Südkorea:Populist mit simplem Gesellschaftsbild

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Yoon Suk-yeol, Südkoreas neuer Präsident, hat im Parlament keine Mehrheit für seine politischen Vorstellungen. (Foto: Anthony Wallace/AFP)

Der neue südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol, ehemaliger Generalstaatsanwalt des Landes und ein konservativer Hardliner, würde gern vieles verändern. Aber er spürt bereits: So einfach geht das nicht.

Von Thomas Hahn, Sydney

Fünf Jahre sind nicht viel Zeit, wenn man die Regierungspolitik eines ganzen Landes umkrempeln will. Und mehr bekommt der neu gewählte Präsident Südkoreas nicht, die Verfassung verbietet die Wiederwahl. Yoon Suk-yeol wollte deshalb keine Minute verlieren am Tag seiner Vereidigung. Schon um Mitternacht hielt er sich im unterirdischen Bunker des neuen Präsidenten-Amtssitzes im Seouler Stadtteil Yongsan bereit. Der Generalstab der südkoreanischen Streitkräfte führte Yoon via Telefon in seine Pflichten als Oberbefehlshaber ein. Das zumindest war der Plan, den Yoons Büro vor dem großen Tag den heimischen Medien mitteilte.

Wie Yoons erste Nacht im Amt weiterging, wurde nicht berichtet. Die Zeremonie um den Amtseid auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude in Yeouido war für Dienstagvormittag anberaumt. Auf der Gästeliste standen unter anderem Douglas Emhoff, Gatte der US-Vizepräsidentin Kamala Harris, sowie der chinesische Vize-Präsident Wang Qishan. Und man kann davon ausgehen, dass der konservative Ex-Staatsanwalt Yoon nach der Feier am liebsten sofort damit angefangen hätte, alles zu ändern, was Vorgänger Moon Jae-in von der Demokratischen Partei (DP) aus seiner Sicht falsch gemacht hat. Aber so einfach geht das nicht.

Zwei Monate sind vergangen, seit Yoon Suk-yeol, 61, als Kandidat der größten Oppositionspartei People Power Party (PPP) mit sehr knappem Vorsprung die Präsidentschaftswahl gegen Moons Parteifreund Lee Jae-myung gewonnen hat. Der Wahlkampf war schmutzig. Viele unter den 44 Millionen Wahlberechtigten in Südkorea fanden keinen der beiden Kandidaten vertrauenswürdig. Am Ende lag Yoon, der für Härte gegen Nordkorea und einen neoliberalen Wirtschaftskurs steht, um 0,73 Prozent der Stimmen vorn.

Viele fühlen sich in überwunden geglaubte Zeiten zurückversetzt, weil der neue starke Mann ein eher simples Gesellschaftsbild pflegt, mit wenig Rücksicht auf die Rechte von Frauen im Allgemeinen, von Arbeiterinnen und Arbeitern im Speziellen oder auch von Menschen mit Behinderung. "Das ist eine Politik, die die Mehrheit der Menschen ausschließt", schreibt Shin Jin-wook, Soziologie-Professor von der Chung-Ang-Universität, in der linksliberalen Zeitung Hankyoreh über Yoons Ansatz.

Südkoreas scheidender Präsident Moon Jae-in und seine Frau Kim Jung-sook beim Verlassen des Blauen Hauses in Seoul. (Foto: Lee Jin-Man/dpa)

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Tatsächlich hat man in den vergangenen acht Wochen einen anschaulichen Eindruck von Yoons Führungsstil bekommen. Im Wahlkampf hatte er gedroht, Südkorea zur Not auch mit einem Präventivschlag vor nordkoreanischen Raketen schützen zu wollen. Davon ist er nicht abgerückt. Pjöngjang droht zurück. Machthaber Kim Jong-un sagte bei einer Militärparade Ende April, wer seinen mit Atomwaffen bestückten Staat angreife, werde "aufhören zu existieren". Es herrscht wieder kalter Krieg. Dass Moon Jae-in in seiner Abschiedsrede zum Dialog zwischen den Koreas aufrief, wirkte da wie ein schöner, aber weltfremder Wunsch.

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Mit Hilfe des neuen Waffensystems will die selbst erklärte Atommacht die Effizienz beim Einsatz von "taktischen Atomwaffen" erhöhen. Machthaber Kim Jong-un soll den Test überwacht haben.

Und auch innenpolitisch zeigt Yoon Suk-yeol, was er unter Entschlossenheit versteht. Ohne Kompromisse hat er zum Beispiel die komplizierte, teure Verlegung des Präsidentenamtssitzes ins bisherige Gebäude des Verteidigungsministeriums in Yongsan betrieben; Moon hatte davon vor fünf Jahren aus logistischen und Sicherheitsgründen noch abgesehen.

Das Gleichstellungsministerium, das Yoon im Wahlkampf zu frauenfreundlich fand, wurde zwar doch nicht abgeschafft. Sehr wohl aber die 30-Prozent-Quote für Frauen im Kabinett. Warum? "Um der Öffentlichkeit zu dienen, muss man auf Talent achten, nicht auf Geschichten", sagte ein Yoon-Mitarbeiter in der Nachrichtenagentur Yonhap. Für sein 18-köpfiges Kabinett hat Yoon lediglich drei Frauen vorgesehen.

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Aber Yoon Suk-yeol merkt, dass das Regieren zumindest bis zur nächsten Parlamentswahl 2024 schwierig wird. Denn noch hat die Demokratische Partei die klare Mehrheit in der Nationalversammlung. Sie stimmt nicht nur über Gesetzesvorhaben ab, sondern auch über die Besetzung von Ministerposten. Deshalb ist das neue Kabinett noch nicht richtig arbeitsfähig, obwohl Yoon es relativ schnell aufgestellt hatte.

Die DP-Mehrheit hat erst sieben seiner Minister durchgewunken. Bei anderen hat sie Bedenken wegen Korruptionsvorwürfen. Das gilt auch für Han Duck-soo. Yoon will den 72-jährigen Wirtschaftsfachmann zum Premierminister machen, also zum stellvertretenden Regierungschef. Han hatte schon mehrere Regierungsämter inne. Er war auch schon Premierminister, von 2007 bis 2009 unter dem liberalen Präsidenten Roh Moo-hyun. Yoon dachte wohl, diese Vergangenheit würde Han für die DP mehrheitsfähig machen. Aber die zweifelt nun seine Eignung an, weil Han "wie durch eine Drehtür" zwischen Amt und einträglichem Privatengagement für die große Anwaltskanzlei Kim&Chang hin und her wechsle.

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Der neue Präsident muss sich mit seinen Gegnern zusammenraufen

Außerdem haben die Demokraten kurz vor dem Ende der Moon-Amtszeit noch jene Rechtsreform vollendet, wegen der Yoon Suk-yeol vergangenes Jahr als Generalstaatsanwalt zurücktrat und in die Politik wechselte. Die Reform soll die Allmacht der Staatsanwälte brechen, indem die Polizei mehr Ermittlungsbefugnisse bekommt. Yoon sieht darin einen Anschlag auf den Rechtsstaat.

Der neue Präsident und seine politischen Gegner im Parlament werden sich irgendwie zusammenraufen müssen. Yoon braucht Mehrheiten. Aber auch die DP kann nicht alles blockieren. Denn mit ständigem Verhindern wird sie die nächste Wahl bestimmt nicht gewinnen. Komplizierte Zeiten kommen auf Südkorea zu. Wenn es schlecht läuft, beginnen am Dienstag in Seoul fünf Jahre Stillstand.

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