Der Krieg im Sudan hat seit Mitte April Tausende Menschen das Leben gekostet und mehr als drei Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. Vor allem in Darfur, wo ein alter Konflikt neu entflammt ist, eskaliert die Gewalt. Nahe der Stadt Al-Dschunaina sollen in einer Woche im Juni mindestens 87 Zivilisten ermordet und in einem Massengrab verscharrt worden sein, unter ihnen Frauen und Kinder. So berichtete es am Donnerstag das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte.
Das Duell der Generäle Abdel Fattah al-Burhan und Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti um die Macht im Sudan hat sich längst auf Gebiete außerhalb der Hauptstadt Khartum ausgeweitet. Und Darfur ist zum blutigsten Schlachtfeld geworden. Die UN machen Hemetis Rapid Support Forces (RSF) für die Morde bei Al-Dschunaina verantwortlich. Die RSF weisen den Vorwurf zurück. Nun ermittelt der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. "Wir befinden uns mitten in einer humanitären Katastrophe", sagte dessen Chefankläger Karim Khan.
Hemeti will das an Gold und anderen Bodenschätzen reiche Darfur offenbar zum Rückzugsraum seiner Kämpfer machen. Er setzt die Politik der verbrannten Erde fort, mit der die Dschandschawid - die "Teufel auf Pferden" - nicht-arabische Bewohner der Provinz schon vor 20 Jahren terrorisierten - beauftragt vom damaligen Präsidenten Omar al-Baschir. Aus den Dschandschawid wurden nach dem Sturz Baschirs die RSF. Hemeti droht nun das gleiche Schicksal wie Baschir: Ihn verurteilte 2009 der Internationale Strafgerichtshof, als ersten amtierenden Regierungschef.
Südsudan hat größtes Interesse an Frieden, auch wegen seiner Pipeline
Alle Versuche, den Krieg im Sudan zu beenden, sind bislang gescheitert. Dabei mangelt es nicht an Anläufen. Am Donnerstag trafen sich die Präsidenten der Nachbarländer des Sudan in Kairo. Mit Vertretern der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga einigte man sich darauf, dass ihre Außenminister regelmäßig tagen. Doch was die Lage im Sudan betrifft, blieben echte Fortschritte aus. Ein von Gastgeber Abdel Fattah al-Sisi vorgelegter regionaler Aktionsplan blieb vage. Und Ägypten kommt aus Sicht der RSF sowieso nicht als Vermittler in Betracht - wegen seiner Nähe zu Armeechef Burhan.
Auch eine Gruppe ostafrikanischer Staaten präsentierte diese Woche einen Plan, wie der Krieg im Sudan beendet werden könnte. Vertreter Kenias, Äthiopiens, Dschibutis und des Südsudan schlugen nach Beratungen am Montag in Addis Abeba ein direktes Treffen der beiden Konfliktparteien vor sowie die Entsendung von Soldaten, um Zivilisten zu schützen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen.
Gerade der Südsudan hat ein großes Eigeninteresse an einem Ende der Kämpfe. 160 000 Flüchtlinge aus dem Sudan sind bereits im Land - und tragen dazu bei, dass sich die prekäre Sicherheits- und Versorgungslage weiter verschlechtert. Dazu kommt: Die wichtigste Einnahmequelle des Südsudan ist Öl, doch das Tor zum Weltmarkt ist die sudanesische Hafenstadt Port Sudan. Die Pipeline durch den nördlichen Nachbarstaat ist eine Lebensader für den Südsudan. Die Sorge, dass der Krieg diese Lebensader abschnürt, ist groß.
Doch so ambitioniert der Friedensplan ist, so aussichtslos dürfte er derzeit sein. Denn während Hemeti einen Vertreter entsandte, blieb die Armee dem Treffen fern. Kenias Präsident William Ruto eigne sich nicht als Vermittler, hieß es aus Burhans Lager - er unterstütze die RSF. Die Gespräche in Addis und Kairo stehen also unter umgekehrten, aber ähnlich ungünstigen Vorzeichen.
Weder Burhan noch Hemeti lassen bislang die Bereitschaft erkennen, einzulenken. Die von den USA und Saudi-Arabien vermittelten Gespräche in Dschiddah wurden bereits Anfang Juni ausgesetzt, weil sich beide Seiten nicht an vereinbarte Waffenruhen gehalten hatten. Den deutschen UN-Sondergesandten Volker Perthes erklärte die Armee nach seiner leisen Kritik an der Bombardierung ziviler Ziele zur unerwünschten Person.
Ihre Brutalität hat beide Kriegsherrn die Unterstützung der Menschen gekostet
Sowohl die Armee als auch die RSF glauben offenbar, den Krieg gewinnen zu können. Bestärkt werden sie von den Waffenlieferungen ihrer Verbündeten. Hemeti erhält Luftabwehrraketen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Aufseiten der Armee sollen ägyptische Militärberater und bald türkische Bayraktar-Drohnen im Einsatz sein. Auch der Kreml mischt mit über die russische Wagner-Gruppe. Wie einst in Libyen ist der Krieg im Sudan ein internationaler Krieg.
Doch zu einem echten Bürgerkrieg, vor dem jüngst UN-Generalsekretär António Guterres warnte, hat sich die Lage bisher nicht ausgewachsen. Es bleibt ein Kampf der Generäle, der die Menschen terrorisiert, aber kaum mobilisiert. "Ihr brutales Vorgehen hat sowohl Burhan als auch Hemeti die breite Unterstützung in der Bevölkerung gekostet", sagt der Menschenrechtsaktivist Mudawi Ibrahim Adam. "Ich glaube daher nicht an einen Bürgerkrieg entlang ethnischer Trennlinien."
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Auch die Aktivistin Hala Al-Karib meidet den Begriff. "Die absolute Mehrheit der Sudanesen ist in lokalen Netzwerken organisiert", sagt die Direktorin des Sudan-Programms der Frauenrechtsorganisation SIHA. Ein Kriegsende würde dem Machtverlust beider Armeen gleichkommen. "Die internationale Gemeinschaft darf nicht nur mit den beiden Generälen und deren Geldgebern sprechen", fordert sie.
Doch es bleibt nicht viel Zeit. Als in der bisher von den Kämpfen verschonten Stadt Bara in der Provinz Kordofan die Bürger gegen die Präsenz Bewaffneter auf die Straße gingen, schossen RSF-Milizionäre um sich und zündeten die Markthalle an.