Supreme-Court-Kandidatin Barrett:Wie Trump seine Entscheidung schaden könnte

FILE PHOTO: U.S President Donald Trump holds an event to announce his nominee of U.S. Court of Appeals for the Seventh Circuit Judge Amy Coney Barrett to fill the Supreme Court seat

Trump und seine Richter-Kandidatin Barrett im Rosengarten des Weißen Hauses.

(Foto: REUTERS)

Die Berufung der erzkonservativen Richterin an das höchste Gericht der USA wäre für Republikaner ein Traum. Allerdings verpasst der US-Präsident, durch ihre Nominierung ein wichtiges Signal zu senden.

Von Christian Zaschke, New York

Nachdem US-Präsident Donald Trump seine Rede zur Nominierung von Amy Coney Barrett als neuer Richterin am Supreme Court beendet hatte, drohte die Situation kurz außer Kontrolle zu geraten. Trump bat Barrett, ein paar Worte an die Gäste im Rosengarten des Weißen Hauses zu richten. Das Publikum begann daraufhin zu applaudieren. Das war zunächst kein Problem, es war sogar angemessen. Aber dann schien der Applaus kein Ende zu nehmen, und jeder in Washington weiß, dass der Präsident es überhaupt nicht mag, wenn jemandem mehr Aufmerksamkeit oder gar Zuneigung zuteilwird als ihm selbst. Trumps Blick wurde skeptischer und skeptischer, und als hätte das Publikum gespürt, dass es nun besser schleunigst reagiert, fand der Beifall ein rasches Ende. Trump lächelte zufrieden.

Er machte überhaupt einen sehr zufriedenen Eindruck an diesem Samstagnachmittag. Einmal ballte er die rechte Hand zur Faust, es sah aus, als bejubele er den entscheidenden Korb in einem Basketball-Finale. Der Präsident wirkte in diesem Moment nachgerade ausgelassen. Das mag daran gelegen haben, dass er weiß, dass es in den kommenden Wochen in Washington vor allen Dingen um Barretts Anhörung im Senat gehen wird und nicht mehr um sein Missmanagement der Corona-Pandemie. Trump wirkte wie ein Mann, der den Eindruck hat, dass sich der Wind gerade gedreht hat.

Ob das tatsächlich so ist, erscheint allerdings fraglich. Die New York Times veröffentlichte am Wochenende gemeinsam mit dem Siena College eine Umfrage. Der Erhebung zufolge vereint der demokratische Herausforderer Joe Biden landesweit 49 Prozent der Stimmen auf sich. Trump kommt auf lediglich 41 Prozent.

Das Bemerkenswerte an diesen Zahlen ist, dass sie seit Wochen und Monaten stabil bleiben. Als klar wurde, dass die Mehrheit der Wähler mit Trumps Umgang mit der Pandemie unzufrieden ist, versuchte er zunächst, sie kleinzureden und wegzulügen. Dann stellte er in Aussicht, dass es noch vor der Wahl einen Impfstoff geben könnte (was von fast allen Experten bestritten wird). Schließlich versuchte er, das Thema zu wechseln: In Anbetracht der landesweiten Proteste gegen systemischen Rassismus und Polizeigewalt wollte er "Law & Order" zum Wahlkampfthema machen: Recht und Gesetz. Mit diesem Thema war Richard Nixon in den Siebzigerjahren erfolgreich. Doch auch das verfing nicht, die Umfragen blieben unverändert.

Nun hofft Trump, mit dem Thema Supreme Court punkten zu können. Die Umfrage von New York Times und Siena College deutet jedoch darauf hin, dass auch diese Hoffnung trügerisch sein könnte. 56 Prozent der Befragten gaben an, sie seien dagegen, dass Trump den freien Posten am Supreme Court jetzt auf die Schnelle besetze. Das solle erst nach der Wahl geschehen. Eine ähnliche Umfrage von Washington Post und dem Fernsehsender ABC kommt zum nahezu gleichen Ergebnis: In dieser Erhebung lehnen 57 Prozent der Befragten die rasche Besetzung des Postens am Obersten Gerichtshof ab. Dazu kommt, dass die äußerst konservative Katholikin Barrett eine erklärte Abtreibungsgegnerin ist. 60 Prozent der Amerikaner sind jedoch der Ansicht, dass Abtreibung legal bleiben solle. Der Supreme Court hatte genau das in einem Urteil von 1973 verfügt.

Wenn Trump Florida nicht gewinnt, ist die Wahl für ihn so gut wie gelaufen

Manchen Beobachtern in Washington erscheint es rätselhaft, dass Trump sich für Barrett entschieden hat, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie ihm keine zusätzlichen Stimmen bringt. Sie ist so konservativ, dass sie nur die Amerikaner anspricht, die Trump ohnehin wählen. Mit ihrer harten Position zum Thema Abtreibung könnte sie sogar dafür sorgen, dass sich noch mehr Frauen von den Republikanern abwenden, besonders in den Vororten. Das wäre für Trump fatal, da diese Wählergruppe entscheidend ist.

Die aus wahltaktischer Sicht naheliegende Lösung wäre gewesen, sich für die kubanischstämmige Barbara Lagoa aus Florida zu entscheiden. Wenn Trump Florida nicht gewinnt, ist die Wahl für ihn so gut wie gelaufen. Mit der Nominierung Lagoas hätte er ein Zeichen an den Bundesstaat senden können, vor allem an den hispanischstämmigen Teil der Bevölkerung. Zudem wäre die Nominierung Lagoas auch ein Signal an Latinos in anderen umkämpften Staaten wie Arizona gewesen. Lagoa gilt allerdings als nicht ganz so konservativ wie Barrett, und Trump wollte offenbar die konservativste Lösung. Und was die Wahl angeht, hat Trump zuletzt verlauten lassen, dass er das Ergebnis im Falle einer Niederlage womöglich schlicht nicht anerkennen werde.

Den Demokraten könnte es also ein kleiner Trost sein, dass Trump die Chance hat verstreichen lassen, mit der Besetzung breitere Wählerschichten anzusprechen. Und während sie um Ruth Bader Ginsburg trauern - bekannt und beliebt als "Notorious R. B. G." -, dürften sie mit Blick auf die Republikaner sehen, dass diese offenkundig wissen, dass Amy Coney Barrett noch einiges an Imagepflege braucht: Am Wochenende begannen sie allen Ernstes, T-Shirts mit dem Aufdruck "Notorious A. C. B." zu verkaufen.

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Vielmehr sollten sie Trumps Entscheidung für Richterin Barrett als politischen Vorgang akzeptieren und sich auf die Wahlen konzentrieren. Bei einem Sieg könnte die konservative Mehrheit im obersten Gericht der USA auch bald wieder kippen.

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