Ukraine-Politik:Des Kanzlers Dreisatz

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"Es wird keine deutschen Alleingänge geben": Bundeskanzler Olaf Scholz bei der letzten Kabinettssitzung dieses Jahres am Mittwoch in Berlin. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Wie die Bundesregierung auf die USA-Reise des ukrainischen Präsidenten reagiert - und auf die Lieferung von US-"Patriot"-Systemen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Vermutlich weiß Olaf Scholz selbst nicht, wie oft er das jetzt schon gesagt hat. "Drei klaren Grundsätzen" folge man, wenn es um die militärische Unterstützung für die Ukraine gehe, wiederholt er immer wieder. "Erstens, wir unterstützen die Ukraine nach Kräften. Zweitens, wir verhindern, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen der Nato und Russland kommt. Und drittens wird es keine deutschen Alleingänge geben", bekräftigte er erst kürzlich wieder in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Es ist dies seine gleichbleibende Antwort auf alle Fragen nach mehr militärischer Unterstützung für die Ukraine, insbesondere nach den von der Regierung in Kiew eindringlich erbetenen Kampfpanzern des Typs Leopard 2.

Das klingt nach Abwiegeln, aber der Scholz-Dreisatz hat auch eine interessante Kehrseite. Wenn die USA Kampfpanzer lieferten, fiele das Argument des Alleingangs weg. Im Kanzleramt weiß man, dass Deutschland sich der Lieferung von Leopard-2-Panzern dann kaum noch entziehen könnte. Schon aus diesem Grund ist die spektakuläre Reise des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij nach Washington von besonderer Bedeutung auch für die Bundesregierung. Alles, was Selenskij in den USA, dem mit Abstand wichtigsten Unterstützer der Ukraine, erreichen kann, wird nicht ohne Wirkung bleiben auch in Berlin.

Als "sehr gutes, hoffnungsfrohes Zeichen 301 Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine" bezeichnete Regierungssprecher Steffen Hebestreit zunächst einmal die Tatsache, dass Selenskij die Ukraine verlassen und die Reise in die USA antreten konnte. Auch die schon Stunden vor seiner Ankunft in Washington verkündete Lieferung von Patriot- Flugabwehrsystemen aus den USA begrüßte Hebestreit im Namen der Bundesregierung. Die Lieferung sei mit engen Verbündeten wie Deutschland besprochen worden. Was allerdings nun nicht bedeutet, das machte Hebestreit auch gleich klar, dass nun auch Deutschland Patriot-Batterien liefern werde.

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Die Bundesregierung verweist zum einen darauf, in diesem Bereich bereits viel für die Ukraine getan zu haben. Gegen den russischen Luftterror im Einsatz ist das hocheffektive und von der Ukraine sehr gelobte deutsche System Iris-T SLM. Drei weitere dieser Systeme sollen kommendes Jahr geliefert werden. Auf der Liste deutscher militärischer Unterstützungsleistungen finden sich außerdem 30 Flakpanzer vom Typ Gepard inklusive etwa 6000 Schuss Flakpanzermunition. Sieben weitere dieser Panzer sollen folgen.

Die drei Patriot-Batterien der Bundeswehr, die nun zum Schutz der polnischen Ostgrenze eingesetzt würden, seien die letzten "noch verfügbaren" gewesen, argumentierte Hebestreit zum anderen. Die Entscheidung gegen Patriot-Lieferungen an die Ukraine sei also keine grundsätzliche, sondern eine "konkrete". Allerdings deutete der Regierungssprecher an, dass die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten an dem System in Deutschland stattfinden könnte. Das werde "womöglich in Europa und noch womöglicher auch in Deutschland" passieren. Entschieden sei aber von den USA noch nichts.

Weniger konkret als grundsätzlich bleibt das Nein zur Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Leopard 2. Hebestreit wiederholte hierzu noch einmal den Scholz-Dreisatz und betonte, es sei noch kein einziger Kampfpanzer "westlicher Provenienz" in die Ukraine geliefert worden. Allerdings, räumte er ein, handele es sich um ein "hochdynamisches Geschehen". Über eine mögliche Reise des ukrainischen Präsidenten auch nach Berlin sei im Übrigen bislang nichts bekannt, aber natürlich sei "der ukrainische Staatspräsident in Deutschland sehr willkommen".

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