Katalonien:Carles Puigdemont will es noch mal wissen

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Der 2017 nach Belgien geflohene Katalane Carles Puigdemont hat am Donnerstag seine Kandidatur angekündigt. (Foto: Lionel Bonaventure/AFP)

Der spanische Separatist möchte werden, was er schon mal war: Kataloniens Präsident. Doch seine Kandidatur für die Regionalwahlen im Mai ist riskant - politisch und persönlich.

Von Patrick Illinger, Madrid

Der große Auftritt beginnt in einem prall gefüllten Saal. Gefüllt mit mehreren Hundert Menschen, aber auch gefüllt mit pathetischer Musik, wie sie den Auftritt eines Boxers ankündigen könnte. Hinter dem Rednerpult prangt eine Leinwand mit der Aufschrift "President Carles Puigdemont". So zeigen es die Videobilder von Donnerstagabend, live übertragen von den meisten spanischen Medien.

Puigdemont, der ehemalige katalanische Regierungschef, lässt sich noch immer gern als "Präsident" ansprechen - obwohl er doch 2017 wegen des illegalen Versuchs, Katalonien von Spanien abzuspalten, nach Belgien floh, wo er sich seither dem Zugriff der spanischen Justiz entzieht. "Präsident" skandieren denn auch seine Anhänger in dem Saal in Elne, einem französischen Ort gleich hinter der spanischen Grenze. Puigdemont ist angereist, um in größtmöglicher Nähe zu Spanien seine Kandidatur für die Regionalwahlen in Katalonien am 12. Mai anzukündigen.

"Lassen Sie uns klarstellen, dass dies meine Priorität ist."

"Damit niemand Zweifel hat und niemand spekuliert", habe er beschlossen, bei der Europawahl am 9. Juni nicht mehr anzutreten, sagt Puigdemont. Sein Ziel sei nicht ein Sitz im Europäischen Parlament, sondern der Chefsessel der Generalitat, der katalanischen Regionalregierung. "Lassen Sie uns klarstellen, dass dies meine Priorität ist." Und: "Ich werde alles geben."

Doch alles zu geben, ist das eine, viel zu riskieren, das andere. Ein Sieg seiner Partei Junts per Catalunya in Katalonien ist trotz Puigdemonts selbstbewussten Auftritts keineswegs gewiss. In einer aktuellen Umfrage des Zentrums für Meinungsstudien (CEO) der katalanischen Regionalregierung liegen andere vorn. An erster Stelle die PSC, der katalanische Ableger der sozialistischen Partei Spaniens (PSOE), die ihren Vorsprung seit den letzten Wahlen 2021 sogar noch ausgebaut hat. Besser als Junts schneidet auch die ebenfalls separatistisch gesinnte, linksgerichtete Partei ERC ab, die derzeit den Regierungschef stellt. Und auf konservativer Seite würde der Umfrage zufolge der in Katalonien generell schwache Partido Popular zulegen und mit der Ultranationalisten-Partei Vox gleichziehen.

In der Summe aber könnte das aus ERC, Junts und einer weiteren Kleinpartei bestehende Lager der Unabhängigkeitsbefürworter durchaus eine Mehrheit erlangen. Diese Chance versucht Puigdemont für sich zu nutzen. Er rief alle, die für eine Abspaltung Kataloniens plädieren, zur Bildung einer gemeinsamen Liste auf - zweifellos in der Hoffnung, ihn, Puigdemont, zurück an die Spitze der katalanischen Regierung zu katapultieren. Doch durch diese Rechnung machten die Konkurrenten von ERC umgehend einen Strich: Sie erteilten einer gemeinsamen Liste eine klare Absage.

Die Ausgangslage für beide Widersacher ist schwierig

Als Anführer der lediglich drittstärksten Kraft im katalanischen Parlament wären Puigdemonts Chancen auf eine Wiederwahl zum Präsidenten eher gering. Der derzeit amtierende Präsident Pere Aragonès von der ERC will sein Amt behalten, wofür allerdings auch er eine Mehrheit brauchen wird. 2021 stimmte das Junts-Lager zwar noch für ihn, damals ohne den Spitzenkandidaten Puigdemont, aber schon im Herbst 2022 kündigte es die Zusammenarbeit mit Aragonès auf. Dieser führt seitdem eine Minderheitsregierung, die daran scheiterte, einen Haushalt für das laufende Jahr zu verabschieden - weshalb Aragonès sich gezwungen sah, eine vorgezogene Regionalwahl anzusetzen. Puigdemonts Chance.

Um seine Position zu stärken, hat Aragonès in dieser Woche ein radikal verändertes Finanzierungsmodell für Katalonien vorgeschlagen. Es würde die Region zumindest in Geldfragen weitgehend unabhängig von Madrid machen. Der Vorstoß ist in Katalonien populär, bringt Aragonès aber nun den Unmut fast aller anderen der insgesamt 17 Autonomieregionen Spaniens ein.

Unklar ist zudem, ob Carles Puigdemont zur Regionalwahl am 12. Mai gefahrlos in Spanien einreisen kann. Das mit Premier Pedro Sánchez ausgehandelte Amnestiegesetz ist zwar auf dem Weg, wird aber noch mehrere Wochen bis zur Rechtskraft brauchen. Sollte ihn das neu gewählte Parlament jedoch zum Präsidenten wählen wollen, kehre er ungeachtet eines Haftbefehls sofort nach Spanien zurück, verspricht Puigdemont seinen Anhängern in Elne: Er werde sein "Exil an diesem Tag beenden und an der Parlamentssitzung teilnehmen". Die Regierung in Madrid werde er dann um ein Unabhängigkeitsreferendum bitten. Sollte sich Madrid dem widersetzen, sei auch ein einseitiges Vorgehen nicht ausgeschlossen.

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