SPD:Der heimliche Vorsitzende

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Seit dem Ende von Jamaika bringt Steinmeier Integrität und parteiübergreifende Anerkennung durchaus kommunikationsstark zur Geltung. (Foto: AP)

Nicht einmal als Kanzlerkandidat war Steinmeier in der SPD so einflussreich wie jetzt als Bundespräsident mit ruhender Parteimitgliedschaft. Er ist eine Instanz, der sich die Genossen nicht entziehen können.

Kommentar von Nico Fried

Vor einem Jahr sagte SPD-Vize Ralf Stegner, ein Bundespräsident müsse integer, kommunikationsstark und über Parteigrenzen hinaus anerkannt sein. Alles das gelte für Frank-Walter Steinmeier. Bald darauf wurde Steinmeier Bundespräsident, die SPD jubelte.

Seit dem Ende von Jamaika bringt Steinmeier Integrität und parteiübergreifende Anerkennung durchaus kommunikationsstark zur Geltung. Bei Stegner aber bedeutet die Bezeichnung stellvertretender Parteichef seither, dass er auch stellvertretend für jene Kritiker einer großen Koalition in der SPD steht, denen ausgerechnet Steinmeier zum größten Kontrahenten geworden ist.

Selbst als Kanzlerkandidat war Steinmeier in der SPD nicht so einflussreich wie als Bundespräsident mit ruhender Parteimitgliedschaft. Er ist eine Instanz, der sich die Genossen nicht entziehen können, schließlich haben sie ihn empfohlen. Und sie können sich seiner nicht entledigen, gerade weil er formal keiner von ihnen mehr ist.

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Der Mann, der als Außenminister in Konflikten unermüdlich, wenn auch nicht immer erfolgreich, für Dialog warb, schubst und drückt nun die SPD geduldig an den Verhandlungstisch mit der Union. Was ihm in der Diplomatie bisweilen fehlte, gewährt ihm das Grundgesetz in beliebiger Menge: Zeit. Die Verpflichtung aller zum Gespräch endet letztlich erst, wenn es der Bundespräsident so will und sagt.

Jetzt wollen sie sich dem fügen, was Steinmeier erwartet

Unter dem heimlichen Vorsitzenden Steinmeier zerfällt die SPD in drei Gruppen: Da sind erstens jene, die eine Absage an die große Koalition immer falsch fanden. Ihr Frontmann ist Sigmar Gabriel, der 2013 die SPD unter Durchsetzung vieler Herzensanliegen in die Regierung führte. Er wittert auch die Chance, Außenminister zu bleiben. Gabriels größter Coup als SPD-Chef war es, Steinmeier ins Bellevue zu hieven. Es wäre - auch angesichts der wenig herzlichen Beziehung beider Herren - von erlesener Ironie, wenn Steinmeier nun das Auswärtige Amt für Gabriel rettete.

Die zweite Gruppe sind jene Gegner einer großen Koalition, die sich auch von staatspolitischen Erwägungen nicht umstimmen lassen wollen, selbst wenn sie von Steinmeier kommen. Im Gegenteil: Für viele Genossen verkörpert der einstige Kanzleramtschef als geistiger Vater der Agenda 2010 den Beginn allen SPD-Übels - zu Unrecht, aber hartnäckig. Dass ausgerechnet dieser Steinmeier ihre Partei nun wieder in die Regierungspflicht nehmen will, dürfte ihnen nicht mehr als historische Ironie vorkommen, sondern nur noch als schlechter Witz.

Die dritte Gruppe sind jene, denen es nicht ungelegen kommt, dass es der Bundespräsident ist, der eine Richtung vorgibt. Zu dieser Gruppe gehören der Parteichef, aber auch viele seiner Stellvertreter und andere wichtige Würdenträger. Keiner von ihnen hätte derzeit die Kraft und die Autorität, einen Kurs alleine durchzusetzen - welchen auch immer. Insofern ist es immerhin beachtlich, dass die Parteispitze inzwischen Geschlossenheit darüber hergestellt hat, sich einträchtig dem zu fügen, was Steinmeier erwartet.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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