Parlamentswahl in Südkorea:Liberal gewinnt

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Mitglieder der Democratic Party freuen sich am Wahlabend über die ersten Hochrechnungen. (Foto: Chung Sung-Jun/Getty)

Präsident Yoon Suk-yeol hat mit seinem kompromisslosen Regierungsstil viele Südkoreaner verstört - so sehr, dass sie seiner Partei eine krachende Wahlniederlage bescheren. Das schränkt seine Macht erheblich ein.

Von Thomas Hahn, Seoul

Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol war zunächst nicht zu sehen am Tag nach der hohen Wahlniederlage seiner konservativen People Power Party (PPP). Präsidialamtschef Lee Kwan-seop leitete die Pressekonferenz zur Nachlese und richtete Yoons Kommentar nur aus.

"Ich werde den Willen des Volkes, der bei der Parlamentswahl zum Ausdruck gekommen ist, demütig akzeptieren und mich bemühen, die Verwaltung zu reformieren und mein Bestes zu tun, um die Wirtschaft zu stabilisieren und die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern", habe der Präsident gesagt, sagte Lee.

Wichtige PPP-Politiker ziehen bereits Konsequenzen

Das Zitat wirkt etwas weltfremd, wenn man das Ergebnis bedenkt, das die Nachrichtenagentur Yonhap am Donnerstagnachmittag vermeldete: Zusammen mit ihrer Satellitenpartei hat die PPP demnach nur 108 der 300 Sitze in der Nationalversammlung errungen, die liberale Demokratische Partei (DP) mit ihrer Satellitenpartei hingegen 175 Sitze. Die neue liberale Alternative, die Rebuilding Korea Party (RKP) des polarisierenden Ex-Justizministers Cho Kuk, ist drittstärkste Kraft mit zwölf Sitzen.

Wenn man die Gewinne kleinerer Parteien dazuzählt, muss Yoon Suk-yeol in Zukunft gegen eine riesige Opposition mit über 190 Sitzen Politik machen. Unter diesen Umständen kann er aus eigener Kraft so gut wie gar nichts nachhaltig ändern.

Andere in der Regierung schienen die Zahlen besser zu verstehen. Wie das Präsidialamt mitteilte, boten drei leitende Mitarbeiter des Präsidenten - darunter Lee Kwan-seop selbst - ihren Rücktritt an. Auch Vize-Regierungschef Han Duck-soo habe das getan. Und in der PPP stellte Parteichef Han Dong-hoon seinen Posten zur Verfügung.

Yoon kann fast nur noch Dekrete erlassen und die Opposition blockieren

Mit Sorge haben Verfechter von Demokratie und gesellschaftlichem Fortschritt zuletzt auf Südkorea geschaut. Der Regierungsstil des Ex-Staatsanwalts Yoon war so sehr geprägt von Machtworten und Anzeigen gegen streikende Arbeiter, Journalisten und Oppositionspolitiker, dass sie den Tigerstaat auf halbem Wege zurück in die schlechte alte Zeit unter autoritärer Führung wähnten. Erst vor wenigen Wochen zählte das schwedische Forschungsinstitut V-Dem Südkorea zu den "autokratisierenden Ländern". Aber das Wahlergebnis vom Mittwoch zeigt: Südkoreas Demokratie kann zurückschlagen.

Die Wahlbeteiligung war so hoch wie seit 32 Jahren nicht mehr. 67 Prozent der rund 44 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, und ihr Urteil hat Konsequenzen für Yoon. Drei Jahre hat er noch im Amt, ehe nach dem Gesetz 2027 ein neuer Präsident gewählt werden muss. Aber genauso wie in den ersten zwei Jahren seit seinem Amtsantritt im Mai 2022 kann Yoon auch in diesen drei Jahren nicht viel mehr machen, als Präsidialdekrete zu erlassen und mit seinem Vetorecht Vorhaben der Opposition zu blockieren.

Neun Gesetzesvorlagen der DP hat Yoon Suk-yeol schon abgeschmettert, unter anderem jene, die eine Sonderuntersuchung zu Vorwürfen der Aktienmanipulation gegen Yoons Frau Kim Keon-hee ermöglichen sollte. Gleichzeitig konnte er eigene Initiativen nicht durchbringen, etwa die Abschaffung der Kapitalertragssteuer. So wird es weitergehen. "Und wegen der Niederlage wird die Regierungspartei ihre Beziehung zum Präsidenten neu bewerten müssen", ergänzt Cho Jin-man von der Duksung Women's University in der Korea Times.

Trotz Korruptionsvorwürfen gelten die liberalen Parteichefs vielen als bessere Alternative

Schon im Wahlkampf gab es Momente der Distanz zwischen dem Präsidenten und seiner Partei. Mit guter Laune und Warnungen vor den skandalumwitterten Oppositionsführern schien die PPP ablenken zu wollen von Yoons mangelnder Kompromissbereitschaft. Diese hat vor allem seinen Streit mit der Ärzteschaft um mehr Medizinstudienplätze in eine Sackgasse geführt. Seit Februar beeinträchtigt ein Ärztestreik das Gesundheitswesen - und zwar so sehr, dass deshalb schon Notfallpatienten gestorben seien, wie Vize-Regierungschef Han Duck-soo am Sonntag in einem Interview mit der Korea Times sagte. Yoon erklärte seine Sturheit in einer langen Rede, PPP-Chef Han Dong-hoon sagte danach auf einer Wahlkampfbühne: "Die Regierung mag nicht Ihre Erwartungen erfüllen, aber das ist nicht meine Schuld."

Genützt hat es nichts. Jetzt triumphieren die Anführer der liberalen Kräfte. DP-Chef Lee Jae-myung hatte den Wahltag als "Tag des Jüngsten Gerichts" beworben. Als er seinen Wahlkreis in Incheon westlich von Seoul gewonnen hatte, sparte er sich lautes Siegesgebrüll. Er sagte im Grunde nur, er werde Südkorea "wieder in die Zukunft führen", was er nach Stand der Dinge allerdings erst dann mit Macht tun kann, wenn er bei der Präsidentschaftswahl 2027 antritt und dabei nicht wieder knapp verliert wie 2022.

Für die RKP sagte Cho Kuk, das eigentliche Idol der Liberalen in Südkorea: "Die Menschen haben ihre Absicht klargemacht, ein Urteil über die Regierung Yoon zu sprechen."

Die Botschaft dieser Wahl lautete: Egal, was Lee und Cho angestellt haben - sie sind immer noch besser als Yoon. Denn sorglos können Lee Jae-myung und Cho Kuk nach ihren Siegen nicht in die nähere Zukunft blicken. Beide werden in Gerichtsverfahren von unterschiedlichen Korruptionsvorwürfen belastet. Ausgang ungewiss. Die politischen Verhältnisse in Südkorea bleiben kompliziert.

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