SPD:Die Genossen im Osten beschwören alte Erinnerungen

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  • In Potsdam etwa regieren die Sozialdemokraten seit dem Ende der DDR. Drei SPD-Ministerpräsidenten führten Brandenburg bisher.
  • Zuletzt lag die SPD dort in einer Umfrage unter 20 Prozent, knapp hinter der CDU und der AfD, die hier bei der Europawahl stärkste Partei wurde.
  • Gewählt wird am 1. September auch in Sachsen, Ende Oktober dann in Thüringen. In beiden Ländern regiert die SPD als Juniorpartner mit.

Von Thomas Hahn, Cornelius Pollmer und Jens Schneider

Es gibt auch in diesen Wochen noch Regionen in Deutschland, in denen die SPD mit großer Selbstverständlichkeit die Politik dominiert. Und wo sie deshalb viel zu verlieren hat. Eine solche rote Bastion liegt eine halbe Zugstunde von der Hauptstadt entfernt.

In Potsdam regieren die Sozialdemokraten seit dem Ende der DDR. Drei SPD-Ministerpräsidenten führten Brandenburg bisher, erst Manfred Stolpe, dann Matthias Platzeck, auf ihn folgte 2013 Dietmar Woidke, ein Agraringenieur mit meist ruhiger Gemütslage, der nun Grund zu großer Ungeduld hat. Gewiss, die SPD solle in Ruhe über ihre künftige Spitze beraten, sagt der 57-Jährige. "Aber wir dürfen uns zugleich keine Hängepartie erlauben."

Woidke und seine SPD haben knapp drei Monate Zeit, um bis zur Landtagswahl am 1. September die Stimmung zu drehen. Zuletzt lag die SPD in einer Umfrage unter 20 Prozent, knapp hinter der CDU und der AfD, die hier bei der Europawahl stärkste Partei wurde. Unerreichbar erscheinen die 31,9 Prozent der letzten Wahl, als die SPD weit vor der CDU und allen anderen lag. Gewählt wird am 1. September auch in Sachsen, Ende Oktober dann in Thüringen. In beiden Ländern regiert die SPD als Juniorpartner mit. So geht es für sie im Herbst um drei Regierungsbeteiligungen und die Frage, welche Bedeutung sie in Ostdeutschland noch haben kann.

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Bei den Abgesängen auf die SPD wird dieser Tage oft vergessen, dass sie in vielen Bundesländern die Regierungsgeschäfte mitbestimmt. Im Osten ist sie in allen fünf Ländern dabei, so auch in Sachsen-Anhalt als kleiner Partner, und prominent im Nordosten: Mecklenburg-Vorpommern ist das Land, in dem die SPD-Hoffnung Manuela Schwesig, 45, als Ministerpräsidentin ein Bündnis mit der CDU anführt.

In Thüringen und Sachsen kämpfen die Sozialdemokraten gegen ihre Marginalisierung

Die Kommunalwahlen dort, die parallel zur Europawahl stattfanden, passten allerdings zum Negativtrend: 15,4 Prozent in der Gesamtabrechnung. 3,5 Prozentpunkte weniger als 2014. Traditionell dominiert hier die CDU die Landkreise. Julian Barlen, Generalsekretär des SPD-Landesverbandes, wollte deshalb nichts dramatisieren. "Wir sind gut beraten, bei uns zu bleiben", sagte er.

Auf ganz eigene Art leiden die Verbände in Thüringen und Sachsen unter der Unruhe an der Spitze der Bundespartei. Seit Jahren kämpfen die Genossen hier gegen ihre Marginalisierung. "Was sich momentan in Berlin abspielt, ist für uns kein Rückenwind, sondern ein Sturm von vorn", sagt Matthias Hey, Fraktionschef in Thüringen.

Zwar könne über den Sommer viel passieren. Aber Hey sagt auch, er mache sich nicht allzu große Hoffnungen, dass in Berlin der Wind drehe. Und was heißt das für Thüringen, wo die SPD in einer rot-rot-grünen Koalition mitregiert und in Umfragen derzeit knapp zweistellig liegt? Es bedeute, so Hey, "dass die ohnehin schwere Arbeit, die auf uns im Wahlkampf zukommt, durch all das noch ein kleines Stückchen schwieriger geworden ist. Aber wir sind nach wie vor kampfeslustig."

Man solle den Einfluss aus Berlin aber auch nicht überschätzen, sagt Henning Homann, SPD-Generalsekretär in Sachsen. "Wir wussten vorher, dass wir es aus eigener Kraft schaffen müssen in Sachsen, es war ja jetzt nicht so, dass wir bis Sonntag profitiert hätten von der guten Lage in Berlin." Zudem gebe in seiner Heimat, wo die SPD von ihrer Koalition mit der CDU in Umfragen nicht gerade profitiert, andere Sorgen. Mit Blick auf die starke AfD sagt Homann: "Dieses Jahr geht es in Sachsen um extrem viel und nicht nur darum, ob die SPD am Ende zwei Prozentpunkte mehr oder weniger bekommt."

In Brandenburg sieht sich die SPD wie selbstverständlich als Regierungspartei

Unabhängig davon empfiehlt er seiner Partei, den Osten personell und inhaltlich mehr zu berücksichtigen: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir ein Spitzen-Duo bekommen, Frau und Mann, Ost und West. In welcher Kombination auch immer." Überhaupt könne die SPD viel von den ostdeutschen Landesverbänden lernen: "Dort sind Personalquerelen viel seltener, wir gehen respektvoller miteinander um. Wir haben Erfahrungen damit, mit schmaleren Strukturen gute Arbeit leisten zu müssen. Und wir wissen gut zwischen politischen Kontrahenten und politischen Feinden zu unterscheiden."

Das war allerdings nicht zwingend der Eindruck, als vier Wochen vor der Europawahl Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Finanzminister Mathias Brodkorb zurücktrat - ausdrücklich wegen Konflikten mit Manuela Schwesig. Die wiederum benannte noch am gleichen Tag ihren Vertrauten Reinhard Meyer als Nachfolger.

In Brandenburg sieht sich die SPD weiter als die selbstverständliche Regierungspartei. Sie hofft, dass Woidke mit seinem Amtsbonus viel mehr Stimmen holt als der blasse CDU-Chef Ingo Senftleben. Woidke hat den Kampf schon vor Monaten begonnen, gerade in den AfD-Hochburgen. Intensiv bereist er das Hinterland, um dem Gefühl vieler Wähler entgegenzutreten, dass ihre Region vernachlässigt wird.

Die Genossen beschwören Erinnerungen an frühere Kämpfe. Schon einmal haben sie hier eine Wahl in heftigem Gegenwind gewonnen, im Jahr 2004, als die Wut über Gerhard Schröders Hartz-Reformen das Land erschütterte. Woidke sagt nun: "So, wie wir schon andere Stürme überstanden haben, wird es uns auch diesmal gelingen, gestärkt daraus hervorzugehen." Damals freilich gab es keine AfD, und die Bundes-SPD lag nicht in Scherben.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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