Südostasien:Thailand wählt den Wechsel

Lesezeit: 3 min

Pita Limjaroenrat, Kandidat der Partei Move Forward, feiert auf der Wahlparty in Bangkok das Wahlergebnis. (Foto: Athit Perawongmetha/Reuters)

Die progressive "Move Forward"-Partei ist aus dem Stand stärkste Kraft im Land geworden. Wie viel Veränderung werden das Militär und die Königstreuen zulassen?

Von David Pfeifer, Bangkok

Als am Montag die Sonne in Bangkok aufgeht, scheint sie auf ein verändertes Land. Oder besser: auf eines, das sich verändern soll nach dem Willen der Wählerinnen und Wähler. Die progressive "Move Forward"-Partei hat die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen. Der erst 42-jährige Pita Limjaroenrat könnte der nächste Premierminister werden. Relativ knapp dahinter landete auf dem zweiten Platz die populistische "Pheu Thai"-Partei, mit ihrer sogar erst 36-jährigen Spitzenkandidatin Paethongtarn Shinawatra, die vor zwei Wochen Mutter geworden ist - auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs, während einer Rekord-Hitzewelle.

Die Menschen standen am Sonntag auch in der glühenden Sonne an, um ihre Stimme abzugeben. Es herrscht in Thailand quasi eine Wahlverpflichtung, man muss erklären, warum man nicht zur Wahl gehen kann oder an der Briefwahl teilnimmt, sonst droht ein Bußgeld. Doch selbst für diese Verhältnisse sind etwa 80 Prozent Beteiligung sehr hoch.

Alkoholverkauf war an den "Vorwahltagen", dem 6. und 13. Mai, ab 18 Uhr übrigens für 24 Stunden verboten, weswegen die Bars und Clubs an beiden Samstagen geschlossen blieben. Kiffen hingegen, seit Juni vergangenen Jahres mehr oder minder legal, durften die Menschen. Die politischen Traditionen in Thailand sind schwierig zu durchblicken.

Die Sieger müssen erst noch zusammenfinden - und brauchen einen oder zwei Partner

Nach der Auszählung fast aller Stimmen stand am Montag fest, dass Move Forward und Pheu Thai wohl 286 Sitze im 500 Mitglieder zählenden Parlament gewonnen haben. Beide Parteien hatten sich klar gegen die Militärregierung positioniert, die Thailand seit dem jüngsten Putsch im Jahr 2014 regiert. "Thailands Opposition zerstört die militärischen Parteien" titelte der Sender "Channel News Asia" folgerichtig.

Doch die Generäle haben vorgesorgt: Nach dem Putsch im Jahr 2014 wurden die Wahlregeln zugunsten des Militärs verzerrt. So wurde beispielsweise ein Senat besetzt, der den 500 Sitzen im Repräsentantenhaus noch mal 250 Sitze entgegensetzt, die über den Premierminister und damit über die Regierungsbildung mitbestimmen. Ein aussichtsreicher Kandidat benötigt also mindestens 376 Stimmen, um Premierminister zu werden und eine Regierung zu bilden.

Noch spannender als die Wahl wird nun also die Zeit danach und die Frage, wie viel Veränderung das konservative Establishment zulassen wird.

Auch die beiden Siegerparteien müssen erst noch zusammenfinden. Die Move Forward trat zum ersten Mal überhaupt bei einer Wahl an, sie ging aus der "Future Forward"-Partei hervor, die bei den Wahlen im Jahr 2019 als dritte Kraft ins Parlament gewählt und dann unter fabrizierten Vorwürfen disqualifiziert wurde. Sie besteht zu großen Teilen aus politischen Neulingen, meistens akademisch gebildete, junge Menschen, sehr Social-Media-affin und mit einem großen Wunsch nach Veränderung. Die Partei machte aber auch bei den Älteren Werbung damit, dass Monopole abgeschafft und die erstarrten Institutionen im Land reformiert werden sollen. Das betrifft auch das Verbot, die Monarchie zu kritisieren.

