Spanien:Ein Zeichen gegen Madrid

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Carles Puigdemont bei der Ankunft in Kopenhagen, wo er an einer Veranstaltung teilnahm. Spanien verzichtete darauf, einen Haftbefehl zu aktivieren. (Foto: Scanpix Denmark/Reuters)
  • Der katalanische Parlamentspräsident Torrent hat Puigdemont für eine weitere Amtszeit als Regionalpräsident nominiert.
  • Zuvor hatte er allerdings wiederholt klargestellt, dass er es für keine gute Idee hält, die Region aus dem Exil in Brüssel zu regieren.
  • Die Mehrheit der Abgeordneten unterstützt dennoch Puigdemonts Nominierung, weil sie ein Zeichen gegen Madrid setzen wollen.

Von Thomas Urban, Madrid

Nicht um die Person Carles Puigdemont gehe es, sondern um die Wiedergewinnung der Institution, nämlich um die Regierung der autonomen Region Katalonien. So interpretieren die Medien in Barcelona die Erklärungen des neuen katalanischen Parlamentspräsidenten Roger Torrent zur Nominierung Puigdemonts für eine weitere Amtszeit als Regionalpräsident. Torrent hat wiederholt klargestellt, dass er es für keine gute Idee hält, die Region aus dem Exil in Brüssel zu regieren, wo sich Puigdemont seit Ende Oktober aufhält. Der Regierungschef müsse "von Anfang an in vollem Umfang" seine Aufgaben wahrnehmen können.

Mit anderen Worten: Die Unterstützung für den im Oktober abgesetzten Puigdemont ist ein symbolischer Akt, sie solle ihm im Grunde nur einen Abgang in Ehren ermöglichen. Torrent liegt damit auf der Linie seiner Partei, der traditionsreichen Republikanischen Linken (ERC). Aus deren Reihen wurde in den vergangenen Tagen gestreut, dass man auch mit einem anderen Kandidaten der Demokratisch-Europäischen Partei (PDeCat), der Puigdemont angehört, leben könnte. Die PDeCat stellt die größte Fraktion unter den Sezessionisten, erhebt somit Anspruch auf die Führung der Regierung.

Seine Kritiker sehen Piugdemont als wankelmütig und führungsschwach an. Auch ist er in den eigenen Reihen umstritten: Hinter der PDeCat steht das konservative und liberale Bürgertum, somit auch Wirtschaftskreise, die an einer politischen Isolierung Kataloniens nicht interessiert sind. Der frühere Regionalpräsident Artur Mas etwa, der bislang ein Förderer Puigdemonts war, hat diesen zu Realismus gemahnt. Die Mehrheit der Abgeordneten unterstützt dennoch Puigdemonts Nominierung, weil sie ein Zeichen gegen Madrid setzen wollen.

Barcelona
:Puigdemont soll erneut katalanische Regierung führen

Parlamentspräsident Torrent benennt den entmachteten katalanischen Präsidenten offiziell zum "einzigen Kandidaten". Das Oberste Gericht Spaniens lehnt es ab, einen neuen europäischen Haftbefehl gegen den Politiker zu erlassen.

Unter ihnen herrscht Einigkeit, dass die Untersuchungshaft für mehrere Spitzenaktivisten sowie die Haftbefehle für Puigdemont und mehrere Mitstreiter eine grobe Rechtsbeugung darstellen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihnen Rebellion und Aufruhr vor, diese sind jedoch als Tatbestände durch gewaltsame Aktionen und Aufrufe zur Gewalt definiert - doch dazu kam es nicht. Besonders empört es die Katalanen parteiübergreifend, dass Parteifreunde von Ministerpräsident Mariano Rajoy, die in riesige Korruptionsaffären verwickelt sind, trotz laufender Gerichtsverfahren auf freiem Fuß geblieben sind.

Tiefe Risse in der Unabhängigkeitsbewegung

In Madrid wurde registriert, dass Torrent sich um eine versöhnliche Sprache bemüht. Zwar nannte er die katalanischen Häftlinge "politische Gefangene" und irritierte damit die spanische Führung. Doch nahm man auch wahr, was er bei seinen bisherigen Auftritten nicht sagte: So erwähnte er mit keinem Wort das Unabhängigkeitsreferendum und die Ausrufung der unabhängigen Republik Katalonien im Oktober.

Beides war Anlass für die Zentralregierung unter Rajoy, das Parlament in Barcelona aufzulösen und die Regionalregierung unter Puigdemont wegen Bruchs der spanischen Verfassung abzusetzen. Vielmehr sprach Torrent von Realismus. Die Befürworter der Unabhängigkeit haben bei den vorgezogenen Regionalwahlen im Dezember nur 47 Prozent der Stimmen erreicht, was zu einer knappen Mehrheit der Mandate reicht, aber ihrem bisherigen Kurs kaum politische Legitimität gibt.

Die Reaktionen auf Torrents Reden haben tiefe Risse in der Unabhängigkeitsbewegung offenbar werden lassen. So warfen ihm Vertreter der neomarxistischen Gruppierung CUP vor, vom Weg zur Unabhängigkeit abweichen zu wollen. Von den vier CUP-Abgeordneten hängt die Mehrheit der Sezessionisten im Parlament ab, zusammen verfügen die drei Parteien über 70 der 135 Sitze. In der PDeCat vermisste man ein energisches Bekenntnis Torrents zu Puigdemont.

In Barcelona stand der 38-Jährige bislang in der zweiten Reihe und galt als Vertreter des radikalen ERC-Flügels. Doch davon war in den vergangenen Tagen nichts zu spüren. Er ist der Jüngste, der jemals an die Spitze der Generalitat gewählt wurde, des katalanischen Parlaments, dessen Anfänge auf das 14. Jahrhundert zurückgehen. Dass er ins Rampenlicht vorgerückt ist, hat der Vater zweier Töchter auch der Tatsache zu verdanken, dass er zu den wenigen führenden Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung gehört, denen kein Strafverfahren droht.

Realismus bedeutet für den asketisch wirkenden Torrent nach seinen eigenen Worten eine Politik der kleinen Schritte: mehr Kompetenzen der Region gegenüber Madrid. Seine ersten Erfahrungen sammelte er in der Lokalpolitik, mit gerade mal 26 Jahren wurde er Bürgermeister der 5000 Einwohner zählenden Industriegemeinde Sarrià de Ter, in der Papierfabriken die größten Arbeitgeber sind. Nebenbei schloss er sein Politologie-Studium ab. Fotos aus dieser Zeit zeigen einen Musterschüler in Pullover mit dicker Hornbrille. Heute dagegen gibt er in gut geschnittenen Anzügen den Hipster - und steht damit auch für die pragmatische junge Generation.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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