Vorwurf der Wahlmanipulation:Was es mit der Anklage gegen Trump auf sich hat

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"Unehrlichkeit, Betrug und Täuschung" wirft die jüngste Anklageschrift Donald Trump vor. (Foto: Angela Weiss/afp)

Was wird dem früheren US-Präsidenten vorgeworfen? Wie sind die Reaktionen auf die Anklageschrift des Sonderermittlers? Und wie geht es weiter? Ein Überblick in sechs Fragen und Antworten.

Von Oliver Klasen

Die Begriffe historisch oder beispiellos sind schon oft bemüht worden, wenn von Donald Trump und seinen Gerichtsverfahren gesprochen wurde. Eine Fülle juristischer Verwicklungen, bei deren Umfang allenfalls der kürzlich verstorbene italienische Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi mithalten konnte - der Trump im Übrigen nicht unähnlich war, bei seiner Fähigkeit, dennoch aus all dem politisch Kapital zu schlagen.

Trump war der erste ehemalige Präsident, der angeklagt wurde. Das war im März. Dabei ging es um Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin. Verglichen mit den Vorwürfen, die jetzt zur Anklage kommen, fast eine Lappalie. Diesmal stehen mutmaßliche Straftaten im Raum, die Trump im Amt begangen haben soll: Betrug, Täuschung, Wahlbeeinflussung, Aufstachelung zur Gewalt. Im Falle einer Verurteilung droht ihm langjährige Haft. Auf 45 Seiten hat Sonderermittler Jack Smith die Vorwürfe gegen den 77-jährigen Ex-Präsidenten zusammengetragen und am Dienstag veröffentlicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall.

Wie lauten die Vorwürfe gegen Trump?

Es gibt mehrere Anklagepunkte gegen den Ex-Präsidenten: Trump habe eine Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten begangen, denn er habe mit "Unehrlichkeit, Betrug und Täuschung" die Auszählung des Resultats der Präsidentschaftswahlen zu hintertreiben versucht. "Obwohl er verloren hatte, war er fest entschlossen, an der Macht zu bleiben", heißt es in der Anklageschrift.

Trump habe sich sechs - in der Anklage nicht namentlich genannte - Mitverschwörer gesucht, die ihm helfen sollten, "die rechtmäßige Wahl zu torpedieren und wieder an die Macht zu kommen". Es handelt sich um vier Anwälte, einen Mitarbeiter der US-Justiz und einen politischen Berater. Weiterhin habe der abgewählte Präsident versucht, die Kongresssitzung vom 6. Januar 2021 zu behindern, in der die Wahl von Joe Biden durch das Parlament bestätigt wurde. Schließlich habe Trump das Recht der Amerikaner verletzt, dass ihre Stimme gezählt wird.

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In einem 45 Seiten starken Dossier erhebt Sonderermittler Jack Smith die bisher schwerwiegendsten Vorwürfe gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump. Erstmals geht es um Straftaten, die er während seiner Amtszeit begangen haben soll.

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Was sind die Hintergründe des Falls?

Der Republikaner Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Biden verloren. Er gestand seine Niederlage aber nie ein, sondern verbreitet seitdem hartnäckig unbelegte Behauptungen und Lügen, wonach er durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden sei. Trump und sein Umfeld versuchten damals auf diversen Kanälen, das Ergebnis nachträglich zu kippen - mit Klagen, aber auch mit Druck auf Entscheidungsträger auf Bundesebene und in mehreren Bundesstaaten.

Trumps Feldzug gipfelte schließlich am 6. Januar 2021 in einem beispiellosen Gewaltausbruch: An jenem Tag erstürmten Anhänger des Republikaners den Sitz des US-Kongresses, drangen in das Gebäude ein, zerstörten Mobiliar und griffen Sicherheitskräfte an. Fünf Menschen kamen im Zuge der Krawalle ums Leben. Trump hatte seine Unterstützer in einer Rede kurz zuvor einmal mehr angestachelt.

Politisch waren die Ereignisse vom 6. Januar 2021 bereits Gegenstand eines Amtsenthebungsverfahrens im Kongress. Trump wurde dabei wegen "Anstiftung zum Aufruhr" angeklagt, die für eine Verurteilung nötige Zweidrittelmehrheit im Senat kam jedoch nicht zustande. Außerdem beschäftigte sich noch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Fall. Dieser stellte im Abschlussbericht mehrere Vergehen des Ex-Präsidenten fest und empfahl dem Justizministerium, gegen Trump vorzugehen.

Das US-Justizministerium wiederum setzte im November Jack Smith als Sonderermittler ein. Sein Team trug über Monate Beweise gegen Trump zusammen und legte diese einem Geschworenen-Gremium vor. Die sogenannte Grand Jury stimmte nun dafür, Trump anzuklagen.

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Was sind die Reaktionen auf die Anklage?

Trump streitet alle Vorwürfe ab. Auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social schrieb der Ex-Präsident, die Strafverfolgung sei "gesetzlos" und erinnere an Nazideutschland in den 1930er-Jahren und an die Sowjetunion.