Die Pheu Thai der Milliardärsfamilie Shinawatra war in den vergangenen 20 Jahren immer wieder der stärkste Gegenpol zu Militär und Königstreuen gewesen. Thaksin Shinawatra, Vater der gegenwärtigen Kandidatin der Partei, wurde 2006 durch einen Putsch aus seinem Amt als Premierminister gedrängt, seine Schwester Yingluck im Jahr 2014 - von der Junta, die seitdem regiert. Die Partei gilt aber mindestens als populistisch, auf jeden Fall jedoch eher wirtschaftsfreundlich, was in Thailand auch bedeutet: korrupt.

Schon bei den letzten Wahlen im Jahr 2019 hatte die später regierende Militär-Partei Palang Pracharat deutlich weniger Stimmen als Pheu Thai bekommen, doch der noch amtierende Premierminister Prayut Chan-o-cha, ein ehemaliger General, schusterte eine Koalition aus 19 Parteien zusammen, die ihn weitere vier Jahre im Amt hielt.

Um eine Regierung aufstellen zu können, müssen Move Forward und Pheu Thai also vermutlich noch einen dritten oder vierten Partner gewinnen, um den Senat zu überstimmen.

"Ich respektiere die Demokratie und die Wahlen", sagt der bisherige Premier

An dritter Stelle liegt nach der bisherigen Auszählung die Bhumjaithai-Partei, die die Kampagne zur Legalisierung von Marihuana in Thailand angeführt hat, wegen der seit vergangenem Jahr überall im Land Kiffer-Shops aus dem Boden schießen. Ihr Spitzenkandidat, Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul, ging in einem Hemd mit aufgedruckten Marihuana-Blättern zur Wahl. Seine Partei hat 70 Sitze errungen.

Die bisher regierende Palang-Pracharat-Partei, das politische Vehikel der Junta, hatte den 77-jährigen Ex-Offizier Prawit Wongsuwan ins Rennen geschickt - sie kam mit 40 Sitzen auf den vierten Platz. Die ebenfalls von der Armee unterstützte Partei United Thai Nation hatte den bisherigen Premierminister Prayut Chan-o-cha aufgestellt und landete mit 36 Sitzen auf dem fünften Platz. "Ich hoffe, dass das Land friedlich sein und gedeihen wird", sagte Prayut vor Reportern, als er die Parteizentrale am Sonntagabend verließ. "Ich respektiere die Demokratie und die Wahlen. Ich danke Ihnen."

Die Wahlkommission hat noch 60 Tage Zeit, um die Wahlergebnisse zu bestätigen. Es könnte also noch Wochen dauern, bis die thailändischen Wähler herausfinden, wer ihre neue Regierung anführen wird.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

"Es ist nun klar, dass die Move Forward Party die überwältigende Unterstützung der Menschen im ganzen Land erhalten hat", schrieb Pita Limjaroenrat am Montag auf Twitter. Die Frage ist nur, wie er das Militär an der Macht beteiligt, die ihm nun in die Hände gelegt wurde. Denn ganz ohne wird es vermutlich nicht gehen.

Beobachter gehen davon aus, dass Move Forward und Pheu Thai sich darauf verständigen könnten, dass sogar Prawit Wongsuwan zum Premierminister gekürt wird. Der 77-Jährige wäre ein Repräsentant der Vergangenheit, gilt aber als einer, der Gegensätze ausgleichen kann. Das müsste er zumindest tun, bis im kommenden Jahr ein neuer Senat besetzt wird.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusOpposition in Thailand
:Bier statt Generäle

Am 14. Mai wird in Thailand gewählt. Einer der auffälligsten Kandidaten ist Taopiphop Limjittrakorn, der für die progressive "Move Forward"-Partei kämpft. Und für Craft-Bier.

Von David Pfeifer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: