Katholische Kirche:Spanische Kirche will alle Missbrauchsopfer entschädigen

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Die Spanische Bischofskonferenz (CEE) hat einen umfassenden Wiedergutmachungsplan für Opfer von sexuellem Missbrauch gebilligt. (Foto: imago)

Wer in Einrichtungen der katholischen Kirche Missbrauch erfahren hat, soll finanzielle Entschädigungen erhalten. Die Entscheidung stellt eine Kehrtwende in Spanien dar.

Die katholische Kirche in Spanien will entgegen ihrer bisherigen Haltung alle Opfer von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen finanziell entschädigen. Ein umfassender Wiedergutmachungsplan für Opfer von sexuellem Missbrauch sei gebilligt worden, teilte die Spanische Bischofskonferenz (CEE) mit. Zuvor hatte sich die Konferenz zu einer fünftägigen Vollversammlung in Madrid zusammengefunden.

Bei den Opfern handelt es sich vor allem um Kinder und Jugendliche. Man wolle alle Missbrauchsopfer entschädigen, selbst in Fällen, in denen der Täter verstorben sei oder kein Gerichtsurteil vorliege, hieß es. Die Kirche müsse nur die moralische Überzeugung haben, dass die Tat stattgefunden habe. "Das muss von Fall zu Fall geprüft werden. Und wenn man zu dieser moralischen Überzeugung gelangt, wird es eine Wiedergutmachung geben", erklärte CEE-Generalsekretär César García Magán. Dies solle so bald wie möglich geschehen.

Angaben zu möglichen Beträgen machte García Magán nicht - und auch nicht dazu, ob die Kirche erwäge, Vermögenswerte zu verkaufen, um die Entschädigungen zu zahlen. Im Prinzip sollten die Entschädigungen von den Tätern gezahlt werden, die das Verbrechen begangen haben, sagte García Magán, und gegebenenfalls auch von den beteiligten Institutionen. "Wenn der Täter zum Beispiel verstorben ist, sollte die Institution zahlen."

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Von Bernd Kastner und Annette Zoch

Einem im Juni veröffentlichten Kirchen-Bericht zufolge haben 728 Mitglieder der Kirche zwischen 1945 und 2022 in kirchlichen Institutionen mindestens 927 Minderjährige sexuell missbraucht. Es handele sich nicht um eine abschließende Zahl, da die Anlaufstellen der Kirche für Betroffene ihre Arbeit fortsetzten, stand in dem Bericht. "Wir empfinden Schmerz und Scham", sagte García Magán damals. Man wolle der Geißel des Missbrauchs ein Ende setzen.

Ende Oktober hat eine vom Parlament beauftragte Studiengruppe die Zahl der Missbrauchsopfer der Kirche sogar auf Hunderttausende geschätzt. Es seien wohl mindestens 236 000 Menschen, die als Minderjährige in kirchlichen Einrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten sexuell missbraucht worden seien, hieß es. Damals schlug der spanische Ombudsmann und Untersuchungsleiter Ángel Gabilondo einen staatlichen Entschädigungsfonds für die Opfer vor.

Kirche entschädigt auch für verjährten Missbrauch

Die geplanten Entschädigungen sollen auch für jene Opfer gelten, deren Fälle strafrechtlich verjährt sind oder aus anderen Gründen nicht mehr geahndet werden können.

Dass die katholische Kirche in Spanien alle Opfer von sich aus entschädigen will, stellt eine Wende dar. Bisher hatte sie Entschädigungszahlungen erst nach entsprechenden Gerichtsurteilen geleistet. Die Kirche steht seit Ende Oktober wieder verstärkt unter öffentlichem Druck, nachdem ein vom Parlament beauftragter Ombudsmann seinen Bericht über sexuellen Missbrauch im kirchlichen Raum vorlegte. Dabei wurden zwar keine konkreten Opferzahlen genannt. Der Parlamentsbeauftragte stellte jedoch eine eigens in Auftrag gegebene Umfrage mit rund 8 000 erwachsenen Teilnehmern vor, wonach 0,6 Prozent der Befragten angaben, Missbrauch durch Priester oder Ordensleute erlitten zu haben.

Spanische Medien rechneten diesen Wert auf die Gesamtbevölkerung des Landes hoch und kamen so auf mehr als 200 000 Betroffene. Die Bischofskonferenz hält diese Zahl für übertrieben, stellte ihre eigenen Untersuchungsergebnisse allerdings noch nicht vor.

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