Schuldenkrise in Europa:Seehofer hält Griechenlands Euro-Austritt für denkbar

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Gegenwind für die Kanzlerin: CSU-Chef Seehofer widerspricht Merkels Einschätzung in der Eurokrise und facht den Richtungsstreit in der schwarz-gelben Koalition noch einmal an. Die Opposition empfiehlt die Auflösung des Bündnisses - und bietet der Kanzlerin ihre Unterstützung an.

Weitere Volte im Richtungsstreit der schwarz-gelben Koalition: Nun geht auch CSU-Chef Horst Seehofer in der Debatte über die Zukunft der EU auf Konfrontation zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der bayerische Ministerpräsident hält es entgegen den massiven Bedenken der Kanzlerin für denkbar, dass Griechenland den Euro aufgibt.

Zwar wünsche er sich den Erfolg der Rettungsbemühungen, sagte Seehofer laut Vorabbericht des Spiegel. "Aber wenn die griechische Regierung und das Parlament diesen Weg nicht mehr gehen wollen oder können, dann sollten wir nicht darauf warten, bis uns die Finanzmärkte zur Einsicht in die Realität zwingen. Dann muss auch ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone denkbar sein."

Merkel hatte dagegen Anfang der Woche erklärt, es müsse alles getan werden, um den Euroraum zusammenzuhalten. Ansonsten drohten Domino-Effekte. "Scheitert der Euro, scheitert Europa", hatte die CDU-Chefin gewarnt. Dazu erklärte Seehofer: "Diesen Zusammenhang sehe ich nicht. Ich glaube, dass die europäische Idee sehr stark ist. Sie lebt, sie ist unumkehrbar."

Auch einer Übertragung weiterer Kompetenzen nach Brüssel erteilte Seehofer eine klare Absage: "Das Problem ist doch die Überschuldung mancher Euro-Länder und nicht, dass es in Brüssel zu wenig Behörden gibt. Ich bitte darum, dass wir diese überflüssige Debatte über die Vereinigten Staaten von Europa jetzt beenden." Merkel will als Konsequenz aus der Schuldenkrise das Zusammenwachsen Europas beschleunigen. Sie hatte deshalb mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine engere haushalts- und steuerpolitische Zusammenarbeit vereinbart.

Seehofer nahm zudem FDP-Chef Philipp Rösler vor Angriffen aus der CDU in Schutz. "Ich habe Philipp Rösler bisher als toleranten Europabefürworter kennengelernt. Das heißt aber nicht, dass man schiefe Entwicklungen in Europa nicht beim Namen nennt und nicht versucht, eine Lösung zu finden."

In der Koalition aus CDU, CSU und FDP herrscht seit Wochen Streit, jetzt kann die SPD das Drama offenbar nicht mehr mit ansehen: Parteichef Sigmar Gabriel riet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende, das schwarz-gelbe Bündnis zu beenden und den Weg für vorgezogene Wahlen frei zu machen. "Wenn die Kanzlerin und ihr Finanzminister Schäuble der historischen Verantwortung für Deutschland und Europa gerecht werden wollen, dann können sie mit dieser Koalition nicht mehr weiterregieren", sagte er dem Berliner Tagesspiegel. Gabriel bot Merkel zugleich vorübergehende Unterstützung für eine mögliche Minderheitsregierung an.

Derzeit bestimme nicht die Kanzlerin bei Schwarz-Gelb die Richtung für Deutschlands Rolle in Europa, "sondern ein völlig unkalkulierbarer Mitgliederentscheid einer in Auflösung befindlichen FDP". Den Eintritt der SPD in eine Große Koalition nach einem Bruch der schwarz-gelben Regierung schloss Gabriel ebenso wie Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier aus.

Steinmeier sagte den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe: "Wir sind nicht der Ersatzspieler für die FDP." Eine andere Koalition werde es "nur nach Wahlen" geben. "Wir bereiten uns darauf vor, wieder die Verantwortung zu tragen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

FDP dementiert Gerüchte um Westerwelles Ablösung

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte Merkel die Unterstützung seiner Partei bei der Euro-Rettung für den Fall zu, dass eine Minderheitsregierung ohne die FDP die Geschäfte bis zu Neuwahlen führe.

Die FDP dementierte derweil einen Bericht, wonach Außenminister Guido Westerwelle von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger abgelöst werden könnte. Das hatte die Hannoversche Allgemeine Zeitung am Samstag unter Berufung auf mehrere Mitglieder des FDP-Bundesvorstands berichtet, für den Fall das die FDP bei den Wahlen in Berlin an der Fünf-Prozent-Hürde scheitere.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner stellte klar: "An der Geschichte ist nichts dran. Das ist erstunken und erlogen", sagte Lindner. Man werde "von außen jetzt keine Keile mehr in die FDP treiben lassen". Zuvor hatte bereits FDP-Sprecher Wulf Oehme den Bericht als "kompletten Nonsens" zurückgewiesen.

Dem Zeitungsbericht zufolge soll sich der FDP-Bundesvorstand nach den Wahlniederlagen in Bremen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Tagen auf einen "Notfallplan" geeinigt haben. Dieser sehe vor, dass der Haushaltsexperte Otto Fricke aus Krefeld das Justizressort übernimmt. Zwar dürfe Westerwelle nicht für das Wahlergebnis in Berlin verantwortlich gemacht werden, zitierte das Blatt aus Kreisen in der Berliner FDP-Parteizentrale. Die Liberalen wollen demnach jedoch bundesweit ihren Neustart unter dem neuen Parteichef Philipp Rösler betonen.

Leutheusser-Schnarrenberger meldete sich am Samstag in der aktuellen Debatte um den Euro und Europa zu Wort. "Es gibt keinen neuen Kurs der FDP in der Europapolitik", erklärte sie in Berlin. "Nach 25 Jahren durch die FDP vertretener deutscher Außenpolitik ist es eine Selbstverständlichkeit, für die Stabilität des Euro zu kämpfen."

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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