Landespolitik:"Ein Debakel fast mit Ansage": Berliner Grüne brechen Parteitag ab

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Im Aufbruch: Tanja Prinz, gescheiterte Kandidatin für den Landesvorsitz der Grünen in Berlin, verlässt die Landesdelegiertenkonferenz ihrer Partei. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Weil Tanja Prinz bei der Wahl zum Landesvorsitz dreimal durchfällt, stehen die Grünen vor einem Scherbenhaufen. Jetzt gelte es, einen Plan B zu finden, sagt Renate Künast.

Die Stimmung bei den Berliner Grünen ist gereizt. Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast hat den Landesparteitag als Debakel bezeichnet. Der Landesvorstand hatte ihn am Samstag abgebrochen, nachdem die einzige Kandidatin Tanja Prinz bei der Wahl zum Landesvorsitz in drei Wahlgängen durchgefallen war.

Es hätte einen Plan B gebraucht, sagte sie der RBB-"Abendschau" mit Blick auf den Abbruch des Parteitags. Es sei ein "Debakel fast mit Ansage" gewesen. Jetzt müsse man "diesen Plan B finden", sagte Künast, "also eine Kandidatin, die breit vom Realo-Flügel getragen wird". Am Mittwoch soll der Parteitag fortgesetzt werden.

Künast kritisierte einen offenen Brief von neun Kreisverbänden, die sich gegen die Wahl von Prinz gestellt und Kritik an ihr und ihren Unterstützern geübt hatten. "So was gehört intern in die Debatten der Partei", sagte Künast. Die Umgangsformen zwischen Realos und Linken seien ein Problem, das kurzfristig nicht lösbar sei, sondern Monate dauern werde. "Die Aufgabe haben wir jetzt", sagte sie.

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Am Samstag hatte es schon nach dem zweiten Wahlgang eine Unterbrechung gegeben, in der sich Prinz mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern beriet, ob sie noch einmal antreten sollte. Im dritten Wahlgang erhielt Prinz dann 41 Ja-Stimmen bei 104 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Auf einen möglichen vierten Wahlgang verzichtete sie und verabschiedete sich gleich nach der Abstimmung kurz angebunden: "Vielen Dank, frohe Weihnachten!"

Der Landesverband wird laut Satzung von einer Doppelspitze geführt, zu der mindestens eine Frau gehören muss. Bisher sind das Philmon Ghirmai von der Parteilinken und Susanne Mertens vom Realo-Flügel. Sie bleiben im Amt, bis ein neuer Vorstand gewählt ist.

"Es ist eine Situation eingetreten, die sich niemand wünschen kann", sagte Ghirmai. Die Wahl des Landesvorstands dürfe nicht übers Knie gebrochen werden, begründete er den Antrag, den Parteitag zu unterbrechen. "Wir müssen reden." Timur Ohloff, ein Delegierter aus dem Kreisverband Mitte, kritisierte das Vorgehen. Es wäre besser gewesen, eine Gegenkandidatin zu präsentieren, sagte er.

Prinz hatte in ihrer Rede gefordert, das Kapitel Schwarz-Rot müsse möglichst schnell beendet werden. Bei Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sei Wirtschaft nur noch Fotoshooting. Schwarz-Rot könne es nicht und plündere die Kassen. Die Grünen müssten Vertrauen gewinnen - "in der Innenstadt und draußen", so die Reala aus Lichtenrade. "Es wäre mir eine Ehre, eure Landesvorsitzende zu werden", endete sie. Bei den Delegierten drang sie aber nicht durch.

Angst vor einem Richtungsstreit

Die Frage, wer die Berliner Grünen künftig führen soll, sorgte schon in den vergangenen Wochen für Verunsicherung. Dahinter steckt auch die Angst vor einem Richtungsstreit und innerparteilichem Zoff zwischen den verschiedenen Teilen der Partei, für den die Berliner Grünen vor Jahren berühmt-berüchtigt waren.

Im Kern geht es zwischen Linken und Realos um die Frage, worauf die Grünen bei der nächsten Wahl zum Landesparlament 2026 setzen wollen: auf die alten Bündnispartner SPD und Linke? Oder auf Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb? Soll sich der Landesverband darauf einstellen, nächster Partner von Kai Wegner zu werden? Vom jetzigen Regierenden Bürgermeister heißt es, er hätte schon im Februar gerne mit den Grünen koaliert - aber nicht rechtzeitig ein Signal für ernsthaftes Interesse von deren Seite bekommen.

Auch innerhalb der Realos gehen die Ansichten zur Frage nach künftigen Bündnisoptionen auseinander. Das zeigte sich etwa im Konflikt zwischen Prinz und der bisherigen Vorsitzenden Susanne Mertens. Aus Sicht der Kritiker aus dem Realo-Lager zeigte Mertens zu wenig Profil gegenüber den Parteilinken und setzte zu sehr auf Konsens. Ende Oktober kündigte Prinz deshalb an, selbst für den Landesvorsitz an der Seite von Ghirmai zu kandidieren. Sie setzte sich bei einer Abstimmung des Realo-Flügels knapp gegen Mertens durch. Und die kündigte kurz darauf an, nicht mehr für das Amt kandidieren zu wollen.

Dass Prinz am Samstag so deutlich durchgefallen ist, zeigt, dass es in der Partei keine Mehrheit für einen klaren Kurswechsel gibt. Wo es für die Grünen langgehen soll, muss die Partei nun klären. Die Fortsetzung der Landesdelegiertenkonferenz ist die erste Gelegenheit dafür.

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