Steuern:Steuer-Vertrag soll Schlupflöcher für Konzerne schließen

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Gurría sagte, die konjunkturelle Belebung sei aber noch zu schwach, um eine spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse in allen OECD-Ländern zu gewährleisten. (Foto: epa efe Alex Cruz)

Paris (dpa) - Riesige Gewinne, aber kaum Ertragssteuern: Beispiele von Konzernen, die mit formal legalen Tricks ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben, haben in den vergangenen Jahren für viel Aufregung gesorgt.

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Paris (dpa) - Riesige Gewinne, aber kaum Ertragssteuern: Beispiele von Konzernen, die mit formal legalen Tricks ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben, haben in den vergangenen Jahren für viel Aufregung gesorgt.

Der Kampf gegen diese teils hochkomplexen Praktiken ist lang und mühsam - nun gehen fast 70 Länder einen wichtigen Schritt vorwärts. Sie unterschrieben bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris eine Vereinbarung, um Schlupflöcher in sogenannten Doppelbesteuerungsabkommen zu schließen.

OECD-Chef Angel Gurría hatte den Vertrag als „Wendepunkt in der Geschichte der Steuerabkommen“ bezeichnet. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte: „Der Kampf gegen Steuergestaltungen internationaler Konzerne kann nur durch einheitliches Handeln der Staatengemeinschaft geführt werden.“

Worum geht es bei dem Vertrag?

Die Top-Wirtschaftsmächte G20 hatten schon 2015 einen Aktionsplan gegen Steuertricks von Großkonzernen vereinbart. Für einen Teil dieser Maßnahmen müssen bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen geändert werden. Diese Abkommen zwischen jeweils zwei Ländern sollen verhindern, dass mehrere Staaten dieselben Einkommen besteuern. Konzerne konnten die unterschiedlichen Bestimmungen in den Vereinbarungen aber teilweise ausnutzen, um Gewinne zu verschieben oder eine Besteuerung sogar komplett zu umgehen. Das soll verhindert werden: Gewinne sollen dort besteuert werden, wo sie entstehen.

In den Niederlanden lebten laut einer Schätzung rund 10 000 Anwälte von solch kreativer Nutzung der Abkommen (treaty shopping), sagt der Direktor des OECD-Zentrums für Steuerpolitik, Pascal Saint-Amans. Weltweit gibt es 3000 Doppelbeteuerungsabkommen. Sie einzeln zu ändern, würde sehr lange dauern - mit dem nun in Paris unterzeichneten Vertrag können die Teilnehmerstaaten deshalb zahlreiche Abkommen auf einen Schlag anpassen.

Warum ist das Thema wichtig?

„Wir sichern mit dem Vertrag das Steueraufkommen unserer Staaten und sorgen für eine gerechte Verteilung steuerlicher Lasten“, sagt Schäuble. Francis Weyzig von der Nichtregierungsorganisation Oxfam erklärt: Schlupflöcher in Doppelbesteuerungsabkommen seien zwar nicht die wichtigsten Treiber von Gewinnverlagerungen, erleichterten diese aber. Ein Beispiel: Wegen eines solchen Abkommens muss in Land A keine Quellsteuer auf Lizenzzahlungen abgeführt werden, die nach Land B fließen. Diese Regel könnte dann mithilfe einer Briefkastenfirma in Land B ausgenutzt werden, um die Gelder anschließend in eine Steueroase zu verschieben. Laut Schätzungen gehen den Staaten durch Gewinnverlagerungen jährlich 100 bis 240 Milliarden US-Dollar (89 bis 213 Mrd Euro) durch die Lappen.

Wie wirksam ist die Vereinbarung?

„Diese Übereinkunft bedeutet echten Fortschritt im Kampf gegen Steuervermeidung“, meint Oxfam-Experte Weyzig - „aber einige Länder versuchen, diesen Fortschritt zu untergraben“. Die USA etwa unterschrieben den Deal am Mittwoch nicht. Hinzu kommt: Länder können bei manchen Punkten des Abkommens entscheiden, ob sie diese anwenden oder nicht - da steckt der Teufel im Detail. Und sie können auswählen, für welche Doppelbesteuerungsabkommen der Vertrag gilt.

OECD-Steuerexperte Saint-Amans hält den Fall der USA allerdings für kein Problem - das Land habe gute Steuer-Abkommen. Alle Staaten, die häufig für den Missbrauch von Abkommen genutzt werden, hätten die Vereinbarung unterschrieben oder dies noch vor: „Wir setzen der doppelten Nicht-Besteuerung ein Ende.“ Wenn die Erstunterzeichner den Vertrag ratifizieren, wären 1100 Doppelbesteuerungsabkommen geändert.

Wird das Problem der Steuertricks globaler Konzerne damit gelöst?

Nur zum Teil. Schlupflöcher in Doppelbesteuerungsabkommen sind nur eine Möglichkeit für multinationale Unternehmen, um die Zahlung von Steuern mit legalen Tricks zu vermeiden. Der G20-Aktionsplan (BEPS-Projekt) umfasst noch weitere Schritte, etwa den Verzicht auf Sonderregeln für Internet-Firmen und einen Informationsaustausch der Behörden über die Aktivitäten multinationaler Unternehmen in den verschiedenen Ländern. Nach OECD-Angaben sind inzwischen rund 100 Länder Verpflichtungen eingegangen.

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