SPD und TTIP:Friss, Vogel, oder stirb

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Ein TTIP-kritisches Wandbild des Street-Art-Künstlers A.Signl in Köln (Foto: Marius Becker/dpa)

Der Streit in der SPD über TTIP erinnert an die Auseinandersetzung über das Grundrecht auf Asyl. Damals ließ sich die SPD von der Union jagen. Und heute soll wieder ein Parteitag aus schierer Not zustimmen.

Kommentar von Heribert Prantl

Freihandel ist eigentlich ein Segen. Von der Art und Weise, wie Freihandelsabkommen von der EU vorbereitet werden, kann man das nicht sagen. Sie werden verhandelt, als müssten sie das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Abkommen mit dem Gewicht von Fundamental-Gesetzen sind aber kein Fertiggericht, das man den Parlamenten und der Bevölkerung vorsetzen kann nach dem Motto: essen oder hungern. Mit solchen Methoden bringt man den Freihandel in Verruf.

In der SPD bricht sich deshalb die Kritik an TTIP & Co. Bahn. Wer diese Kritik als internetgefüttert abtut, tut dem Freihandel keinen Gefallen. Denn die Kritik hat einen sehr harten rechtsstaatlichen Kern: Ein Investorenschutz in Verbindung mit einer nur einstufigen privaten Schiedsgerichtsbarkeit und ohne Rechtsmittel zu ordentlichen Gerichten führt zur Aushöhlung rechtsstaatlicher Schutzstrukturen. Das widerspricht dem Grundgesetz, das widerspricht dem deutschen und europäischen Ordre public. SPD-Chef Gabriel wird daher die Kritik nicht mit Friss-Vogel-oder- stirb-Argumenten plattmachen können.

Parallelen zum Streit um Asylgrundrecht

Der Streit in der SPD um TTIP & Co. erinnert an den alten Streit um das Asylgrundrecht. Die politische Linie der SPD-Führung dazu sah vor bald 25 Jahren so aus wie die Fährte eines Hasen auf der Flucht. Die Partei ließ sich von CSU und CDU jagen, stimmte schließlich der Änderung des Asylgrundrechts zu und beschwor einen Sonderparteitag zur Zustimmung. Die Delegierten redeten sich in einem Akt der Selbsttherapie ihre Zweifel am grundrechtsreduzierten Flüchtlingsschutz weg. Da war keiner, der nicht das Asyl-Grundrecht erhalten wollte, möglichst noch schöner als bisher.

Freihandelsabkommen mit Kanada
:"Unsere Kinder würden uns verfluchen"

Wirtschaftsminister Gabriel von der SPD spricht sich klar für das Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada aus - und wirft seinen Kritikern aus der eigenen Partei "nationale Bauchnabelschau" vor.

Wer aber nach solchen Plädoyers ein Nein zum neuen Asylkurs erwartet hätte, der täuschte sich. Das Motto all der Reden lautete: Ich bin an sich gegen eine Änderung, stimme aber diesmal zu. SPD-Chef Gabriel kann nicht darauf vertrauen, dass es diesmal bei TTIP genauso läuft. Der Parteitag schickte seinerzeit Fraktionschef Klose zu den Asylverhandlungen mit der Union, der Parteitag versuchte auch, ihm Anweisungen mit auf den Weg zu geben. Klose wies freilich schon in seiner Parteitagsrede darauf hin, dass im Ernst niemand erwarten könne, dass sich die SPD zu hundert Prozent durchsetze. Das Misstrauen, das sich daraufhin erhob, wurde von der Parteitagsregie wieder zerstreut.

Das gemahnt daran, wie sich die Parteispitze heute zu den Freihandelsabkommen verhält. Erst verspricht sie, dass man Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichte nicht akzeptieren werde; aber wenig später hört sich dieses Versprechen schon an wie die Rede von Klose auf dem Asylwendeparteitag 1992: Leider, leider könne sich halt die SPD nicht so durchsetzen, wie sie das gerne wolle. Es gibt aber Grundsätze - Grundsätze, die nicht verhandel- und aufweichbar sind: Der Kern von Demokratie, Sozial- und Rechtsstaatlichkeit darf nicht angetastet werden. Wenn TTIP & Co. kerngefährlich sind, muss man die Gefahr rechtzeitig entschärfen.

© SZ vom 01.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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