Impeachment:Trumps Seite der Wahrheit

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Trump-Anwalt Michael van der Veen findet, sein Mandant habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. (Foto: dpa)

Im Impeachment-Verfahren gegen den vormaligen US-Präsidenten Donald Trump war der Freitag der Tag der Verteidigung. Die entscheidende Frage bleibt: Trägt Trump unmittelbar Schuld am Sturm auf das Kapitol?

Von Christian Zaschke, New York

Diesmal dürfte es dem früheren Präsidenten Donald Trump gefallen haben, was er im Fernsehen sah. Der Freitag war der Tag der Verteidigung im Impeachment-Prozess gegen ihn, den die Demokraten angestrengt hatten, weil sie Trump beschuldigen, den Mob aufgestachelt zu haben, der am 6. Januar randalierend ins Kongressgebäude eingedrungen war. Diesmal traten seine Verteidiger anders als zu Beginn des Verfahrens am Dienstag mit Entschlossenheit auf. Besonders Anwalt Michael van der Veen machte deutlich, was seiner Ansicht nach von dem ganzen Vorgang zu halten sei: "Es ist eine absurde und monströse Lüge", sagte er.

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16 Stunden hätten Trumps Verteidigern im Senat zugestanden. Sie nutzten lediglich knapp drei Stunden und konzentrierten sich auf wenige Punkte. Erstens, argumentierten sie, fielen Trumps sämtliche Reden über seinen vermeintlich gestohlenen Wahlsieg unter das Recht auf freie Meinungsäußerung. Auch robuste und aussagekräftige Reden müssten von der Verfassung geschützt werden, argumentierte Anwalt van der Veen. Zweitens sei das Verfahren ohnehin verfassungswidrig, weil es nicht möglich sei, ein Impeachment gegen einen Präsidenten anzustrengen, der nicht mehr im Amt sei. Drittens lasse sich kein Zusammenhang herstellen zwischen Trumps Reden und dem Sturm auf das Kapitol, in dessen Folge fünf Menschen ums Leben kamen.

Alle drei Punkte wurden mit Verve vorgetragen, und alle drei Punkte sind umstritten. Viele Rechtswissenschaftler bezweifeln, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung auch Aussagen eines Präsidenten einschließt, die sich als Aufruf zur Gewalt verstehen lassen. 144 auf dieses Thema spezialisierte Juristen hatten in der vergangenen Woche einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie die Ansicht äußerten, es sei "juristisch unseriös" zu argumentieren, dass Trumps Aussagen vom ersten Zusatzartikel der US-Verfassung gedeckt seien, der das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. Trumps Anwalt van der Veen nannte diese Juristen "parteiisch", obwohl sie von beiden Seiten des politischen Spektrums kommen.

Zur Frage, ob es möglich ist, ein Impeachment-Verfahren gegen einen früheren Präsidenten zu führen, gibt es unterschiedliche Ansichten. Van der Veen rief den Senatorinnen und Senatoren zu, dass diese Möglichkeit aus gutem Grund nicht in der Verfassung erwähnt sei: Weil die Gründerväter der USA das explizit nicht gewollt hätten.

Der letztlich entscheidende Punkt ist jedoch, ob es einen nachweislich direkten Zusammenhang zwischen Trumps Äußerungen und Tweets und dem Sturm aufs Kapitol gibt. Strafrechtlich dürfte das kaum zu beweisen sein. Aber ein Impeachment-Verfahren ist kein strafrechtlicher Prozess. Die demokratischen Ankläger setzen deshalb darauf, dass der Zusammenhang auch für Laien offensichtlich sei. Dass der Marsch aufs Kapitol ohne Trumps Wüten, ohne seine Reden und Tweets niemals passiert wäre. Rein rechtlich stehen sie damit auf unsicherem Grund.

Auch Republikaner haben wenig Zweifel an Trumps Mitschuld

Einerseits hat Trump seit seiner Niederlage am 3. November ununterbrochen verkündet, er sei in Wahrheit Sieger der Wahl, und er hat seine Anhänger zum Kampf aufgefordert. Er hat sie explizit für den 6. Januar nach Washington beordert, an dem Tag also, an dem der Kongress seine Niederlage auch offiziell feststellen sollte. Andererseits hat er an jenem 6. Januar auch gesagt, sie sollten "friedlich und patriotisch" zum Kapitol ziehen und protestieren. Diesen Satz hatten die Demokraten in ihrer Anklage ausgelassen.

Dennoch besteht auch bei vielen Republikanern kein Zweifel daran, dass Trump eine Mitschuld an den Ereignissen trägt. Noch während die Randalierer bereits ins Kapitol eingedrungen waren, attackierte er seinen damaligen Vizepräsidenten Mike Pence auf Twitter, was dazu führte, dass Teile des Mobs skandierten, man solle Pence hängen. Den republikanischen Vizepräsidenten, wohlgemerkt, der Trump vier Jahre lang treu gedient hatte.

Pence habe nicht den Mut gehabt, die Verfassung zu schützen, twitterte Trump, während im Kapitol Scheiben zu Bruch gingen, Polizisten attackiert wurden und Schüsse fielen. Und wie so oft bei Trump war das Gegenteil dessen, was er schrieb, die Wahrheit: Pence hatte den Mut, sich an das Wort der Verfassung zu halten und das Wahlergebnis anzuerkennen.

Da Trumps Anwälte sich so viel kürzer als erwartet gefasst haben, konnte die nach den Präsentationen von Anklage und Verteidigung angesetzte Fragerunde der Senatorinnen und Senatoren bereits am Freitag begonnen und beendet werden. Das bedeutet, dass das Verfahren de facto an sein Ende gelangt ist und nun lediglich noch die finale Abstimmung ansteht. Diese ist für diesen Samstag vorgesehen.

Für eine Verurteilung Trumps braucht es eine Zweidrittelmehrheit im hundertköpfigen Senat. Dieser ist derzeit zu exakt gleichen Teilen mit republikanischen und demokratischen Politikerinnen und Politikern besetzt. Es gilt als ausgeschlossen, dass sich 17 Republikaner finden, die mit den Demokraten stimmen.

Aller Voraussicht nach läuft es also so: Am späteren Samstag spricht eine Mehrheit des Senats Trump schuldig, allerdings eine zu kleine Mehrheit, sodass er als unschuldig gilt. Anschließend verabschieden sich die Volksvertreter aus Washington, teils, um in ihren Heimatstaaten zu arbeiten, teils, um durchzuschnaufen nach diesen intensiven Tagen, denn der Senat hat in der kommenden Woche sitzungsfrei.

Donald Trump hat das alles aus seinem Golfklub in Florida beobachtet. Er ist während des Verfahrens nicht einmal in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten. Als ziemlich wahrscheinlich gilt jedoch, dass er sich nach seinem Freispruch wieder zu Wort meldet, um seiner Basis und vor allem seiner Partei zu versichern, dass es immer noch er ist, der bei den Republikanern das Sagen hat.

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