Spanien:Ein Dorf will nicht schön sein

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Schon schön: Siurana aus der Luft. (Foto: Sergi Reboredo/imago images/ZUMA Wire)

Warum sich Siurana weigert, in die Liste der hübschesten Ortschaften Spaniens aufgenommen zu werden.

Von Celine Chorus

Eingebettet zwischen dem Prades-Gebirge im Osten und der Serra de Montsant im Westen, am Abhang eines Kalksteinfelsens in 740 Meter Höhe gelegen, erhebt sich das malerische Dorf Siurana. Es gehört zur Gemeinde Cornudella de Montsant in der katalanischen Provinz Tarragona und ist nur über eine kurvenreiche Strecke durch eine Schlucht zu erreichen. Oben angekommen, eröffnet sich den Besuchern ein faszinierender Ausblick auf ein Flusstal. Die charakteristische Felslandschaft rund um das Dorf lockt Kletterer aus aller Welt nach Siurana.

Doch in der Schönheit des Dorfes liegt sein Problem: Jedes Jahr kommen 419 000 Menschen in die Gegend um Siurana, mehr als 1800 Besucher waren es an einem einzigen Tag im August. Es sind schon jetzt so viele Touristen, dass an manchen Tagen die Zufahrt ins Dorf geschlossen werden muss; dann gibt es Warteschlangen von 15 Minuten bis zu einer halben Stunde. Dabei leben in Siurana gerade einmal knapp über 20 Menschen, im Ort gibt es lediglich fünf Gaststätten und zwei Hotels. "Wir haben nicht genug Platz, um noch mehr Menschen zu versorgen", sagte der Bürgermeister von Cornudella de Montsant, Salvador Salvadó, der Nachrichtenagentur EFE.

Kürzlich wurde Siurana von der katalanischen Regierung zu einem "Poble amb Encant", zu einem Dorf mit Charme erklärt. Eine Organisation, die die schönsten Ortschaften Spaniens kürt, wollte noch einen Schritt weiter gehen und hat vorgeschlagen, Siurana auch in ihre Liste aufzunehmen. Aus Angst, dass sich der massive Besucheransturm durch die Auszeichnung nur verschlimmern würde, hat der Stadtrat abgelehnt. Man werde die Idee zwar prüfen, sei aber "im Moment nicht interessiert". El pueblo que no quiere ser el más bonito, titelten die spanischen Zeitungen: Das Dorf, das nicht das schönste sein möchte.

"Es würde uns mehr Autos, mehr Busse und einen größeren Zustrom von Menschen bringen, gerade wenn wir eigentlich daran arbeiten, diese Situation zu regulieren", erklärte Salvador Salvadó bei Catalunya Ràdio. Er sei nicht gegen Tourismus, wolle aber verhindern, dass das Dorf überlaufen werde: "Wir wollen, dass die Menschen, die nach Siurana kommen, zufrieden wieder abreisen." Er vergleicht die Situation damit, als würde man die Milch verkaufen, aber die Kuh nicht haben: Schon jetzt sind die beiden Parkplätze auf 180 Stellplätze beschränkt, eine Erweiterung ist wegen ihrer Lage in einem Naturschutzgebiet nicht möglich.

Wie in anderen Dörfern sind die Menschen in Siurana jedoch auf den Tourismus angewiesen - und dementsprechend gibt es auch Stimmen, die die Entscheidung kritisch sehen. Wie der Nachbarschaftsverein, der sich gewünscht hätte, vom Bürgermeister konsultiert zu werden. Oder der Besitzer eines Campingplatzes, der fordert, den Touristen mehr zu bieten, damit sie noch etwas länger im Dorf bleiben. "Das Problem ist nicht, dass Siurana schön ist. Das Problem ist, dass nichts getan wurde, um den Besucheransturm zu bewältigen", sagte Andreu Bartolomé, der in Siurana ein Restaurant besitzt, der Zeitung El País. Und so bleibt das Dorf erst mal weiterhin im Verborgenen.

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