Auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) könnten nach einem europäischen Urteil Tausende neue Asylfolgeanträge von Syrern zukommen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Straßburg entschied am Donnerstag, dass syrische Kriegsdienstverweigerer einen Asylfolgeantrag stellen können, weil es mit einem EuGH-Urteil von 2020 eine neue Rechtslage gebe, die berücksichtigt werden muss. Damit könnten laut der Organisation Pro Asyl künftig Tausende abgelehnte Asylfolgeanträge von Syrern erneut gestellt werden.
2020 hatte der EuGH geurteilt, bei syrischen Kriegsdienstverweigerern gebe es eine starke Vermutung, dass sie politisch verfolgt seien und damit Flüchtlingsschutz bekommen sollten. Dies hatte das Bamf in den Jahren davor anders gesehen. Tausende Männer erhielten deswegen nur den sogenannten subsidiären Schutz und nicht den vollen Flüchtlingsschutz, was seit 2016 unter anderem starke Einschränkungen beim Familiennachzug bedeutete, wie Pro Asyl berichtet.
Die Beurteilung des Bamf hat sich als falsch erwiesen
Nach dem EuGH-Urteil von 2020 stellten viele Männer, die in Syrien den Kriegsdienst verweigert hatten, sogenannte Asylfolgeanträge. Doch das Bamf wies die Folgeanträge laut Pro Asyl mit der Begründung ab, dass es keine "Änderung der Rechtslage" gegeben habe, die einen Folgeantrag erlauben würde. Diese Beurteilung erweise sich nun als falsch. "Wenn nach rechtskräftiger Ablehnung von Asylerstanträgen EuGH-Urteile ergehen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Zuerkennung internationalen Schutzes geführt hätten, dann muss ein Asylfolgeantrag nun zugelassen werden."
Zum Hintergrund: Einem syrischen Kriegsdienstverweigerer wurde 2017 auf seinen ersten Asylfolgeantrag in Deutschland hin die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verweigert. Er erhielt lediglich subsidiären Schutz. 2020 hatte der EuGH über einen vergleichbaren Fall zu befinden. Das Gericht entschied, im Kontext des syrischen Bürgerkrieges spreche eine "starke Vermutung" dafür, dass die Verweigerung des Militärdienstes zu einer Verfolgung aus politischen Gründen führt. Daher liege es nahe, syrischen Kriegsdienstverweigerern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Aufgrund dieser auch für den Kläger des jetzt entschiedenen Falles günstigen Einschätzung des EuGH stellte dieser einen Asylfolgeantrag, den das Bamf mit der Begründung ablehnte, es gebe keine Änderung der Rechtslage. Das zuständige Verwaltungsgericht Sigmaringen setzte daraufhin das Verfahren aus und bat das EuGH um die nun von dem Straßburger Gerichtshof ausgesprochene Klärung. (Rechtssache C-216/22)