SPD-Parteitag:Schluss mit dem Schmollen

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Der Parteitag als Therapiesitzung: Nach einer schwierigen Woche findet die SPD wieder Gefallen an sich selbst und ruft zu einem Richtungswahlkampf auf - eine mutige, ja waghalsige Strategie.

Susanne Höll

Nach einer schwierigen Woche findet die SPD wieder Gefallen an sich selbst. Im Moment jedenfalls. Denn der Parteitag in Berlin war, anders als ursprünglich geplant, eine Art Selbstfindung, eine Therapiesitzung nach dem katastrophalen Europa-Wahlergebnis und den ebenso katastrophalen Umfrageergebnissen der vergangenen Woche.

Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier beim Berliner Parteitag der SPD im Gespräch mit Parteichef Franz Müntefering (links) und Finanzminister Peer Steinbrück (Foto: Foto: AP)

Nun herrscht zumindest Erleichterung statt Ratlosigkeit und Verzagtheit. Die Stimmung umgedreht hat der Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der eine gute Rede hielt, vielleicht die beste seit seiner Nominierung. Der Außenminister hat gezeigt, dass auch er in dieser schwierigen Woche einiges gelernt hat.

Anders als in den vergangenen Wochen sprach Steinmeier diesmal über die politischen Ziele der SPD und nicht über die Fehler der politischen Konkurrenz. Den Namen des Handelskonzerns Arcandor, für den sich die SPD-Spitze so sehr eingesetzt hatte, erwähnte Steinmeier gar nicht mehr. Auch den Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ließ er in Ruhe.

Die SPD-Spitze teilte auf diese Art und Weise ihren eigenen Leuten mit, dass sie die Botschaft der vergangenen Woche versteht. Künftig will sie nicht mehr den Eindruck erwecken, jedweden Arbeitsplatz retten zu können und schmollen, wenn es ihr nicht einmal die rote Klientel honoriert.

Die Sozialdemokraten sind große Schmoller. Für das Europawahl-Debakel fanden sie immer neue Schuldige: die Meinungsforscher, die Medien, die trägen eigenen Wähler oder die vermeintlich perfide Strategie von Union und FDP. Steinmeier vermied am Parteitag jegliche Übelnehmerei. Das allein macht ihn und die SPD schon etwas attraktiver.

Der Kandidat war bemüht, den verheerenden Eindruck zu korrigieren, die SPD marschiere in einem verbissenen Firmenrettungswahn zurück in das vorige Jahrhundert. Bildung, ökonomischer Sachverstand, Rezepte gegen den Klimawandel - die SPD spricht wieder über Zukunftsthemen.

Auf der Suche nach einem eigenen originären Thema für die Bundestagswahl ruft die SPD nun zu einem Richtungswahlkampf auf - gegen die Marktradikalen von Schwarz-Gelb, die nach sozialdemokratischer Lesart die Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht haben. Das ist eine mutige, sogar waghalsige Strategie.

Mag sein, dass SPD-Funktionäre daran glauben. Die Wähler aber erinnern sich gut, dass die SPD in den vergangenen elf Jahren an der Bundesregierung beteiligt war. Und sie sind offenkundig nicht der Ansicht, dass Angela Merkel die Ursache des Weltwirtschaftdebakels ist oder unangemessen auf die Krise reagiert.

Wenn die Bundestagswahl keine Richtungsentscheidung für das Land sein sollte, ist sie doch eine für die SPD. Misslingt ihr die Rückkehr in die Regierung, wird sich die Partei entscheidend verändern. Sie muss dann über die eigene Richtung streiten und fürchten, in der Opposition auf dem Weg nach links ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren.

© SZ vom 15.06.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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