Lars Klingbeil:Kaum einer kennt sich in der SPD so gut aus wie er

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Seit vier Jahren ist Lars Klingbeil der SPD-Generalsekretär - klar ist: Das wird er nicht bleiben. (Foto: Carsten Koall/Getty Images)

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat die Wahlkampagne organisiert, die Olaf Scholz wohl ins Kanzleramt bringt - und ihn vielleicht ins Amt des Vorsitzenden. Die Nerven dafür dürfte er haben.

Von Mike Szymanski, Berlin

Für Lars Klingbeil dürfte es höchste Zeit sein, den Job zu wechseln. Generalsekretär der SPD ist er seit Ende 2017, also bald vier Jahre. Das ist für sich genommen keine so lange Zeit, aber die Jahre dürften sich zwei oder dreimal so lange angefühlt haben. Zählt man die kommissarischen Vorsitzenden mit, dann diente er schon acht Chefs. In dieser Zeit hatte sich die Partei zuerst fast zerlegt und dann bei der Bundestagswahl spektakulär zurückgemeldet.

Nun hat der Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans angekündigt, im Dezember nicht wieder anzutreten. Weil die SPD seit 2019 von einer Doppelspitze geführt wird, muss die Stelle von Walter-Borjans nachbesetzt werden. Dessen Partnerin Saskia Esken tendiert nach SZ-Informationen klar dazu, erneut als Parteichefin kandidieren zu wollen.

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Klingbeil gilt als Favorit für den anderen Chefposten. Als Verteidigungsminister ist er auch im Gespräch. In der Partei heißt es: Wenn Klingbeil will, kann er Vorsitzender werden. Nächste Woche will der Vorstand einen Personalvorschlag unterbreiten.

Die Geschichte mit Franz Müntefering und dem Piercing

Kaum einer kennt sich in der SPD unten wie oben so gut aus wie Klingbeil, 43. Beim Vorsitzenden Martin Schulz (2017 - 2018) war er immer auch als Kummerkasten gefragt. Unter Andrea Nahles (2018 - 2019) hatte er den Frust der Basis über die große Koalition aushalten müssen. Nach ihrem Scheitern steuerte Klingbeil die Partei durch ein zähes halbes Jahr der Vorsitzsuche mit 23 Regionalkonferenzen. Dass er nicht selbst in den Wettbewerb eintrat, lag daran, dass er keine Teampartnerin für die Doppelspitze gefunden hatte.

Klingbeil galt damals schon als Führungsreserve: Einer, der sich souverän in den sozialen Netzwerken bewegt, oft weiße Turnschuhe trägt und Hip-Hop-Konzerte mag: Mit ihm wirkt die SPD gleich gar nicht mehr so altbacken. Mit der stringenten Wahlkampagne, die Olaf Scholz ins Kanzleramt führen dürfte, hat er seine Fähigkeiten als Manager unter Beweis gestellt. Und er bewies Nerven: Selbst als die SPD monatelang bei 15 Prozent betoniert war, hielt er an der Strategie fest. Zugleich zeichnet ihn eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit aus, andernfalls hätte er kaum so vielen unterschiedlichen Vorsitzenden dienen können. Er hat großen Anteil daran, dass Scholz als Kanzlerkandidat sowie Esken und Walter-Borjans als Parteichefs ihre Konflikte beilegten. Er hielt den Laden zusammen, indem er vermittelte.

In der Bundestagsfraktion gehört Klingbeil dem konservativen "Seeheimer Kreis" an, einem der drei Flügel. Aber als eher konservativ wurde er nicht immer wahrgenommen. Als er 2005 zum ersten Mal in den Bundestag kam, als Nachrücker, hatte er ein Piercing in der linken Augenbraue, und Franz Müntefering stellte ihn der Fraktion so vor: "Der Lars ist Jungsozialist - und das sieht man ihm auch an." Das Piercing legte er dann bald ab.

Umorientierungen scheinen eine Konstante in seiner Biografie zu sein. Klingbeil wuchs im niedersächsischen Munster in einem Soldatenhaushalt auf. Er machte dann aber Zivildienst. Die Anschläge vom 11. September veränderten sein Verhältnis zur Bundeswehr: Er war für ein Praktikum bei der Ebert-Stiftung gerade in New York. Als Schüler demonstrierte er gegen die Bildungspolitik von Ministerpräsident Gerhard Schröder. Das Motto damals: "Schüler immer blöder dank Gerhard Schröder". Als Politikstudent arbeitete er dann in dessen Abgeordnetenbüro.

Inzwischen hat Klingbeil sein eigenes Abgeordnetenbüro, den Wahlkreis eroberte er diesmal mit 47 Prozent der Stimmen. Dort, in Soltau, steht auch der "Rote Bahnhof", von wo aus seine Leute den Wahlkreis-Wahlkampf steuerten. Falls in ein paar Jahren mal vom Klingbeil-Zug die Rede sein sollte: Von dort könnte er gestartet sein.

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