Ach, allein diese Sprache. Ob über die kulturelle Fülle Mitteleuropas, ob über die deutsch-tschechischen Beziehungen, was immer, František Černý fesselte mit seinem Parlando, dem so reichen, in seiner konkurrenzlosen Schönheit leider ausgestorbenen Pragerdeutsch. Černý, 1931 in Prag geboren, war Diplomat, Versöhner, Weiser, großer Ironiker. Er hatte das Talent, Differenzen und Konflikte zu benennen, ohne den Eklat zu provozieren.
Er war Enthusiast und Skeptiker zugleich. Das befähigte ihn, mit amüsanter Überredung, mehr noch aber mit zäher Überzeugungsarbeit die deutsch-tschechischen Belange aus dem Frost der Neunzigerjahre in die Problemlosigkeit von heute zu führen. Als Gesandter der Tschechischen Republik mit Sitz in Berlin, dann als Botschafter von 1998 bis 2001 in Bonn und Berlin, galt er als der luzide Intellektuelle im diplomatischen Korps. Um ihn riss man sich.
Berufsverbot am Ende des Prager Frühlings. Dann Botschafter des freien Landes
Von den Kommunisten stets beargwöhnt, studierte er zugleich Germanistik und Bohemistik. Er war 1963 bei der legendären Kafka-Konferenz auf Schloss Liblice dabei, dem Urimpuls für die Reformen des Prager Frühlings, erhielt als Rundfunkredakteur 1968 nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen Berufsverbot. Die bleierne Zeit fristete er als Deutschlehrer und Übersetzer. Nach der Wende bewog ihn sein Freund, Präsident Václav Havel, ins Diplomatenfach zu wechseln.
Zwangsherrschaft, Naziterror, Vertreibung, ideologischer Hass im Ost-West-Konflikt - Černý setzte unbeirrt auf Kultur und Geist Mitteleuropas, die düstere Geschichte raubte ihm den Glauben an eine bereichernde Koexistenz nicht. Er war einer jener hinter der lange unterschätzten deutsch-tschechischen Erklärung von 1997, die auf gegenseitige Auf- und Abrechnung verzichtete, und so den Weg wies, die Zukunft nicht mit bitteren Details zu verstellen. Černý vermittelte seinen Landsleuten sogar, die als Speerspitze des Revisionismus gefürchtete Sudetendeutsche Landsmannschaft nicht nur als Feind zu sehen, sondern als Lobby ihrer selbst mit der Liebe zu den Böhmischen Ländern und ihrer Kultur als Gemeinsamkeit.
Erster tschechischer Geschäftsführer des 1997 gegründeten Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds war Tomáš Kafka, ein Ziehsohn Černýs. Kafka, heute Prags Botschafter in Berlin, erinnert an eine Würdigung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: František Černý sei einer, der nicht nur "den Deutschen die Perspektiven und Eigenheiten der Tschechen, das Selbstbewusstsein, die Traumata, aber auch den Stolz Mitteleuropas vermitteln konnte, sondern auch unermüdlich in Tschechien um das Verständnis und für Vertrauen in die Deutschen und das wiedervereinte Deutschland geworben" habe.
Auch auf Černýs Initiative entstand das Literaturhaus deutschsprachiger Autoren in Prag, die institutionalisierte Rückkehr des dort einst so präsenten Idioms - ein weiterer Ankerplatz für die europäische Zuversicht eines Mannes, der ein epochemachendes Versöhnungswerk entscheidend mitbetrieben hat. František Černý starb am Freitag mit 92 Jahren in Prag.