Sein ärgster parteiinterner Rivale, Ron DeSantis, unterstützt Trump in dieser Angelegenheit und schrieb: "Als Präsident werde ich beenden, dass die Regierungsmacht als Waffe eingesetzt wird." Mehrere andere Republikaner hingegen distanzierten sich. "Wer sich über die Verfassung stellt, sollte nie Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein", schrieb etwa sein früherer Vize Mike Pence.

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Wie geht es nun weiter?

Am Donnerstag soll Trump vor einem Gericht in Washington erscheinen, dort wird die Anklage gegen ihn verlesen. Zwar strebt Sonderermittler Smith ein "zügiges Verfahren" an, wie er bei einer Pressekonferenz sagte. Es könnte jedoch lange dauern, bis es zu einem Prozess kommt. Üblicherweise gibt es vorher eine oder mehrere Anhörungen, bei denen Termine festgesetzt und Verfahrensfragen geklärt werden. Die Anwälte beider Seiten haben auch die Möglichkeit, Anträge zu stellen.

Welche Auswirkungen hat die Sache auf Trumps politische Karriere?

Trump will als Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2024 antreten - koste es, was es wolle - und es sieht derzeit gut für ihn aus. Im Feld der möglichen republikanischen Bewerber liegt er mit großem Abstand vorne. Erst vor einigen Tagen veröffentlichte die New York Times eine Umfrage, der zufolge 54 Prozent der Anhänger der Republikaner ihn favorisieren - das ist ein Wert, der höher ist als für alle anderen Bewerber zusammen.

Trump, das wurde schon in den vergangenen Tagen erkennbar, nutzt die diversen gegen ihn anhängigen Verfahren, um in der Öffentlichkeit eine Ich-gegen-"die"-Inszenierung aufzuführen, wobei er mit "die" demokratisch gesinnte Richter, vermeintlich linksradikale Medien sowie die Biden-Regierung meint, die ihn mit allen Tricks von der ihm eigentlich zustehenden Macht fernhalten wollen.

Doch selbst wenn Trump vor der Wahl in einem Gerichtsverfahren verurteilt wird, verhindert das weder seine Kandidatur noch seine mögliche Wahl. Die US-Verfassung kennt keine Möglichkeiten, einen kriminellen Kandidaten von vornherein von einem politischen Amt fernzuhalten. Anders ist es zum Beispiel in Deutschland: Hier verliert ein Kandidat das passive Wahlrecht, wenn er wegen eines Verbrechens - das sind alle Straftaten, die mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe vorsehen - auch tatsächlich verurteilt worden ist.

In der US-Verfassung sind nur drei unumstößliche Voraussetzungen für eine Präsidentschaftskandidatur genannt. Bewerberinnen und Bewerber müssen mindestens 35 Jahre alt sein, seit 14 Jahren im Land leben und natural-born Americans, also in den USA geboren sein.

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Es ist schwer, den Überblick zu behalten, bei all den juristischen Verstrickungen, die es um Donald Trump gibt. Neben dem Fall im Zusammenhang mit der Wahl 2020 und der Kapitol-Erstürmung gibt es noch eine weitere Anklage auf Bundesebene, bei der ebenfalls Sonderermittler Jack Smith die Vorwürfe zusammenträgt. Es geht dabei um Geheimdokumente, die Trump nach seiner Amtszeit nicht wie vorgeschrieben an das Nationalarchiv gegeben, sondern in seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida gehortet hat.

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Im Juni wurde die Anklage in Miami verlesen, Trump plädierte auf "nicht schuldig". Ende Juli kamen neue Vorwürfe hinzu, die die Lage für Trump noch brisanter machen als ohnehin schon. Nun wird ihm zusätzlich zur Last gelegt, er habe dafür gesorgt, brisantes und möglicherweise Beweise enthaltendes Videomaterial verschwinden zu lassen. Der Prozess soll im Mai 2024 beginnen, also mitten im Wahlkampf.

Im Frühjahr wurde Trump außerdem im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York angeklagt. Der Prozess soll im März 2024 beginnen. Auch dieses Verfahren läuft also während des Wahlkampfes auf seinen Höhepunkt zu. In Georgia steht eine Untersuchung kurz vor dem Abschluss, möglicherweise wird Trump noch im August angeklagt. Der Vorwurf hier: Trump habe versucht, das Resultat der Präsidentschaftswahl 2020 in dem Bundesstaat mit illegalen Mitteln zu seinen Gunsten zu beeinflussen. So soll Trump zum Beispiel einen Minister gedrängt haben, die nötigen Stimmen für ihn "zu finden".

Doch das ist noch nicht alles. Hinzu kommen noch zwei Prozesskomplexe im Bundesstaat New York. In einem geht es um Unregelmäßigkeiten in Trumps Firmenimperium, in dem anderen um den Vorwurf, Trump habe die Autorin E. Jean Carroll im Jahr 1996 sexuell genötigt und sie später, als er bereits Präsident war, verleumdet. Im Falle der sexuellen Nötigung ist er bereits zu einer Schadenersatzzahlung von fünf Millionen Dollar verurteilt worden. Das Urteil ist allerdings noch nicht letztinstanzlich rechtskräftig.

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