Schutzschirm "European Sky Shield":Schweiz will bei Luftverteidigung mitmachen

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Will vom Verbot von Waffenlieferungen für die Ukraine nicht abrücken, aber der Schweiz zu mehr Luftsicherheit verhelfen: Verteidigungsministerin Viola Amherd. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Die Schweizer Verteidigungsministerin will mit ihren Amtskollegen aus Deutschland und Österreich eine Kooperation bei der Flugabwehr vereinbaren. Ein Neutralitätsproblem sieht das Land darin nicht.

Von Isabel Pfaff, Bern

Die Ankündigung klingt ganz anders als das, was man zuletzt aus Bern zur Sicherheitspolitik hörte: Die Schweiz wünscht sich mehr Zusammenarbeit mit ihren europäischen Partnern. Namentlich will sie der von Deutschland angestoßenen "European Sky Shield Initiative" beitreten. Die 2022 lancierte Initiative, der aktuell 17 europäische Staaten angehören, soll die Luftverteidigung in Europa stärken, indem die Länder ihre entsprechende Rüstungsbeschaffung besser koordinieren und bündeln.

Die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd will dazu am Freitag in Bern zusammen mit ihren Amtskollegen aus Deutschland und Österreich eine Absichtserklärung unterzeichnen, wie ihr Haus der Süddeutschen Zeitung bestätigte. Das Ganze soll im Rahmen des jährlichen trilateralen Treffens zum Thema Sicherheit und Verteidigung stattfinden, zu dem der Deutsche Boris Pistorius und die Österreicherin Klaudia Tanner am Donnerstag anreisen.

Die Ankündigung aus Bern wirkt zunächst überraschend

Besonders glücklich dürfte Pistorius mit dem Ort des Treffens nicht sein. Dass es in der Schweiz stattfindet, ist zwar dem jährlichen Turnus geschuldet (im vergangenen Jahr war Deutschland Gastgeber, im kommenden wird es Österreich sein). Doch die Regierung in Bern hatte zuletzt einigen Unmut auf sich gezogen, weil sie mehreren europäischen Staaten untersagte, aus der Schweiz stammende Rüstungsgüter an die Ukraine weiterzugeben.

Obwohl Bern den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als klaren Völkerrechtsbruch verurteilt und humanitäre Hilfe leistet, bleibt es bei Waffenlieferungen hart. Die Weitergabe von Rüstungsgütern aus Schweizer Produktion stelle eine indirekte militärische Unterstützung Kiews dar, so die Argumentation - und das verstoße gegen die Neutralität und das Kriegsmaterialgesetz der Schweiz. Dem Vernehmen nach ist der Ärger über diese Haltung insbesondere in Berlin groß.

In dieser Gemengelage wirkt die Ankündigung, bei der europäischen Luftverteidigung mitmachen zu wollen, zunächst überraschend. Das Neutralitätsrecht gestattet es neutralen Staaten nämlich nicht, Mitglied in einem Verteidigungsbündnis wie der Nato zu werden.

Das hat die Schweiz auch nicht vor. Allerdings arbeitet sie schon heute militärisch mit der Nato zusammen, in dem Programm "Partnerschaft für den Frieden", das die Nato für Nichtmitglieder geschaffen hat. Dort tauscht die Schweizer Armee Erfahrungen und Know-how aus, beteiligt sich regelmäßig an Übungen. Angesichts des Ukraine-Kriegs streben die Schweizer aber noch engere Kooperationen mit der Nato und der EU an - das hat die Regierung im September 2022 in einem sicherheitspolitischen Lagebericht festgehalten. "Zur Stärkung ihrer Sicherheit mitten in Europa muss die Schweiz Teil dieser Zusammenarbeit sein", schlussfolgerte der Bundesrat.

Gegen einen Angreifer wie Russland könnte sich die Schweiz nicht allein verteidigen

Aber: Als Abschied von der Neutralität will er seinen Kurs nicht verstanden wissen. Es gehe schlicht um die "Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit", unter strikter Einhaltung der Neutralität.

Auch jetzt, beim europäischen Raketenschutzschirm, betont das Verteidigungsministerium in Bern, dass eine Beteiligung neutraler Staaten "in vielen Bereichen" möglich sei. Ähnlich hat sich die Regierung in Wien vor wenigen Tagen geäußert: Österreichs Status als militärisch neutraler Staat sei durch den Beitritt zu der Initiative nicht gefährdet. Gemäß Ankündigung wollen beide Staaten ihre neutralitätsrechtlichen Vorbehalte gegenüber der "Sky Shield"-Initiative am Freitag in einer Zusatzerklärung festhalten.

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Das schweizerische Motiv sind also nach wie vor die eigenen Sicherheitsinteressen - nicht die Abwendung von der Neutralität als außenpolitische Maxime. Ob das Land dafür mittlerweile auf mehr Verständnis seiner Nachbarstaaten hoffen kann, ist fraglich. Denn allen Beteiligten ist klar, dass die Schweiz schon jetzt von den Verteidigungsanstrengungen ihrer Nachbarn profitiert, ohne dazu besonders viel beizutragen. Alle wissen auch, dass sich die Schweiz im Zweifelsfall nicht aus eigener Kraft gegen einen Aggressor wie Russland verteidigen könnte.

Die Antwort darauf, so sehen es zumindest die westlichen Partner, muss ein stärkeres Schweizer Engagement sein - Neutralität hin oder her. Beim Raketenschutzschirm ist Bern nun bereit. Doch Waffenlieferungen erteilte es jüngst schon wieder eine Absage: Der Schweizer Rüstungskonzern Ruag wollte Leopard-1-Kampfpanzer nach Deutschland verkaufen, wo sie instandgesetzt und dann Kiew übergeben worden wären. Doch der Bundesrat legte vergangene Woche sein Veto ein.

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