Slowakei:Neuer Premier bestätigt die Sorgen

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Sein neuer Kurs ähnelt dem in Ungarn: der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. (Foto: Radovan Stoklasa/Reuters)

Robert Fico möchte Polizei und Justiz in der Slowakei stärker kontrollieren - und mit einigen Medien gar nicht mehr reden. So entfernt sich der EU-Staat zunehmend vom Nachbarn Tschechien.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Robert Fico hat der Tageszeitung Denník N schon lange keine Anfragen mehr beantwortet. Aber in den vergangenen drei Jahren war er immerhin nur Oppositionsführer, Corona-Leugner und Verschwörungserzähler, der die USA für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verantwortlich machte. Jetzt ist Robert Fico Ministerpräsident der Slowakei, zum vierten Mal. Und aus dem Ignorieren von Medien wird eine offizielle Strategie.

Fico hat nun vier Medien mitgeteilt, dass er nicht mehr mit ihnen reden wird, einem privaten Fernsehsender, Denník N und einer weiteren Tageszeitung sowie einem Onlineportal. Die vier Medien, erklärte Fico, verbreiteten "offen feindliche Positionen", die auf "falschen oder unvollständigen sowie dem Verschweigen von Informationen" basierten.

Im Parlament sind auch Anhänger prorussischer Verschwörungserzählungen

Unter den Medien, mit denen Fico nicht reden will, ist auch Aktuality.sk. Bei dem zum Schweizer Ringier-Konzern gehörenden Online-Nachrichtenportal arbeitete Ján Kuciak, der offenbar wegen seiner Recherchen im Mafia-Milieu im Februar 2018 gemeinsam mit seiner Freundin an seiner Haustür erschossen wurde.

Auch Journalisten der anderen Medien, denen Fico jetzt eine Absage erteilte, erhielten Morddrohungen, standen zeitweise unter Polizeischutz. Der Mord an dem erst 27 Jahre alten Kuciak hatte Fico zu Fall gebracht. Die Recherchen hatten bis in Ficos direktes Umfeld geführt. Ermittlungen gegen ihn und seinen damaligen Innenminister Robert Kaliňák führten zwar zu Razzien und kurzzeitigen Festnahmen, doch zu einer Anklage oder gar einem Prozess kam es nie. Kaliňák ist nun Verteidigungsminister und hat auch seinen Sohn mit ins Parlament gebracht. Auch der damalige Polizeipräsident Tibor Gašpar, der ebenfalls nach dem Mord an Kuciak zurücktreten musste, zog mit Ficos Partei Smer-SD bei der Wahl am 30. September in die Národná Rada, das slowakische Parlament, ein.

Am Dienstag verabschiedete Fico im Parlament sein Regierungsprogramm. Seine Koalitionspartner sind die sozialdemokratisch eingestellte Partei Hlas (Stimme), die sich unter dem früheren Premier Peter Pellegrini von Ficos Smer-SD abgespalten hatte, sowie die rechtsnationalistische Slowakische Nationalpartei (SNS). Auf deren Liste zogen mehrere Parteilose ins Parlament ein, die in sozialen Netzwerken mit teils faschistischen und prorussischen Verschwörungserzählungen eine große Gefolgschaft anziehen.

Diese Regierung habe Sehnsucht nach Straffreiheit, sagt ein Liberaler

Ficos Regierungsprogramm sieht - allerdings noch recht vage - Änderungen bei Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden vor, der Polizeipräsident wurde bereits abberufen. Fico und andere Politiker seiner Partei hatten im Wahlkampf behauptet, Polizei und Gerichte seien selbst politisch tätig oder würden von Regierung und Präsidentin für deren Zwecke genutzt. Gegen mehrere Kandidaten auf Ficos Liste war noch im Wahlkampf wegen des Verdachts der Korruption ermittelt worden.

In Ficos Regierungsprogramm ist nun die Rede davon, dass Polizei und Justiz stärker kontrolliert werden müssten. Allgemein sollen die Rechte der Angeklagten gestärkt und Strafsätze gesenkt werden. Kritiker sehen die Gefahr, dass Verfahren noch mehr als bisher in die Länge gezogen werden. In der Nationalratssitzung am Dienstag sagte der neue Oppositionsführer Michal Šimečka von der liberalen Partei Progresívne Slovensko: "Das Einzige, was diese Regierung motiviert, ist ihre Sehnsucht nach Straffreiheit, und das Einzige, worauf diese Regierung vorbereitet ist, ist Rache."

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Die Slowakei scheint mit ihrem neuen Kurs deutlich stärker an Ungarn heranzurücken, sowohl in der Art zu regieren als auch in der Außenpolitik. Im früheren Bruderstaat Tschechien hingegen wird die neue Regierung in Bratislava mit Sorge gesehen. Tschechien hat kürzlich zusätzlich zu den EU-Sanktionen eigene weitere Sanktionen gegen Russland verhängt und steht klar auf der Seite der Ukraine.

Fico erklärte am Dienstag, er respektiere die Mitgliedschaft der Slowakei in der EU und der Nato, doch die Außenpolitik werde sich "in alle vier Himmelsrichtungen" orientieren. Neue Sanktionen gegen Russland sollen in Zukunft immer zuerst auf ihre Auswirkungen auf die Slowakei hin überprüft werden, die Slowakei leide mit am stärksten darunter, heißt es in Bratislava. Bei seinem Besuch in Brüssel Ende Oktober hatte Fico allerdings alle Entscheidungen der EU-Staaten mitgetragen.

Ein sehr herzliches Verhältnis zueinander pflegen die Präsidentin der Slowakei, Zuzana Čaputová, und ihr tschechischer Kollege Petr Pavel. Beide trafen sich am 17. November in Prag, an dem beide Länder der Revolution von 1989 gedenken. An diesem Mittwoch sollen sich die Präsidenten erneut in Prag treffen, dann gemeinsam mit Katalin Novák aus Ungarn und Andrzej Duda aus Polen im Format der Visegrád-Gruppe.

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