Demokratie in den USA:Wie das Repräsentantenhaus Trump zu fassen bekommt

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Die Urteilskraft des Systems hat beim US-Präsidenten bisher versagt. Nach dem Urteil gegen seinen früheren Anwalt Cohen könnte es ihm an den Kragen gehen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Juristisch betrachtet ist es ein Phänomen, wie elegant sich Donald Trump aus dem Schatten seiner Vergangenheit lösen konnte. Tag um Tag nutzt er das Rampenlicht der Präsidentschaft, um den Geschichten von früher zu entkommen und der Schwerkraft des Rechts zu trotzen. Trump ist der erste US-Präsident der modernen Geschichte, dessen Vorleben bis heute nicht hinreichend durchleuchtet wurde, dessen Finanzgebaren als Geschäftsmann bis hin zu seinem Verhalten als Steuerzahler zwielichtig bleibt, und dem selbst Verbindungen zum mafiösen Milieu nichts anhaben können. Die moralische und politische Urteilskraft des Systems hat bei diesem Mann zum großen Teil versagt. Bisher.

Charakterschwächen und persönliche Verfehlungen werden in der amerikanischen Demokratie im Auswahlprozess erkannt und gnadenlos bestraft. Das jedenfalls war die Norm - bis der heutige US-Präsident kam. Die Einzigartigkeit des Typs Trump und seines Aufstiegs in der Republikanischen Partei, die polarisierende Rolle seiner Gegnerin Hillary Clinton im Wahlkampf und die Spaltung der Gesellschaft haben es Trump erlaubt, dem Tauglichkeitsradar der Politik zu entgehen. Seit mehr als drei Jahren gilt er als politisch unverwundbar. Die von ihm aufgebaute Mythenwelt hilft, Gefolgsleute mitzunehmen in ein Reich aus Lügen. Mit Lügen hat Trump einen Schutzraum für sich geschaffen, eine Parallelwelt, in der Recht und Gesetz nicht gelten.

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Diese Parallelwelt mag in der Politik funktionieren, ihre Statik mag dank einer polarisierten Gesellschaft stabil erscheinen. Doch in ihr gibt es kein eigenes Recht und kein eigenes Gesetz. Die USA mögen wie alle Demokratien unfertig sein, aber das Land ruht auf der ältesten Verfassung der Welt, es praktiziert seit 250 Jahren die Gewaltenteilung und gibt sich mit Inbrunst der Aufarbeitung von Unrecht hin - im gesellschaftlichen Verständnis des mutigen Richters, des bissigen Staatsanwalts, des einsamen Ermittlers. Hollywood lebt von diesem Sujet. In der Fantasiewelt Trumps aber hat es keinen Platz.

Trump hat einen Richter für das Oberste Gericht bestellt, aber über die Rechtsprechung gebietet er nicht. Michael Cohen, sein früherer Anwalt und Vertrauter für Schweinereien aller Art, ein Manipulator aus Trumps Vor-Präsidentschaft, musste das nun bitter erfahren. Drei Jahre lang muss er büßen, dass er mit Zahlungen zur Vertuschung seiner Affären mit zwei Frauen den Wahlkampf manipuliert, Steuern hinterzogen und den Kongress angelogen hat.

Abgesehen davon, dass die Ermittlungen den schmierigen Charakter Trumps durchleuchteten, liegt ihr - vermutlich - größter Wert noch im Verborgenen. Gerichtsakten lassen nicht nur den Schluss zu, dass Cohen Trumps halbseidene Lebenswelt in Schach hielt. Sondern sie zeigen auch, dass Sonderermittler Robert Mueller "relevante und nützliche Informationen" erhielt über das Geschäftsgebaren des Präsidentschaftskandidaten mit Russland, über Russland-Kontakte während des Wahlkampfes und über mögliche finanzielle Abhängigkeiten.

Wenn sich Amerikas politische Klasse einen Funken Anstand und Seriosität bewahrt hat, dann muss das Cohen-Urteil Anlass zum Alarm geben. Es ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen des Schmierentheaters, das Trump aufgebaut hat - vermutlich vor allem, um sich vor ähnlichen juristischen Untersuchungen zu schützen, wie sie nun Cohen zum Verhängnis wurden.

Weil Trump Präsident ist, wird jede Ermittlung in seiner Vergangenheit zum politischen Akt. Mueller hat eine geradezu phänomenale Geschicklichkeit bewiesen, seine Erkundungen zu tarnen und dem öffentlichen Interesse zu entziehen. Nach dem Cohen-Urteil wird diese Strategie nicht mehr lange durchzuhalten sein. Das muss sie auch nicht. Vom 3. Januar an bietet die neue Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus politischen Schutz. Den braucht Robert Mueller dann, weil seine Untersuchungen gegen den Präsidenten ein nicht zu überbietendes Politikum abgeben.

Um den Teflon-Präsidenten zu fassen zu bekommen, muss die Opposition zwingend zwei Grundsätze einhalten, die auch Mueller eisern beherzigt hat. Erstens: kein Schaum, kein Zorn, keine Maßlosigkeit. Allein die scharfe Klinge des Rechts hilft gegen Trump. Wer dem Mann eine politische Angriffsfläche bietet, wird zermalmt. Zweitens: Weniger ist oft mehr. Schon jetzt hat die bedächtige Beharrlichkeit Muellers den Präsidenten Personal und vor allem Nerven gekostet. Trump ist am Ende selbst sein größter Gegner. Seine Widersprüche in der Sex-Saga versteht man in jedem Coffeeshop. Das lässt die politische Basis erodieren.

Das Repräsentantenhaus kann eine eigene Russland-Ermittlung starten, es kann Steuererklärungen einsehen und das Finanzverhalten untersuchen. Irgendwann werden sich die Ermittlungswege kreuzen. Ob es dann ein Amtsenthebungsverfahren braucht, ist fast zweitrangig.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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