 52,14 gegen 47,86 Prozent. Recep Tayyip Erdoğan ist erneut der Sieger. Er hat die Präsidentschaftswahl gegen seinen Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu gewonnen.

In sozialen Medien kursierten Aufnahmen, die Erdoğan am Nachmittag vor einem Wahllokal in Istanbul beim Verteilen von Geldscheinen zeigten. In dem Video ist Erdoğan von einer größeren Menschenmenge umringt, offensichtlich begeisterte Anhänger des Präsidenten. Einige filmen mit ihren Smartphones.

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Dass der Präsident hierzulande mehr Zustimmung genießt als in der Türkei, hat Tradition. Mit Autokorsos, etwa in Duisburg und München, feiern die Erdoğan-Anhänger das Wahlergebnis.

Mehrmals zieht Erdoğan einen 200-Lira-Schein aus seiner Hosentasche und übergibt ihn an einen der Anhänger. Ein Vorgang, der in demokratisch regierten Staaten undenkbar wäre - Erdoğan hingegen hat auch bereits bei früheren Gelegenheiten Bargeld-Geschenke gemacht.

Der 200-Lira-Schein, die Banknote mit dem höchsten Wert in der Türkei - ist umgerechnet nicht einmal zehn Euro wert. Noch 2015 entsprachen 3,20 Lira einem Euro, seitdem ist der Wert der türkischen Währung dramatisch gefallen. Die Inflation lag im vergangenen Jahr bei 85 Prozent. Kurz vor der Stichwahl ist die Lira im Vergleich mit Euro und US-Dollar erneut abgesackt.

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Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl vor zwei Wochen hatte der Amtsinhaber die absolute Mehrheit knapp verpasst. Er trat nun in einer Stichwahl gegen Oppositionsführer Kılıçdaroğlu an. Etwa 61 Millionen Menschen waren zur Abstimmung aufgerufen. Der Wahlkampf galt als unfair, weil dem Amtsinhaber in den größtenteils staatlich kontrollierten Medien viel mehr Platz eingeräumt wurde, um seine Botschaften ans Volk zu bringen. Noch bevor die Wahllokale in der Türkei geschlossen hatten, berichteten Oppositionspolitiker über Angriffe auf Wahlbeobachter.

Ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP, Ali Seker, berichtete, dass er und ein Wahlhelfer in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa von einer Gruppe angegriffen worden seien, nachdem sie Unregelmäßigkeiten bei der Wahl beanstandet hatten. Der CHP-Fraktionsvorsitzende Özgür Özel hatte zuvor auf Twitter geschrieben, dass Wahlbeobachter geschlagen und ihre Telefone kaputt gemacht worden seien. Es gebe nicht genügend Sicherheitspersonal, klagte er.

Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu gibt seine Stimme in einem Wahllokal in Ankara ab. (Foto: Ugur Yildirim/dpa)

Mehrere Medien berichteten außerdem über Vorfälle in Istanbul. Demnach sollen in zwei Bezirken Wahlhelfer angegriffen worden sein. In einem anderen Bezirk seien Anwälte nicht in die Wahllokale gelassen worden. Unabhängig überprüft werden können diese Aussagen nicht.

Als der Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu seine Stimme in der türkischen Hauptstadt Ankara abgab, sagte er: "Diese Wahl findet unter sehr schweren Bedingungen statt." Die Opposition sei diffamiert worden.

© SZ/dpa/Reuters/amh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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