US-Truppen in Syrien:Trump kann machen, was er will

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Trump im Repräsentantenhaus während seiner ersten "Rede zur Lage der Nation". Dass der US-Präsident den Militäreinsatz in Syrien so schnell wie möglich beenden wollte, war seit Langem bekannt. (Foto: dpa)
  • Das Weiße Haus verteidigt formal die Entscheidung Präsident Trumps, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen.
  • Allerdings ist das außenpolitische Establishment in Washington mit der Entscheidung nicht einverstanden.
  • Viele Experten halten den Rückzug der US-Truppen aus Syrien für ein Geschenk an das brutale Regime von Diktator al-Assad und dessen Verbündete.

Von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump kann machen, was er will - das war im Kern die Erklärung des Weißen Hauses zu dem überraschenden Rückzug der US-Bodentruppen aus Syrien. "Der Präsident ist befugt, diese Entscheidung zu treffen, und er hat sie getroffen", sagte ein ranghoher Regierungsmitarbeiter am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. "Es geht hier darum - der Präsident hat eine Entscheidung getroffen", bekräftigte er etwas später erneut. "Dazu hat er das Recht." Und damit das auch wirklich jeder versteht, sagte der Mann aus dem Weißen Haus es dann noch ein drittes Mal: "Ich glaube, es ist völlig gerechtfertigt, dass der Präsident zu dem Schluss kommt, die Mission sei erfüllt, und dann diese Entscheidung trifft."

Das war freilich eine rein formelle Verteidigung. Dass Trump als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte das Recht hat, über deren Einsätze zu befinden, stand am Mittwoch überhaupt nicht zur Debatte. Es ging um ganz andere Fragen: Wie ist Trump zu der Entscheidung gekommen? Warum traf er sie so plötzlich an diesem Dienstag? Und vor allem: Ist es die richtige Entscheidung?

Die letzte Frage wird praktisch vom gesamten außenpolitischen Establishment in Washington verneint. Trump zufolge war der einzige Zweck des US-Einsatzes in Syrien, das "Kalifat" der Terrorgruppe "Islamischer Staat" zu zerschlagen, dem IS also das von ihm besetzte Gebiet wieder zu entreißen. Das sei gelungen, der IS sei besiegt, twitterte Trump am Mittwoch. Deswegen: Abzug.

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Experten halten den Rückzug der US-Truppen als Geschenk an Assad

Viele Experte sehen das anders. Sie halten den Rückzug der US-Truppen aus Syrien für ein Geschenk an das brutale Regime von Diktator Baschar al-Assad und dessen kaum weniger brutale Verbündete Russland und Iran. Vizepräsident Mike Pence wurde am Mittwoch von wütenden republikanischen Senatoren ins Kapitol bestellt, um Trumps Entscheidung zu erklären. Der Abzug sei "ein großer Fehler", erhöhe die Gefahr eines iranisch-israelischen Kriegs und gefährde Amerikas Ruf als verlässlicher Partner, kritisierte zum Beispiel Senator Marco Rubio. Ähnlich äußerten sich etliche seiner Kollegen.

Was die Senatoren ebenfalls außerordentlich erboste, war die Tatsache, dass Trump sie nicht informiert hatte. Sie erfuhren von dem Abzugsbefehl aus den Nachrichten. Das wiederum führt zur ersten Frage: Wie ist Trump überhaupt zu der Entscheidung gekommen?

Nach allem, was bisher bekannt ist, lautet die Antwort: Jedenfalls nicht dadurch, dass er auf seine außen- und sicherheitspolitischen Berater gehört hätte. Sowohl Amerikas höchstrangiger Soldat, der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs, General Joseph Dunford, als auch Außenminister Mike Pompeo, Trumps Sicherheitsberater John Bolton und diverse andere amerikanische Diplomaten, die sich mit Syrien befassen, sind gegen den Abzug. Ebenso Verteidigungsminister James Mattis, der wegen der Syrien-Entscheidung mittlerweile seinen Rücktritt angekündigt hat. Sie wollen nicht Teheran und Moskau das Feld überlassen oder dem IS Gelegenheit geben, sich neu zu formieren. Ähnlicher Ansicht sind die europäischen und arabischen Länder, die bisher mit den USA in der Koalition gegen den IS gekämpft haben. Auch sie wurden über Trumps Entscheidung allenfalls informiert, aber nicht vorher konsultiert.

Trump hat den Kampf gegen den IS durchaus unterstützt

Insofern sieht es so aus, als habe Donald Trump nur eine Person um Rat gefragt: Donald Trump. Und dass Donald Trump den Militäreinsatz in Syrien so schnell wie möglich beenden wollte, war seit Langem bekannt. Trump hat den Kampf gegen den IS durchaus unterstützt, zumindest solange dieser über ein "Kalifat" herrschte. Aber der US-Präsident hatte nie die Absicht, sich dadurch in den syrischen Bürgerkrieg verwickeln zu lassen oder dort auf Dauer amerikanische Truppen einzusetzen. In dieser Hinsicht hatte der Mitarbeiter im Weißen Haus, der am Mittwoch mit der Presse sprach, völlig recht: "Was der Präsident denkt, war bekannt. Ich halte die Entscheidung nicht für eine Überraschung."

Zu der Frage, warum Trump seine Entscheidung ausgerechnet jetzt getroffen hat, gibt es mehrere Theorien. Erstens: Er wollte der Türkei einen Gefallen tun. Ankara will die US-Soldaten in Nordsyrien aus dem Weg haben, um militärisch gegen die dortigen Kurden vorgehen zu können. Zugleich will Trump, dass die Türkei aufhört, Druck auf Saudi-Arabien wegen des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi zu machen. Und schließlich kauft Ankara von den USA moderne Flugabwehrraketen. Unterm Strich sind das genügend Gründe für Trump, etwas zu tun, was er ohnehin tun möchte.

Die zweite Theorie hat mit der Innenpolitik zu tun. Der Abzug ist bei Trumps Kernwählern und konservativen Kommentatoren sehr beliebt. Sie wollen nicht, dass Amerika den Weltpolizisten spielt. Dass Trump es nicht schafft, dem Kongress genügend Geld für den Bau der versprochenen Grenzmauer abzutrotzen, hat in diesen Kreisen in den vergangenen Tagen zu Enttäuschung und harter Kritik am Präsidenten geführt. Ein bisschen Ablenkung kommt Trump daher sehr zupass.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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