Schwarz-Gelb nach der Gauck-Kür:Rösler feiert einen gefährlichen Sieg

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Die FDP wollte Gauck und sie hat ihn bekommen: Die Liberalen sind im Streit mit der Union über den Bundespräsidenten bis an die Grenze der koalitionären Existenz gegangen. Das Ergebnis ist ein Sieg für ihren Parteichef Philipp Rösler. Aber einer, der einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen könnte. "Man sieht sich immer zweimal", heißt es aus der Union.

Thorsten Denkler, Berlin

Er wollte sich nicht alles bieten lassen von der Union. Oder wollte er die eigene Schwäche kaschieren? Die Motivationen für das Husarenstück von FDP-Chef Philipp Rösler sind vielfältig. Er ist an die Grenze gegangen, hat die Existenz der Koalition aufs Spiel gesetzt, um seinen Willen durchzusetzen. Joachim Gauck sollte Bundespräsident werden. Kein anderer. Dafür hat er extra einen Präsidiumsbeschluss der FDP erzwungen.

Angela Merkel aber, Kanzlerin und CDU-Vorsitzende, hatte sich ebenfalls festgelegt: Auf keinen Fall Gauck. Stattdessen Klaus Töpfer oder die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Oder ein anderer, dessen Name noch nicht gefallen war.

Der Sonntagnachmittag sollte für die schwarz-gelben Chef-Unterhändler im Bundeskanzleramt zum härtesten Belastungstest in der Geschichte der Koalition werden. Es wurde übereinander geschimpft und geflucht. Die Unionsseite versuchte mit gezieltem Durchstechen die Position der FDP zu perforieren. Die Liberalen hatten sich auf die Strategie "offenes Visier" verlegt. Fraktionschef Rainer Brüderle und Schleswig-Holsteins FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki lobten Gauck in den Himmel, noch bevor die Gespräche überhaupt begonnen hatten.

Sie hat ihm die Tür aufgemacht

Am Schluss knickte Merkel ein. Sie hatte den Druck noch selbst erhöht, indem sie nach den Präsidiumsschaltkonferenzen am Nachmittag, auf der höchsten Eskalationsstufe also, kurzerhand SPD und Bündnisgrüne für den Abend ins Kanzleramt einlud. Sie muss irgendwann gemerkt haben: Rösler will mit dem Kopf durch die Wand. Sie hat ihm dann lieber die Tür aufgemacht.

Jetzt ist ihr die Häme der Opposition sicher. Grünen-Chef Cem Özdemir stichelt: "Die Regierung kann selber nicht mehr handeln." Es gehe ein tiefer Riss durch die Koalition. Seine Ko-Vorsitzende Claudia Roth sagt, die Entscheidung pro Gauck sei die allerletzte Rettung der Koalition auf dem Weg zum Abgrund gewesen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles findet, die Kanzlerin sei umgefallen. Ein Vorwurf, der bislang eher in Richtung der FDP zu hören war.

Die FDP feiert sich jetzt als Sieger. Gauck sei vor allem ihr Kandidat, wird geraunt. Ohne die FDP sei er nicht möglich gewesen. Die Strategen hoffen, dass ein wenig vom Glanze Gaucks als Präsident der Herzen auf die Liberalen abfärben möge. "Wir wollten auch mal auf der richtigen Seite stehen", sagte ein Präside der Partei. Und Rösler schwor seine Truppe mit den Worten ein: "Man kann ein Amt oder eine Wahl verlieren. Aber nie seine Überzeugung!"

"Gewaltiger Vertrauensbruch"

Der süße Sieg aber könnte für Rösler noch einen bitteren Beigeschmack bekommen. In der Union fühlen sich viele erpresst von der FDP. Fraktionsvize Michael Kretschmer sieht darin einen "gewaltigen Vertrauensbruch".

Gauck war deshalb ein schwieriger Kandidat für CDU und CSU, weil seine Nominierung einem offenen Eingeständnis gleichkommt, mit Christian Wulff 2010 den Falschen aufs Schild gehoben zu haben. Da hätten die Christdemokraten etwas mehr Verständnis erwartet.

Viele Liberale aber fühlen sich seit Beginn der Koalition von der Union gegängelt. Keines ihrer Herzensprojekte konten sie durchsetzen. Von den geplanten Steuersenkungen ganz zu schweigen. Jetzt, in der Bundespräsidentenfrage, sollte dagegen mal ein donnerndes Signal gesetzt werden.

Eines, das noch Nachhall haben wird. So sehr sich Rösler jetzt mit beiden Fäusten auf die Brust klopfen kann, so sicher dürfte sein: Die FDP wird es in der verbleibenden Zeit bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr schwerer haben, ihre Themen durchzusetzen. "Man trifft sich im Leben immer zweimal", prophezeit der ansonsten eher zu Gelassenheit neigende CDU-Mann Wolfgang Bosbach.

Nichts mehr zu verlieren

Mit Koalitionsbruch kann die FDP nicht noch einmal drohen. Zumal Merkel bei Gauck letztlich wohl nur eingelenkt hat, weil ihr die Personalie dann doch nicht so wichtig war. Die FDP liegt in den Umfragen weiterhin bei unter fünf Prozent. Und an der Spitze fehlt ein Protagonist, der daraus in einem Wahlkampf sechs oder sieben Prozent machen könnte. Rösler wird das nicht zugetraut. Etwas schwierig, da mit dem Ende der Zusammenarbeit zu drohen. Neuwahlen können nicht ernsthaft das Ziel der FDP sein.

Für Rösler aber ging es auch um etwas ganz anderes. Er musste seine politische Haut retten. Ohne diesen Erfolg wäre er wohl schon nach der Saarlandwahl fällig gewesen, die die FDP wohl deutlich verlieren wird. Jetzt hat er sich Luft verschafft. Mit seinem Gauck-Coup habe er jetzt erst mal nur seine politische Existenz über die Saarlandwahl hinaus gerettet. So sehen es seine parteiinternen Kritiker. Schon die Wahl in Schleswig-Holstein aber könnte sein Ende besiegeln.

So gesehen hatte Rösler nichts mehr zu verlieren, als er sich mit seiner Alles-oder-nichts-Strategie auf die Kanzlerin stürzte. Er sollte sich jetzt nur nicht zu sicher sein, sagen Unionsleute: Sollte die FDP künftig häufiger glauben, sie könne als gefühlte Zwei-Prozent-Partei aufmüpfig werden, könnten Neuwahlen schneller anstehen, als Rösler gucken kann.

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